Das Landestheater Linz schlitterte fast in Rechtsstreit: Weil eine Regisseurin eine Figur zum Stück „James Brown trug Lockenwickler“ von Yasmina Reza dazu erfunden hat, schaltete die Agentur der Autorin auf Rot: Entweder die Figur wird gestrichen, oder die Inszenierung muss abgesetzt werden.
Wie weit darf Regie gehen? Darf die Regie Texte erfinden, ohne sich selbst als Autorin dazuzuschreiben?
Zwei Jugendliche, die im falschen Körper sind, zwei verstörte Eltern und eine Psychiaterin – das sind die Zutaten für Yasmina Rezas Stück „James Brown trug Lockenwickler“, das seit März in den Linzer Kammerspielen zu sehen ist.
Es ist topaktuell, geht es doch um Identitätswechsel und kulturelle Aneignung, wir haben darüber berichtet. Fanny Brunner führte Regie – und erfand eine Zusatzfigur, ohne mit der Autorin darüber zu reden.
Erst über Internet auf Inszenierung aufmerksam
Dann die Wende: Die Agentur der Autorin hatte von der Zusatzfigur über Umwege erfahren und sagte Stopp: Entweder die Figur kommt weg, oder die Inszenierung ist abzusetzen. Nun musste das Landestheater reagieren.
Krone“ machte bereits nach der Premiere auf Gefahr aufmerksam
Die „Krone“ ahnte übrigens die Schwierigkeiten, sie kritisierte bereits in der Premierenkritik die ambivalente, frei erfundene Clownfigur, die à la Trump querdenkerische Botschaften von der Bühne plärrte. Einbettung ins Stück war nicht gegeben – siehe Kritik im Link.
Umstrittene Zusatzfigur musste Hut nehmen
Intendant Hermnn Schneider präzisiert im „Krone“-Talk: „Es ging der Agentur um das Prinzip, die wollen grundsätzlich keine Eingriffe dieser Art an den Texten von Reza.“
Die letzten Vorstellungen liefen dann tatsächlich ohne Clown ab, waren also wieder Reza pur. Schneider schildert den Hintergrund der Entscheidung: „Wir haben ein Versprechen gegenüber dem Publikum, ein Stück von Reza zu zeigen, darauf freuen sich die Leute und haben ihr Ticket gekauft. Darum haben wir es ohne diese zusätzliche Figur weitergespielt. Und wir erläutern in Publikumsgesprächen, wie es dazu gekommen ist.“ Heute, Mittwoch, ist das Stück übrigens zum letzten Mal angesetzt.
Rechte versus „Freiheit“
Ob das Landestheater jemals wieder Rechte an einem Stück von Yasmina Reza bekommen wird?
Schneider ist zuversichtlich: „Die Agentur, der Verlag und die Autorin verdienen damit, dass wir das Werk aufführen.“ Alles puncto Aufführung ist „im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zu regeln – vielleicht wird man sagen: Schickt uns das Konzept der Aufführung vorher. Aber das ist natürlich zurzeit nur eine Spekulation.“
Kommentar: Insgesamt muss man festhalten: Das kann passieren, sollte aber vermieden werden. Das Urheberrecht ist ein hohes Gut – und in Zeiten von KI ausreichend bedroht. Es gibt zwar keine absolute Unantastbarkeit eines Theaterstücks, aber das Urheberrecht schützt zentrale geistige und persönliche Interessen der UrheberInnen. Ein Theater sollte sorgfältig damit umgehen.
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