„Krone“-Interview

Bulgarian Cartrader: Außen schroff, innen sensitiv

Musik
11.10.2025 09:00

Fein gesponnene Indie-Sounds mit Jazz- und Soul-Einflüssen, vorgetragen von einem in Bulgarien geborenen Berliner? Das klappt erstaunlich gut, wie man heute Abend im Wiener Flex Café hören kann. Daniel Stoyanov aka Bulgarian Cartrader ist ein Spätberufener, der schon viel erlebt hat. Der „Krone“ gibt er Einblicke in seine bunte Vergangenheit und zufriedenstellende Gegenwart.

kmm

In einer Welt der zunehmenden Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit geht es zunehmend um das Besondere, Einzigartige oder vor allem Andere, um noch aufzufallen und zu reüssieren. Das Spiel mit der Neugierde beherrscht der 39-jährige Indie-Spätstarter Daniel Stoyanov perfekt. Unter dem Alias-Namen Bulgarian Cartrader machte er 2022 mit seinem Debütalbum „Motor Songs“ erstmals auf sich aufmerksam und erweckte dabei das Interesse von Fans, Showcase-Festivalveranstaltern und all jenen, die mit einer gewissen Form von hervorstechender Diskrepanz kein größeres Problem haben. Stoyanov inszeniert sich dabei ganz anders als er klingt. Rotzbremse, Jogginganzug und Porsche 944 Safari, vor dem er sich für ein großes Magazininterview präsentierte, haben in ihrer hervorstechenden Männlichkeit wenig gemein mit den feinfühligen Indie-Pop-Songs des Künstlers, die gerne mal Schlenker in den Jazz oder Soul wagen.

Das Spiel mit dem Alter Ego
„Ich war schon immer umgeben von Menschen, die autofixiert sind, das liegt in meiner DNA“, erzählte er der „Krone“ bei seinem letzten Wien-Gig im Gespräch, „ich habe vor mehr als zehn Jahren einem guten Kumpel dabei geholfen, Autos zu verkaufen, da war auch Österreich im Spiel. Aus dem heraus entstand dann der Begriff ,Bulgarian Cartrader‘, aber auch deshalb, weil ich gerne mal dickköpfig bin und die Dinge allein durchziehe. Hinter dem Namen steckt auch eine gewisse Antihaltung, aber es gibt natürlich Sachen, die sind absolut echt. Wie etwa der Mantel, den ich auf den Bildern trage. Er ist von meinem Großonkel, der Schafzüchter ist.“ Stoyanov liebt das Spiel mit dem künstlerischen Ego. Er ist in Bulgarien geboren, als Gastarbeiterkind mit der Familie zuerst in die DDR ausgewandert und war nach dem Mauerfall Bundesdeutscher. „Meine Eltern sprechen bis heute nicht richtig gut Deutsch, bei uns zu Hause haben wir uns immer auf Bulgarisch unterhalten.“

Die Liebe zur alten Heimat ist heute vielleicht größer denn je. Das liegt auch am musikalischen Schaffen. „Mit dem Flugzeug bist du in zwei Stunden in Sofia. Von dort ist es eine halbe Stunde bis ins Stadtzentrum und direkt nebenan ist ein 2000 Meter hoher Berg, den man bewandern kann. Ich habe meinen bulgarischen Pass wieder und versuche immer wieder in Bulgarien zu arbeiten.“ Neben der Sehnsucht und Liebe zur Heimat, steckt auch ein künstlerisches Kalkül hinter dem Plan. Mit dem bulgarischen Touch kommt in der Szene auch ein etwas artfremderer, vielleicht spannenderer daher. „Auf internationaler Ebene gibt es für mich dadurch vielleicht bessere Chancen. Ich habe dabei selbst das Gefühl, ich wäre auf einer Art kultureller Mission und die Visualisierung meiner Songs geht in die Richtung.“ Auch hier spielt der Bulgarian Cartrader gerne zwischen Realität und Fantasie. Immer sind Kapitel seiner Erzählung war, andere fiktional. Kunst eben. Nicht so leicht fassbar.

Aus der alten Haut schälen
Vor seiner heutigen Karriere war er ein Held der zweiten Reihe. Er war Mitglied des Leipziger Duos Malky und fungierte als Songwriter und Bühnenmusiker für Top-Acts wie Seeed, Rapper Casper oder Peter Fox. Während Corona kam dann die Kehrtwende und Fokussierung auf ein eigenes Alter Ego im Musikbereich. Eine längst fällige und auch fruchtbare Veränderung für den Sänger, der über die letzten Jahre nicht nur als junger Familienvater, sondern auch als Mensch an sich reifte. „Die wichtigste Erkenntnis für mich war, dass es in dieser Welt Hartnäckigkeit braucht. Ich war früher auf eine ganz spezielle Art und Weise sehr naiv und fühlt mich immer künstlich isoliert. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich viel mehr mit anderen Menschen Musik machen, mich verbinden. Ich habe damals aber niemanden an mich rangelassen und es war nicht leicht, mich aus dieser alten Haut zu befreien. Das hat natürlich viel mit dem Aufwachsen, mit den Eltern oder Freunden zu tun, aber ich habe in den letzten Jahren immens viel dazugelernt.“

Mit einem kleinen Team arbeitet Stoyanov seit gut vier Jahren an der ständigen Entwicklung des Bulgarian Cartrader, was man an der hohen Frequenz an neuen Songs und EPs sieht. „Ich wollte früher immer alles allein machen und wusste nicht, dass die Musikwelt kein Hexenwerk ist, sondern harte Arbeit. Mein vielleicht größter Fehler war rückblickend, dass ich damals der Meinung war, man müsste mich entdecken oder da draußen wäre jemand, der mich komplementiert. Es ist ein großer Trugschluss, dass sich alle Leute so für die Vision einsetzen, wie man sich selbst für seine einsetzt. Die Menschen sind mit ihren Leben alle sehr beschäftigt, keiner wartet auf dich als Musiker, um dich zu protegieren. Dass ich in einer solchen psychologischen Sackgasse gelandet war, musste ich erst einmal verstehen. Man ist selbst für sein Glück verantwortlich und draußen mit einer Wand der Ignoranz konfrontiert. Wenn man sich selbst ausreichend vertraut und ein gutes Team hat, kann man auch anderen vertrauen. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass es jetzt so ist, wie es ist.“

Fragen führen zu Gesprächen
Als Bulgarian Cartrader verbindet er ein nur scheinbar schroffes Proletariatsäußeres mit sehr feinfühligen Songs, die durchaus Femininität zeigen und keine Angst vor Gefühlen und sensibler Sensorik haben. Das bewies er nicht zuletzt mit den neuen EPs „Toothpicks“ oder „Jon Bon Jovi“. Die Vielseitigkeit ist ihm dabei ein besonderes Anliegen. „Das ist in gewisser Weise natürlich auch der Zeit geschuldet. Im Zeitalter von Playlists hast du einen 80er-Jahre-Song und direkt darauf einen Heavy-Metal-Track und alles geht sich miteinander aus. Die Leute hören querbeet und ich finde, das funktioniert sehr gut und mein Publikum findet gerade diesen Aspekt sehr spannend. Wer mich nicht kennt, sondern nur den Namen und dann den Sound hört, der hat erst einmal Fragen. Und Fragen sind schon einmal gut, um mit den Leuten in nächster Ebene ins Gespräch zu kommen.“ Ob der Künstlername einmal obsolet werden wird, daran denkt Stoyanov nicht. Nach Jahren des Zweifelns genießt er lieber die Gegenwart – und freut sich auf das, was kommt.

Live in Wien
Bulgarian Cartrader spielt heut Abend, am 11. Oktober, im Wiener Flex Café und stellt dabei nicht nur seine neuen Songs, sondern auch die Lieder des Albums „Motor Songs“ aus 2022 vor. Es gibt noch ein paar Karten auf www.oeticket.com und an der Abendkassa.

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