Beziehung

Wenn Schweigen zur gefährlichen Waffe wird

Vorarlberg
28.09.2025 17:14

Manchmal ist Schweigen Gold – manchmal Gift. Schweigen kann sogar zur gefährlichen Waffe werden. Der Vorarlberger Psychiater Reinhard Haller warnt vor den Folgen.

Ein Abendessen, bei dem nicht ein Wort fällt. Ein Paar sitzt bei einem Drink in einer Bar, doch statt Gesprächen herrscht bedrückende Stille. Im Büro wird ein Kollege tagelang ignoriert. Oder Familienmitglieder sprechen jahrelang kein Wort miteinander. Situationen wie diese kennt fast jeder – und sie können schwer belasten. „Schweigen kann achtsam und taktvoll, mitfühlend und nachsichtig, andächtig und ehrfürchtig, letztlich überlegen und souverän sein“, sagt Vorarlbergs Star-Psychiater Reinhard Haller. In einer immer lauter werdenden Welt könne das Schweigen sogar heilsam sein. „Es kann aber auch ganz anders sein. Kalt, erschütternd, bleischwer“, warnte Psychiater Reinhard Haller kürzlich in einem Vortrag im Rahmen der AK Vorarlberg-Reihe „Wissen fürs Leben“.

Toxisches Schweigen – eine psychologische Waffe
Destruktives Schweigen verhindert jegliche Lösung und ruft beim Gegenüber Gefühle der Verunsicherung, der Hilflosigkeit und der Ohnmacht hervor. Haller spricht von „toxischem Schweigen“, wenn Stille nicht zufällig, sondern gezielt eingesetzt wird – als Strafe, Druckmittel oder Machtdemonstration. Anders als normale Ruhe oder Nachdenkpausen hat toxisches Schweigen immer ein Ziel: den anderen kleinzuhalten, zu verunsichern oder ihm das Gefühl zu geben, irrelevant zu sein. Kaum eine Form psychologischer Kriegsführung sei auch so wirksam. Wer angeschwiegen wird, verliert Sicherheit, fühlt sich erniedrigt und zweifelt an sich selbst.

Reinhard Haller bei der AK Vortrags-Reihe „Wissen fürs Leben“.
Reinhard Haller bei der AK Vortrags-Reihe „Wissen fürs Leben“.(Bild: AK Vorarlberg)

Im Alltag zeigt sich das etwa als „Schweigeterror“ in Beziehungen, im Berufsleben als Mobbing durch Gesprächsverweigerung oder im großen Maßstab als „Schweigekartell“ in Politik und Gesellschaft. Die Folgen können fatal sein. „Ohne Beendigung der Schweigeblockade lassen sich weder persönliche noch gesellschaftliche Konflikte lösen und schon gar nicht kriegerische Auseinandersetzungen. Solches Schweigen ist ein Kriegstreiber und Friedensverhinderer ersten Ranges“, warnt Haller. Toxisches Schweigen kann Beziehungen vergiften, Vertrauen zerstören und sogar psychische Probleme auslösen. Es ist eine stille, aber äußerst wirksame Form der Kontrolle – und viele merken erst spät, dass sie darin gefangen sind.

Wie man Schweigemauern durchbricht
Doch wie lässt sich toxisches Schweigen entschärfen? Haller betont: Der erste Schritt ist, es zu erkennen und klar zu benennen. Wer angeschwiegen wird, sollte das nicht einfach hinnehmen. Entscheidend sei, die eigene Würde zu bewahren und nicht in Selbstzweifel zu verfallen. Ein Satz wie „Dein Schweigen verletzt mich“ macht deutlich, dass die stille Behandlung nicht einfach akzeptiert wird. Ebenso wichtig ist es, Grenzen zu setzen: Gesprächsverweigerung darf nicht zum Normalzustand werden. Wer sagt „Ich bin bereit zu reden, aber nicht, wenn du mich anschweigst“, signalisiert Stärke und entzieht dem Schweigen seine Macht.

Auch der eigene Selbstwert muss geschützt werden. Denn Schweigen sagt mehr über die schweigende Person aus als über die betroffene. Haller betont, dass Schweigen Gefühle von Ohnmacht erzeugt – deshalb gilt es, sich bewusst zu machen: Die eigene Würde bleibt unantastbar. Und schließlich braucht es Mut, den Dialog wieder zu suchen. Ob mit einer einfachen Frage oder über ein neutrales Thema – entscheidend ist, dass das Gespräch nicht für immer abreißt. Wenn die Fronten völlig verhärtet sind, kann auch professionelle Hilfe sinnvoll sein: durch Mediation, Paar- oder Familientherapie.

Infobox

Das neue Buch von Psychiater Reinhard Haller „Toxisches Schweigen. Die psychologische Waffe erkennen und entschärfen“ erscheint Ende des Jahres: Ein Buch über die Psychodynamik des Schweigens und Strategien, die Schweigemauer zu durchbrechen.

Am Ende bleibt: Stille kann beruhigen, heilen und verbinden – oder verletzen, zerstören und spalten. Ob Schweigen Gold oder Gift ist, entscheidet die Absicht dahinter. Wird Schweigen zur Waffe, muss es durchbrochen werden.

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