Gefälligkeitsattest?

Fall Waltraud: Nun Ermittlungen gegen Psychiater

Österreich
09.10.2025 07:23

Der Fall rund um einen Mann, nach Änderung seines Geschlechtseintrages seine Haft im Frauengefängnis verbüßen möchte, schlug hohe Wellen. Nun wird das psychiatrische Attest überprüft, das die Änderung möglich machte: Das Ministerium ortet ein Gefälligkeitsgutachten – dies wäre ein Strafrechtsbestand.

Mehrere Behörden prüfen derzeit mögliche strafrechtliche Konsequenzen in dem Fall, über den die „Krone“ zuerst berichtet hatte. Ein Mann hat kurz vor dem Antritt einer dreimonatigen Haftstrafe seinen Geschlechtseintrag ändern lassen. Walter P., der seitdem als Waltraud P. auftritt, wollte die Strafe im Frauengefängnis verbüßen. Die Änderung erfolgte nach Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens. Kurz nach der Änderung erhielt Waltraud P. nach eigenen Angaben ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), in dem ihr ein früherer Pensionsantritt mit 61 Jahren statt wie zuvor mit 65 Jahren als Mann in Aussicht gestellt wurde.

Gesetzliche Änderungen sind aus Sicht der Regierung und eines Rechtsexperten nicht nötig, denn die derzeitigen Vorgaben würden die willkürliche Änderung des Geschlechts ausschließen.

Psychiatrisches Gutachten wird überprüft
Laut Innenministerium ist es in Österreich nicht möglich, „wahllos sein Geschlecht zu ändern“. Das Ministerium hat in dem Fall den Magistrat der Stadt Wien beauftragt, das psychiatrische Gutachten zu überprüfen, das zur Änderung des Geschlechtseintrags geführt hat. Aufgrund der Aussagen von Waltraud P. gegenüber der „Krone“ könne „nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten und damit um einen strafrechtlichen Tatbestand handelt“. Das Bundeskriminalamt hat Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetrugs eingeleitet.

Waltraud P. plant keine geschlechtsangleichenden Maßnahmen.
Waltraud P. plant keine geschlechtsangleichenden Maßnahmen.(Bild: Urbantschitsch Mario)
Waltraud überlegt, auch beim Bewerb für Frauen-Gewichtheben mitzumachen.
Waltraud überlegt, auch beim Bewerb für Frauen-Gewichtheben mitzumachen.(Bild: Urbantschitsch Mario)

Experte: Psychiater könnte sich strafbar gemacht haben
Rechtsexperte Helmut Graupner sieht in den laufenden Ermittlungen den Beleg dafür, dass der österreichische Rechtsstaat über wirksame Kontrollmechanismen verfügt: „Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister beurkundet das rechtliche Geschlecht, legt es aber nicht fest.“ Die Unrichtigkeit könne bewiesen werden und müsse von Behörden und dem Gericht festgestellt werden. Denn das rechtliche Geschlecht begründe sich auf dem „tatsächlich sozial gelebten Geschlecht“, so der Anwalt. Er bezweifle aufgrund Aussagen von Waltraud P., dass die Person das weibliche Geschlecht lebt. Außerdem müsse überprüft werden, ob der begutachtende Psychiater fahrlässig oder vorsätzlich das Gutachten ausgestellt und sich damit ebenfalls strafbar gemacht habe.

Verfrühter Pensionsstichtag am Prüfstand
Die PVA betont, dass jeweils zum Pensionsstichtag immer zu prüfen sei, ob der Versicherungsfall tatsächlich eingetreten ist und alle Voraussetzungen – auch die tatsächliche Geschlechtsidentität – erfüllt sind. Sollte es Zweifel geben, kann ein anderes Regelpensionsalter angewendet werden. Diese Vorgehensweise entspreche der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte. Auch das SPÖ-geführte Sozialministerium erklärte dazu: „In Fällen, in denen Zweifel an der maßgeblichen Einordnung bestehen, erfolgt eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung.“ Eine Änderung des Geschlechts hänge rechtlich demnach nicht allein vom persönlichen Zugehörigkeitsempfinden ab, sondern bedürfe einer Gesamtbetrachtung des individuellen Sachverhalts. Aus Sicht des Sozialministeriums brauche es dahingehend keine Gesetzesänderung.

Das ebenfalls SPÖ-geführte Justizministerium hält die bestehenden Regelungen bezüglich der Unterbringung von Verurteilten auch für ausreichend. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: „Die Unterbringung von Strafgefangenen ist immer eine Einzelfallentscheidung, die unter Abwägung aller Umstände individuell getroffen wird.“ Die Vollzugsbehörden seien verpflichtet, für eine Unterbringung zu sorgen, „die den Schutz der Rechte aller Insassen und Insassinnen gleichermaßen im Blick hat.“

ÖVP und SPÖ: „Braucht akribische Überprüfungen“
Politisch sorgt der Fall vor allem bei der FPÖ für Empörung. Die Freiheitlichen fordern eine sofortige gesetzliche Klarstellung. Dagegen sehen die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ auf Nachfrage keinen Handlungsbedarf. „Es braucht keine neuen Gesetze, sondern akribische Überprüfungen, ob Geschlechtsumwandlungen ausschließlich den Zweck verfolgen, sich in anderen Bereichen widerrechtlich Vorteile zu verschaffen“, hieß es von der Volkspartei unter Verweis auf die Ermittlungen. Die mitregierenden NEOS kündigten indes an, man werde prüfen, ob es bei den Verfahren und Regelungen Nachschärfungen brauche, um „derartigen Missbrauch künftig zu verhindern“. Die Grünen erklärten: „Im konkreten Fall handelt es sich offensichtlich um einen Missbrauch. Dieser gehört natürlich geahndet – die Behörden sind aufgerufen, entsprechende Schritte zu setzen.“

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