Vom „Ex“ hingerichtet

Mord an Jenny: Warum ihr Schutz lückenhaft blieb

Salzburg
08.05.2025 09:00

Die 34-jährige Jenny Z. hatte Angst – und meldete sich bei der Polizei. Doch obwohl ihr Ex sie bedrohte, wurde die Anzeige fallen gelassen. Wenige Monate später ist sie tot. Der fünfte Femizid dieses Jahres wirft erneut die Frage auf: Warum greift der Schutz für Frauen oft erst, wenn es zu spät ist?

Sie wurde bedroht. Sie zeigte ihn an. Jetzt ist sie tot: Die 34-jährige gebürtige Deutsche Jenny Z. hatte sich eigentlich richtig verhalten. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei gegen ihren ehemaligen Lebensgefährten Krisztian P. im Vorjahr – wegen gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung, wie die Staatsanwaltschaft Salzburg bestätigte. Schon in der Vergangenheit habe der 32-jährige Ungar die Gastromitarbeiterin mehrfach bedroht, schlimmer sei es nach dem Beziehungs-Aus im vergangenen Jahr geworden.

In der Nacht auf Samstag soll er seine Ex-Lebensgefährtin in der Salzburger Gemeinde Maria Alm per Kopfschuss kaltblütig hingerichtet haben – die „Krone“ berichtete. Doch die Abfolge der Ereignisse rund um ihren Gang zur Polizei wirft Fragen auf: Muss jemand erst zum Täter werden, sodass das Opfer von den Behörden geschützt wird? Der Fall von Jenny Z. zeigt, wie lückenhaft der Schutz selbst dann sein kann, wenn eine Frau den Schritt zur Polizei wagt. 

Verbot hätte Schutzkette in Gang gesetzt
Denn: Dem 32-jährigen Ungarn wurde kein Betretungs- und Annäherungsverbot durch die Polizei erteilt. „Er war gerichtlich unbescholten“, sagte der Salzburger Polizeisprecher Hans Wolfgruber zu krone.at. Zwar sei ein solches Verbot bereits vorgesehen gewesen, es konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Der Grund: Der Beschuldigte hielt sich zum Zeitpunkt der Anzeige im Ausland auf. Für ein solches Verbot ist laut Polizei eine persönliche Befragung notwendig. Die „notwendigen Formalerfordernisse“ seien daher nicht erfüllbar gewesen.

Jenny Z. wandte sich zunächst an die Polizei, um Schutz zu erhalten. Samstagnacht wurde diese schließlich zum Tat- und Sterbeort der 34-Jährigen gerufen. (Bild: APA/FRANZ NEUMAYR)
Jenny Z. wandte sich zunächst an die Polizei, um Schutz zu erhalten. Samstagnacht wurde diese schließlich zum Tat- und Sterbeort der 34-Jährigen gerufen.

Ein Betretungs- und Annäherungsverbot hätte aber eine entscheidende Interventionskette in Gang gesetzt, die Jenny Z. besser geschützt hätte, erklärt Opferschutzanwältin Sonja Aziz. Dadurch wäre die Betroffene nicht nur proaktiv vom Gewaltschutzzentrum kontaktiert und rechtlich sowie psychosozial betreut worden, sondern „die Organisation hätte einen Sicherheitsplan erstellt und ihr vermutlich geraten, den Kontakt zu ihrem Ex-Partner zu meiden“, so Aziz gegenüber krone.at.

Zwischen den Gewaltschutzzentren und der Polizei besteht eine enge, institutionalisierte Zusammenarbeit, wie Christina Riezler, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Salzburg, betont. „Die Polizei kann, wie jede andere Behörde oder Organisation, Menschen an uns vermitteln, die unsere Hilfe benötigen.“

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Die Gewaltschutzzentren sind im Sicherheitspolizeigesetz verankert. Es besteht eine sehr enge institutionalisierte Zusammenarbeit mit der Polizei. Jedes Betretungs- und Annäherungsverbot, welches von der Polizei angeordnet wird, sowie jede Anzeige wegen Stalking, wird von dieser an uns übermittelt, damit wir proaktiv die Opfer kontaktieren können.

(Bild: Markus Tschepp)

Christina Riezler, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Salzburg

Die Staatsanwaltschaft Salzburg stellte das Verfahren gegen Krisztian P. zum Neujahrswechsel ein – auch, weil es laut Angaben der Polizei keine „neueren oder weiteren Delikte gegen die Frau“ gab. Juristisch sei das grundsätzlich korrekt, sagt Aziz. „Meine Praxiserfahrung zeigt, dass die Justiz eine derartige Drohung als zu vage erachtet. Wenn es in der Vergangenheit Gewaltausübungen gegeben hätte, wäre der Sachverhalt womöglich anders gewesen.“

Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Salzburg Florian Weinkamer fehlte es an einer „konkreten Ankündigung von Gewalt gegen Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen“. Weshalb das bei der WhatsApp-Nachricht nicht gegolten habe, die der Ungar Jenny schickte, indem er erklärte, ihr Leben „zum Albtraum“ zu machen, findet auch Opferschutzanwältin Sonja Aziz zumindest diskutabel. Die Staatsanwaltschaft Salzburg gab hierzu bisher keine Erklärung ab.

Doch genau jene Abfolge von Ereignissen kann über Leben und Tod entscheiden – so auch im Fall Jenny Z. Immerhin entschied sich die 34-Jährige dazu, überhaupt Anzeige gegen ihren Ex-Freund zu erstatten. Viele Gewaltbetroffene wagen diesen Schritt gar nicht erst. 

Frieben: „Fatale Opfer-Täter-Umkehr“
„Je mehr Details bekannt werden, desto bestürzter fragt man sich, warum Jenny nicht geschützt wurde“, sagt Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. Sie kritisiert, dass kein Annäherungsverbot erlassen wurde, obwohl bereits dokumentierte Bedrohungen vorlagen. Frieben vermutet, dass das fehlende Betretungs- und Annäherungsverbot sowie das nicht verhängte Waffenverbot dazu führten, dass es keinen Anlass für eine weitere behördliche Überprüfung gab. Ein Waffenverbot wäre automatisch verhängt worden, sobald ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen worden wäre.

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Die Erfahrungen zeigen, dass meist dem Täter mehr geglaubt wird als dem Opfer. Es ist eine fatale Täter-Opfer-Umkehr und die Grundlage, warum Anzeigen eingestellt werden. Meist bleiben die Frauen ungeschützt auf der Strecke.

(Bild: Fritz Zorn)

Klaudia Frieben, Vorsitzende Österreichischer Frauenring

Frieben spricht von einer „fatalen Täter-Opfer-Umkehr“ – oft werde den Beschuldigten mehr geglaubt als den Betroffenen. Viele Frauen blieben dadurch ungeschützt. Die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings fordert: „Ein generelles Waffenverbot im privaten Bereich muss endlich ernsthaft diskutiert werden.“

Ob Jenny Z. heute noch leben würde, wenn diese Maßnahmen ergriffen worden wären, ist ungewiss. Auch ob die Salzburger Polizei dem Opfer keinen Glauben schenkte, geht aus den bisherigen Informationen nicht hervor. Fraglich bleibt jedoch, warum das Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz des Opfers nicht weiterverfolgt wurde – auch wenn der mutmaßliche Täter sich im Ausland aufhielt. 

Sonja Aziz arbeitet als Anwältin unter anderem im Bereich der juristischen Begleitung und Opferschutz. Sie sieht Reformbedarf im subjektiven Verständnis der Opfer. (Bild: Pamela Rußmann)
Sonja Aziz arbeitet als Anwältin unter anderem im Bereich der juristischen Begleitung und Opferschutz. Sie sieht Reformbedarf im subjektiven Verständnis der Opfer.

Aziz sieht weiterhin Reformbedarf beim Opferschutz – vor allem darin, dem subjektiven Empfinden der Opfer mehr Gewicht zu geben. Ein wichtiger Schritt sei bereits mit dem im April beschlossenen Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gesetzt worden. Ziel sei es, „Lücken im Gewaltschutz“ zu schließen. Auch der weitere Ausbau der flächendeckenden Gewaltschutzambulanzen ist im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen.

Auch Riezler betont: „Im Gewaltschutz hat sich in den letzten Jahren viel verbessert. Das Thema häusliche Gewalt ist so präsent wie nie zuvor – und das ist gut so.“ Ihr ist wichtig, dass Betroffene durch den Fall Jenny Z. nicht den Eindruck gewinnen, sie würden keine Hilfe bekommen. „Wir müssen den Menschen klarmachen, dass sie Unterstützung durch Polizei und Opferschutzeinrichtungen erhalten – und dass der Gewaltschutz in den allermeisten Fällen sehr gut funktioniert“, so Riezler. Für Jenny Z. war der Schutz dennoch lückenhaft – mit tödlichen Folgen.

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