Die US-Zölle auf viele Produkte aus der EU sind in Kraft getreten. Obwohl die Folgen auf die Wirtschaftsleistung Österreichs überschaubar sind, gibt es laut Wifo-Chef Gabriel Felbermayr auch eine große Unbekannte: Die Unsicherheit, die diese Maßnahme auslöst, könnte zu größeren negativen Effekten führen.
Die von Donald Trump angeordneten Handelsmaßnahmen sollten planmäßig um Mitternacht (Ortszeit Washington; Donnerstag 6.00 Uhr MESZ) in Kraft treten, wie der US-Präsident wenige Minuten zuvor auf seiner Plattform Truth Social bestätigte.
„Unsicherheit ist schwerer zu quantifizieren“
Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) dürften die US-Zölle die österreichische Wirtschaftsleistung kurzfristig um 0,1 bis 0,2 Prozent nach unten drücken. Die unmittelbaren Auswirkungen der Zölle auf die Wirtschaft hierzulande seien berechenbar, „aber die Unsicherheit (...) ist schwerer zu quantifizieren“, sagte Felbermayr am Donnerstag im Ö1-„Mittagsjournal“. Demnach könne der negative Effekt aufgrund von Unsicherheiten auch größer ausfallen. Dazu zählen laut Felbermayr etwa die Streitigkeiten in der Interpretation des Deals zwischen der EU und den USA. Auch sei nicht sicher, ob es langfristig bei dem Zollsatz von 15 Prozent bleibe, oder ob die USA die Zölle in Zukunft doch wieder anheben.
Ökonom sieht offene Fragen im Zollvollzug
Viele offene Fragen sieht Felbermayr auch im Vollzug der neuen Zollsätze. Unklar sei etwa, wie die USA damit umgehen, dass sich die Zollsätze zwischen ihren Handelspartnern stark unterscheiden. Auch internationale Lieferketten könnten durcheinanderkommen, wenn Container aufgrund von Zollunklarheiten in US-Häfen festsitzen. Eine Gefahr sieht der Ökonom aber vor allem für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen: „Die Konsequenzen in Europa werden spürbar sein und ich fürchte schneller, als die USA zurückrudern“, so der Wirtschaftsforscher.
Der Delegationsleiter der NEOS im EU-Parlament, Helmut Brandstätter, forderte in einer Stellungnahme am Donnerstag „ein starkes Europa, das wirtschaftliche Erpressung nicht tatenlos hinnimmt.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dürfe sich nicht vom US-Präsidenten einschüchtern lassen. Die Partei sieht „den freien Handel als Garant für weltweiten Wohlstand“.
Trump sieht USA im Außenhandel benachteiligt
Neben der EU sind zusätzlich knapp 70 Staaten von den veränderten Zollsätzen betroffen, in jeweils unterschiedlicher Höhe. Trump begründet seine radikale Zollpolitik mit angeblichen Handelsdefiziten, die für die USA ein nationales Sicherheitsrisiko darstellten – deswegen gebe es einen nationalen Notstand, der die Zölle rechtfertige. Sein Vorgehen ist auch juristisch umstritten.
Das Posting Trumps auf seiner eigenen Plattform:
Trump erhofft sich „Milliarden Dollar“
Wenige Minuten vor Mitternacht kündigte Trump auf Truth Social an, dass die Zölle nun gleich in Kraft treten würden. „Es werden Milliarden Dollar in die USA fließen, großteils aus Ländern, die die USA über viele Jahre hinweg ausgenutzt und darüber gelacht haben“, schrieb er in Großbuchstaben.
EU-Kommission interpretierte die Frist bis zuletzt anders
Trump hatte die neuen Zölle in der vergangenen Woche per Dekret angeordnet. Die EU-Kommission interpretierte die Frist bis zuletzt anders und ging von einem Inkrafttreten erst am Freitag (8. August) aus. Warum beide Seiten bis zuletzt keine einheitliche Linie bei der Kommunikation des Startdatums gefunden haben, blieb unklar.
Für Staaten, die nicht auf der langen Zollliste stehen, gelten andere Abgaben. Mit China und Mexiko verhandeln die USA darüber hinaus separat. Obendrein hat Trump Strafzölle gegen Staaten angedroht oder bereits verhängen lassen, die mit Russland im Energiesektor Geschäfte machen und den Kreml so indirekt beim Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen – so wurde es etwa im Falle der Sonderzölle für Indien begründet.
15 Prozent: Ein guter Kompromiss – oder zu viel?
Die EU-Kommission hatte unlängst eine neue Grundsatzvereinbarung mit ihren amerikanischen Handelspartnern erzielt: Damit reduzierte sie den angedrohten Zollsatz um die Hälfte auf nun 15 Prozent, nachdem Trump Wochen zuvor per Brief einen Abgabensatz von 30 Prozent auf die meisten EU-Exporte in die USA in Aussicht gestellt hatte.
Kritiker werteten das als bekannte Taktik des Präsidenten: Überhöhte Forderungen platzieren, um danach einen Kompromiss zu schließen, der die schlimmsten Befürchtungen der Gegenseite zwar nicht erfüllt, die USA aber deutlich bevorteilt. Die Europäische Kommission sieht sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe es versäumt, den europäischen Markt im Gegenzug mit gleichwertigen Zöllen auf US-Importe vor Konkurrenz zu schützen.
Milliardenschwere Zusatzvereinbarungen
Zusätzlich zu dem Zollsatz von 15 Prozent hatte die EU Trump zugesichert, bis zum Ende seiner Amtszeit Energie aus den USA im Wert von 750 Milliarden Dollar (rund 650 Mrd. Euro) zu kaufen. Nach Angaben von der Leyens sollen Flüssigerdgas (LNG), Öl und Kernbrennstoffe aus den Vereinigten Staaten die Lücken füllen, die nach dem geplanten vollständigen Verzicht auf russisches Gas und Öl entstehen werden.
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