Künstler-Duo:

„Wir sind beide immer noch vierzehn Jahre alt“

Vorarlberg
04.08.2025 06:00

In Bregenz findet noch bis zum 16. August eine sehr ungewöhnliche Sammelausstellung der Künstler Denise Ender, Johannes Bayer, Fabrizo Pritzi und Georg Ober statt. Robert Schneider hat zwei der Protagonisten zum Interview getroffen.

Die Schau unter dem Titel „Atmosphere 1.0“ kommt wohltuend unaufdringlich daher, ohne großes Medienspektakel und wichtigtuerisches Vernissagegedöns. Bei der Eröffnung gab es bewusst kein Schaulaufen der Prominenz, keine langatmigen Laudationen oder kunsttheoretischen Ausführungen für den tumben Laien. Alles gerierte sich unspektakulär, was ganz im Sinn des Konzepts dieser Ausstellung liegt. Die Objekte selbst gilt es zu entdecken, den feinen Humor, der in ihnen liegt, die Beobachtung, dass nämlich jeder von uns in seiner selbstgezimmerten Atmosphäre lebt, in seiner „geschützten Bubble“, wie es die Grafikerin und Künstlerin Denise Ende (DAVILLA, Bregenz) auf den Punkt bringt. Ich hatte die Gelegenheit, mit zwei Protagonisten dieser Ausstellung zu sprechen.

Robert Schneider: In dieser Schau gibt es ein witziges Bier mit Labels wie „Sunset Sauer“ oder „Sonnenbrand“. Daneben sind grafische Arbeiten zu sehen oder kurze, KI-generierte Videoclips. An der Wand hängen dreidimensionale Objekte aus teils ineinanderfließenden weißen Kugeln, teils lose beieinanderliegend. Wie geht das alles zusammen? Was ist die Idee dahinter?
Denise Ender: Die Idee ist in allererster Linie eine Lebensfreundschaft. Johannes und ich kennen uns schon aus der Schulzeit, als wir vierzehn Jahre alt waren. Handelsakademie in Lustenau. Er ist in den 90er-Jahren nach Amerika gegangen und arbeitete in der Brand-Experience bei Pepsi Cola. Ich arbeite als Grafikerin ein einer Agentur.

Denise Ender und Johannes Bayer im Gespräch mit Robert Schneider.
Denise Ender und Johannes Bayer im Gespräch mit Robert Schneider.(Bild: Mathis Fotografie)

Wow! Also Euro-Millionäre geworden?
Johannes Bayer: Ja, im Lire-Bereich (- lacht). Um aber auf unsere Anfänge zu kommen: Wir haben eine Künstlergemeinschaft gegründet unter dem Namen „KIJODE“ und viel ausprobiert. Das Outlet für diese Experimente waren Möbel aus Bauschaum und Eisenarmierungen.
Ender: Eine tolle Zeit! Das war richtiges Guerilladesign. Wir packten unsere ersten Möbel in einen Kleinbus und fuhren schnurstracks nach Mailand zur Möbelmesse, haben uns frech neben die großen Designer-Namen gestellt. Niemand konnte etwas mit unseren Objekten anfangen. Sogar die Polizei kam vorbei, stutzte, ging dann aber weiter.

Die dachten wohl: Achtung Kunst! Da verbrennen wir uns lieber nicht die Finger.
Ender: Vermutlich. Beide haben wir aber durch das Experimentieren unglaublich viel gelernt, auch wenn daraus keine käuflichen Möbel entstanden sind und wir andauernd unser privates Geld reingebuttert haben.

Denise Ender arbeitet im Brotberuf als Grafikerin.
Denise Ender arbeitet im Brotberuf als Grafikerin.(Bild: Mathis Fotografie)

Wie Richard Serra, der sich nie hat einreden lassen, dass seine riesigen Stahlobjekte technisch nicht herzustellen sind. Er ging wieder und wieder zu den Arbeitern in die Stahlfabrik. Bis es endlich klappte.
Bayer: Richtig. Ohne Besessenheit in der Kunst geht es nicht. Reglementiert ist man eh schon genug. Am Anfang sagen immer alle: Geht nicht. Vergiss es!

Sprechen wir über eure gegenwärtige Ausstellung. Was mir sofort auffällt: Es sind feinsinnige, sogar hintersinnige Objekte, die hier ausgestellt sind. Nichts Lautes oder Sensationsheischendes.
Ender: Das ist nun gar nicht die Art von Johannes oder mir. Wir sind leider mehr die Leiseren. Man sollte vielleicht lauter sein.

Aber die leisen Töne sind gerade das Charmante an dieser Schau. Da kommt nichts mit dem Vorschlaghammer daher. Man muss die Assoziationsketten, das Doppelsinnige selbst entdecken.
Ender: Entstanden ist die Idee durch das Aufkommen der sogenannten NFT-Kunst (Anm.: NFT steht für Non-Fungible-Token). Das sind digitale Kunstwerke mit einem Echtheitszertifikat und daher nicht austauschbar. Mich hat das unglaublich fasziniert. Also belegte ich einen Kurs in Zürich und habe begonnen, JavaScript zu lernen, eine Skriptsprache für Webbrowser. Und so wurden aus Buchstaben grafische Objekte. Vereinfacht gesprochen: Aus dem Buchstaben D wurde ein Kreis. Aus diesem Konzept heraus haben wir dann die „Spheres“ entwickelt, was ja im Englischen „Kugel“ heißt. Nun gibt es „Spheres“ wie Donald Trump oder Elon Musk, um nur zwei Beispiele zu nennen, neben denen kleinere Sphären keinen Platz mehr finden. Johannes, der ein exzellenter Zeichner ist, hat das dann in unzähligen Skizzen umgesetzt.
Bayer: Der Grundgedanke besteht darin, dass unsere Kunst darauf aufmerksam machen will, dass die unterschiedlichsten Sphären wieder miteinander verschmelzen sollen und nicht eine in sich abgeschlossene, immer weniger durchlässige Existenz führen.
Ender: Darum sind wir beide auch so große Open-Source-Fans, weil diese Software für alle frei zugänglich ist. Auf der ganzen Welt wird Wissen völlig abseits von monetären Zwängen geteilt. Mich fragte ein Ausstellungsbesucher, ob man unsere KI-generierten Clips käuflich erwerben könne. Natürlich nicht! Die sind auf unserem Instagram-Kanal für jeden frei zugänglich.

Johannes Bayer hat unter anderem in den USA für Pepsi gearbeitet.
Johannes Bayer hat unter anderem in den USA für Pepsi gearbeitet.(Bild: Mathis Fotografie)

Was an diesen Clips sofort ins Auge sticht: Sie verbergen in keiner Weise, dass sie künstlich generiert sind.
Ender: Das war uns ganz besonders wichtig. KI soll nicht eine erfundene, manipulierte Realität suggerieren, wozu sie so oft missbraucht wird, sondern klar bezeugen, dass sie eben rein künstlich ist. Gleichzeitig war es unser gemeinsamer Anspruch, aus dieser digitalen Welt in die haptische Welt zurückzukehren, also den umgekehrten Weg zu gehen. Handgearbeitete Objekte aus Holz und weißer Lackfarbe.
Bayer: Das Schöne daran war, dass wir wieder wie Kinder an diesen Objekten gebastelt, gesägt, geschliffen und lackiert haben, Materialien ausprobierten, die mal taugten und mal gar nicht. Beide sind wir ja in unsere Alltagsberufe eingespannt. Hier konnten wir uns komplett vergessen. Einfach nur machen und sein. Als seien wir immer noch vierzehn Jahre alt.
Ender: Und obwohl wir uns als politisch denkende und auch sozial engagierte Kunstausübende begreifen, sollte das Ganze auch eine gewisse Ästhetik haben. Nach dem Motto: Doch, das hänge ich gerne bei mir zu Hause an die Wand.

Exponate der Ausstellung.
Exponate der Ausstellung.(Bild: Mathis Fotografie)

Ausstellung „Atmosphere 1.0“, noch bis zum 16. August 2025 in der Jahnstrasse 13-15 in Bregenz.

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