Der Geiger Aleksey Igudesman hat ein Orchester gegründet, ein etwas anderes. Junge Virtuosen aus 20 Nationen, die stilistisch offen sind und mühelos zwischen Klassik, Jazz und Pop springen. Mit seinem Bühnenpartner Hyung-ki Joo gastiert das Limitless Orchestra am 28. Oktober im Konzerthaus.
Die Musiker tragen Glitzer, die Cellistin tanzt, zwischen den Geigern steht ein E-Gitarrist. Und der Bassist legt schon einmal eine Runde Breakdance auf das Bühnenparkett. Das Limitless Orchestra unterscheidet sich auf den ersten Blick. Jung und ungezwungen, temperamentvoll und kreativ ist diese Truppe von knapp 30 Musikern aus 20 Nationen. Gegründet hat das Limitless Orchestra der Geiger Aleksey Igudesman, Schirmherr ist kein Geringerer als Hollywood-Komponist und Oscar-Preisträger Hans Zimmer. Mit dem Programm „Sound New World“ gibt das Orchester am 28. Oktober sein Debüt im Wiener Konzerthaus. Die „Krone“ hat Igudesman bei den Proben besucht.
„Krone“: In einer Zeit, in der Orchester zusperren: Wie kamen Sie auf die Idee, eines zu gründen?
Aleksey Igudesman: Es gibt immer mehr außergewöhnliche Musiker, die stilistisch flexibel sind. Die können nicht nur Klassik oder nur Jazz. Sie sind dynamisch, können sich bewegen, beherrschen mehrere Instrumente, wurden mit verschiedenen Kulturen und Stilen groß. Für diese Talente gibt es eigentlich keinen Platz. Ein weiterer Grund war: Orchester sind eine Institution, die sich 150 Jahre lang nicht verändert hat – so wie die Konzertsituation.
Man geht ins Konzert, alles ist still, die Musiker sind oft in Schwarz, wie bei einer Beerdigung. Und dann sollte es einen glücklich machen? Ich habe das nie ganz verstanden.
Aleksey Igudesman
Manche nennen das Tradition. Was stört Sie daran?
Man geht hinein, alles ist still, die Musiker sind oft in Schwarz, wie bei einer Beerdigung. Und dann sollte es einen glücklich machen? Ich habe das nie ganz verstanden.
Inwiefern hat Sie das inspiriert?
Mir fiel die Diskrepanz auf zu dieser neuen Art von Musikern, die aufgeschlossen und vielseitig begabt sind. Es gibt auch ein neues Publikum, das mehr will, das immer noch klassische Musik liebt, das nicht nur Popmusik, Jazz oder Latin will, sondern etwas Neues.
Welche Rolle hat Hans Zimmer bei der Gründung gespielt?
Ich habe oft und lange mit ihm gesprochen. Die Frage war immer: „Wäre es nicht toll, ein Orchester zu gründen?“ Er hat mich immer wieder ermutigt und gesagt: „Wenn es jemand schaffen kann, dann du.“ Seither unterstützt er uns als Schirmherr, hat auch schon live mit uns gespielt.
Was unterscheidet das Limitless Orchestra von anderen?
Alles, von Anfang an! Von der Konzertkleidung, die viel heiterer ist, mit Kostümwechseln. Da ist Bewegung auf der Bühne. Man hängt nicht an den Noten, sondern ist sich bewusst, dass es ein Publikum gibt, mit dem man kommuniziert. Das heißt, es ist wirklich ein echter Austausch. Und wir haben intern sowieso sogar das Vokabular geändert.
Inwiefern?
Wir haben keine Proben, wir haben Experimente. Proben klingt nach Arbeit, ein schreckliches Wort. Oder Orchester-Dienst. Das ist furchtbar! Wem dient man denn? Im besten Fall der Musik. Aber es klingt nach Sklavenarbeit. Experimentieren klingt nach: Wow, wir probieren etwas Neues aus. Das trifft viel besser, was wir tun.
Braucht Klassik eine Frischzellenkur?
Klassische Musik ist ein großes Missverständnis. Sie wird auf ein Podest gestellt und festgezurrt. Zur Zeit von Beethoven, von Brahms, gab es immer Bearbeitungen, neue Stimmen, Variationen. Musiker haben improvisiert, alles war viel freier. Diese starre Spezialisierung gibt es erst im 20. Jahrhundert. Das ist eine gefährliche Entwicklung für die Musik. Wenn sich etwas nicht mehr bewegt, kommt es ins Museum und stirbt – wie die Dinosaurier.
Es wird definitiv kein gemütlicher Abend, an dem man sich zurücklehnt und einfach die Musik genießt. Dafür gibt es viele andere. Es ist eine Art bewusst kontrolliertes Chaos.
Aleksey Igudesman
Das zentrale Stück „Sound New World“ ist inspiriert von Antonín Dvořáks Symphonie „Aus der Neuen Welt“ ...
Unser Ziel war es, Dvořák auf unsere Weise zu verändern. Das war deshalb spannend, weil sich Dvořák dabei von anderen Musikrichtungen inspirieren ließ. Er kam nach Amerika und sagte: „Wow, diese großartigen Melodien der American Natives oder die Gospelmusik: Das ist die Musik der Zukunft!“ Er hat das vorausgesehen – und wurde heftig kritisiert. Wir haben das analysiert – und alle diese Stile von Blues bis Gospel zurückgebracht.
Was erwartet die Zuhörer?
Definitiv kein gemütlicher Abend, an dem man sich zurücklehnt und einfach die Musik genießt. Dafür gibt es viele andere. Es ist aufregend, manchmal ist es auch zu viel. (lacht) Aber es ist vor allem inspirierend und kreativ. Eine Art bewusst kontrolliertes Chaos.
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