Gerald Knaus nimmt zehn Jahre nach Beginn der großen Flüchtlingsbewegung Europa in die Pflicht. Der Migrationsexperte plädiert eindringlich für bessere Abkommen mit Drittstaaten, um mehr Abschiebungen und Rückführungen zu erreichen und auch die Zahl von Neuankömmlingen schon im Vorhinein zu reduzieren. Und Knaus warnt: „Wenn es Europa in den nächsten drei Jahren nicht schafft, wirksame Strategien umzusetzen, droht das Szenario Donald Trump ...“
Seit dem Sommer 2015, in dem rund 1,3 Millionen Asylanträge in der EU gestellt wurden, ist Migration ein zentrales Streitthema europäischer Politik. Österreich zählte gemessen an der Bevölkerung zu den aufnahmestärksten Ländern. „Österreich hat in diesen letzten zehn Jahren über 175.000 Menschen positive Asylentscheidungen gegeben und sie als Flüchtlinge anerkannt. Das war pro Kopf die Nummer eins in Europa. Also Österreich war der Europameister bei positiven Asylentscheidungen“, erklärte Knaus am Donnerstagabend in der „ZiB 2“.
„Nicht durchdacht, keine Wirkung“
Trotz vieler Reformversuche bleibt das Asylsystem bis heute jedoch eine ungelöste Herausforderung. ORF-Moderator Stefan Lenglinger verwies im Interview auf die Tatsache, dass die Mehrheit in der Bevölkerung nach wie vor der Meinung sei, dass zu viele Menschen kämen. „Die anderen haben weniger getan“, betonte Knaus, die Diskussionen in der EU hätten sich jetzt zehn Jahre lang alle im Kreis gedreht, seien nicht durchdacht gewesen, hätten keine Wirkung gehabt.
„Gefährliche Entwicklung“
Knaus sieht darin eine gefährliche Entwicklung, die politische Extreme stärken kann, wie dies etwa in Ungarn oder den USA der Fall sei. Knaus: „Ohne die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung ist auf Dauer eine humane Politik der Flüchtlingsaufnahme nicht möglich“, betont der Migrationsforscher.
In der EU werde seit Jahren über neue Asylsysteme, Verteilungen und Grenzkontrollen diskutiert, so Knaus, aber nur wenig Wirksames umgesetzt. Denn: Nur jeder fünfte Migrant, der die EU verlassen müsste, tut dies aktuell. Rückführungen und Abschiebungen funktionieren laut Knaus auch deshalb kaum, weil Herkunftsländer oft nicht kooperieren würden.
Fehlende Solidarität
Pläne scheiterten oft an nationalen Interessen, selbst die Schließung der Balkanroute brachte keine dauerhafte Entlastung. Während Länder wie Österreich und Deutschland „am aufnahmebereitesten seien“, vermisst Knaus bei vielen anderen EU-Staaten die Solidarität.
Ohne die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung ist auf Dauer eine humane Politik der Flüchtlingsaufnahme nicht möglich.
Migrationsforscher Gerald Knaus
Die Lösung liege auch nicht an der österreichischen Außengrenze. Mit einem offenen Schengenraum könne man irreguläre Migration innerhalb der EU nicht wirklich stoppen, „man muss es an der Außengrenze machen“. Irreguläre Migration könne man nur durch Abkommen mit anderen Staaten reduzieren.
Fokus der Politik: Verurteilte Straftäter abschieben
Knaus: „Wir brauchen eine Politik, die zwei Dinge in den Fokus nimmt: nämlich Rückführungen von denen, die als Straftäter eine besondere Gefahr darstellen. Wenn die keinen Schutz brauchen, darf man sie abschieben. Da sind die Zahlen nicht so groß, aber das Land wird sicherer.“ Das zweite seien Abkommen, dass die Zahl jener, die neu in die EU kommen, falle.
Donald Trump reduziert die irreguläre Migration unter Aussetzen des Rechtsstaates auf Terror gegen Menschen im Land.
Gerald Knaus
Warnung vor amerikanischen Verhältnissen
Der Migrationsexperte meint, dass „sehr viel auf die nächsten drei Jahre ankommt“. Europa müsse beweisen, dass humane Kontrolle möglich sei. „Wenn wir es nicht schaffen, droht das Szenario Donald Trump. Dieser reduziert die irreguläre Migration unter Aussetzen des Rechtsstaates auf Terror gegen Menschen im Land, schafft sie in den Urwald von Panama oder in Gefängnisse in El Salvador. Er lässt sie jagen durch eine Sondereinheit des Heimatschutzes.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.