Ein etwas anderes Konzert präsentierte der puerto-ricanische Latin-Pop-Star Raúw Alejandro am Mittwochabend in der nicht ausverkauften Wiener Stadthalle. Zwischen Salsa-Vibes, Musical-Elementen und jeder Menge Drama servierte er dem Publikum seine ganz eigene Telenovela. Die „Krone“ war live dabei und erlebte ein Spektakel in vier Akten ...
Heißer Sommertag, strahlend blauer Himmel – perfekte Bedingungen für ein Konzert. Zum ersten Mal gastierte der puerto-ricanische Superstar in Wien. Doch bevor es losgeht, ein kurzer Blick auf den Mann selbst: Raúl Alejandro Ocasio Ruiz – Sänger, Tänzer, Komponist und Produzent. Seit 2017 in der Musikszene, schaffte er 2021 mit Hits wie „Baila Conmigo“ (feat. Selena Gomez) und „Todo De Ti“ den internationalen Durchbruch. Es folgten Kollaborationen mit Shakira, Rosalía, Bad Bunny und Pharrell Williams. Sein Sound? Irgendwo zwischen Chris Brown und dem jungen Michael Jackson – tanzbar, smooth und genreübergreifend. Zwei Latin Grammys hat er bereits, dazu vier Grammy-Nominierungen. Fünf Alben gehen auf sein Konto, das aktuelle „Cosa Nuestra“ holte mehrfach Platin und erreichte Platz eins in den Charts in Spanien und den USA. Und mit genau diesem Album ist Raúw Alejandro jetzt auf Welttournee – mit Stopp in Wien.
Vorhang auf, die Telenovela beginnt
Die Stadthalle ist nicht ausverkauft, eher spärlich gefüllt. Vielleicht wäre das Gasometer intimer gewesen – doch für die riesigen Bühnenbilder, Effekte und Interaktionen ist die Stadthalle definitiv die bessere Wahl. Schon beim Ankommen fällt auf: Viele Gäste sind elegant gekleidet. Frauen in Abendroben, Männer in Smokings oder Anzügen – alles im Stile New Yorks der 60er und 70er. Warum? Das Motto des Abends war „Cosa Nuestra“ – angelehnt an die puerto-ricanische Community und ihre Mafia-Verbindungen in New York dieser Zeit.
Auf der Bühne hängt ein riesiger Vorhang mit dem Showtitel. Um Punkt 20 Uhr erscheint ein schillernder Mann in orangem Glitzeranzug und Hut im Publikum: Mr. Goldman, der Conférencier des Abends. Er erklärt das Programm, das in vier Akte aufgeteilt ist: „Trust No One, Love Anyway“, „Leap Of Faith“, „WhenThe Lights Go Down“ und „Between Love And War“. Leider spricht er fast ausschließlich Spanisch. Ein bisschen mehr Englisch oder zumindest Untertitel hätten der Verständlichkeit gutgetan.
Film ab – hier kommt Raúuuww
Um 20.15 Uhr startet die Show mit einem kurzen Mafia-Film auf der Leinwand. Eine Verfolgungsjagd, Schüsse – Cut. Der Musiker steht plötzlich auf der Bühne und eröffnet mit „Punto 40“. Das Publikum flippt aus. Im schwarzen Smoking mit Hut wirkt er wie ein Latin-Michael-Jackson – passend zum Style von „Smooth Criminal“. Die Bühne selbst leuchtet in Rot, Orange und Weiß, ein prächtiges Farbenspiel. Auch Feuerfontänen zischen. Es sind Latino-Vibes – heiß, aber diesmal ganz anders als erwartet.
In einer Bar-Szene trifft Raúw dann auf Maria, seine weibliche Hauptrolle für den Abend. Auf der Bühne entsteht eine Bar mit Tischen, Stühlen und Bartresen. Es wird getanzt, gesungen und viel geflirtet – Songs wie „Fantasías“, „Tattoo“ und „Déjame Entrar“ bringen die Menge zum Ausflippen. Sogar die beiden echten Polizisten, die in Uniform vor uns sitzen, scheinen sichtlich amüsiert. Der Vorhang fällt, Mr. Goldman taucht wieder auf – diesmal in einem anderen Outfit – und kündigt den sogenannten zweiten Akt an: „Leap Of Faith“.
Wieder läuft ein kurzer Film, dann rollt ein schwarzer Mustang auf die Bühne. Raúw sitzt drin, wartet auf Maria. Outfitwechsel: graue Hose, Tanktop, Hosenträger, Schiebermütze – „Peaky Blinders“ lässt grüßen. Das begehrte Mädchen steigt ein, beide nehmen Platz im auf der Bühne platzierten schwarzen Mustang und cruisen durch das nächtliche New York – dargestellt durch bewegte LED-Bilder. Es folgen „Revolü“ und natürlich „Todo De Ti“ – der absolute Abriss! Die Stimmung kocht. Dazwischen werden ein paar Tanzschritte gezeigt – eins, zwei Cha-Cha-Cha. Alle machen begeistert mit, das Feeling ist jetzt irgendwo zwischen Club, Tanzkurs und Blockbusterfilm. Die Szene wechselt: auf der Bühne ein Billard-Café mit zwei Tischen und Jukebox. Die Songs „Carita Linda“ und weitere Salsa-Nummern bringen puerto-ricanisches Flair. Tänzerinnen mit weißen Röcken, Trommler und eine riesige Puerto-Rico-Flagge – Gänsehaut!
No Drama im Schlafzimmer Babe
Der dritte Akt startet erneut mit einem Film. Als der Vorhang aufgeht, steht ein Bett auf der Bühne. Raúw liegt darin – nur mit roter Satinhose bekleidet. Maria taucht auf, diesmal in roter Spitzenunterwäsche. Sie tanzen, er singt sie an – das Ganze knistert ordentlich. Die Szene wirkt wie direkt aus dem 80er-Jahre-Kultfilm „Salsa“. Heiß wird's auch im Publikum, denn ein rotes Höschen fliegt auf die Bühne, dies sorgt bei dem Musiker für rote Wangen. Doch dann kippt die Stimmung. Maria verschwindet, kehrt zurück, hinterlässt einen Brief. Inhalt: Trennung. Herzschmerz.
Direkt danach singt Raúw „KHE“ – der Vorhang halb geschlossen, Drama pur.
Nach dem Track „Pasaporte“ erscheint ein Mond auf der Bühne, dazu zwei Maskottchen in Schwarz und Weiß. Dies soll anscheinend eine Art Metapher sein für Engel und Teufel, denn danach folgt Dunkelheit. Unser Mr. Goldman erscheint wieder und erklärt dem Publikum nun, was Salsa eigentlich ist: „Flavour, Spice, Ritmo!“ Er tanzt, erklärt die Instrumente, die bei Salsa berücksichtigt werden müssen und heizt der Crowd noch ein letztes Mal ein.
Der letzte Akt des Konzertes, der Show oder des Theaterstücks ...
Es folgt noch einmal eine Bar-Szene, warum auch immer, anscheinend haben sich die Gangster oder die Liebenden damals immer in einer New Yorker Bar getroffen. Diesmal liegt der Fokus allerdings auf der Bigband, jetzt ist der Zeitpunkt da, wo einem klar wird: Das hier ist kein Konzert – es ist ein Film, live auf der Bühne.
Die liebenswerte Maria taucht wieder auf, aber halt, ein anderer Mann begleitet sie. Eifersucht liegt in der Luft, denn auch Raúw lässt sich von zwei Akteurinnen antanzen – ganz im Stil von Chris Browns „Under The Influence“. Er schlendert im Anschluss zur Band, gibt den Gitarristen kurz die Bühne, dann holt er Maria zurück und tanzt mit ihr - bis aber plötzlich alles kippt, denn Maria heißt jetzt Sophia, zückt eine Waffe, erschießt den Rivalen, schnappt sich einen Geldkoffer und flieht. Was bleibt ist ein trauriger Gangster, oder in dem Fall Sänger, der nach einer Polizei-Hetze verhaftet wird. Die Handschellen klicken, der Vorhang fällt und es prangt vom Bühnen-Vorhang „The End“ auf. Das war's? Kein „Danke“, keine Verabschiedung, keine Zugabe. Also Show durch und durch, aber kein klassisches Konzert mit Zugabe.
Was bleibt, ist ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Eine bildgewaltige, detailverliebte Show, die mehr Musical und mehr Film als Konzert war. Wer auf eine klassische Reggaeton-Party gehofft hatte, wurde enttäuscht. Wer sich auf eine Story voller Drama, Liebe und Leidenschaft einließ, erlebte eine der außergewöhnlichsten Shows, die Wien seit Langem gesehen hat. Nur das Ende – das hätte mehr Liebe verdient ...
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