Ablehnung und schlechte Geschäfte – so begann 1975 die Geschichte des Christkindlmarkts auf dem Rathausplatz. Und doch war damit der Grundstein für die heutige Event-Meile gelegt.
Wer an Wien im Advent denkt, denkt an den Rathausplatz. Aber erst seit 50 Jahren. Und wie so vieles, das in Wien von Dauer ist, ging es eigentlich nur um eine Zwischenlösung: „Der heurige Christkindlmarkt wird auf dem Rathausplatz stattfinden, da der bisherige Standort vor dem Messepalast wegen eines Garagenbaus nicht mehr benützt werden kann“, vermeldete die Rathauskorrespondenz am 8. Oktober 1975 ziemlich kleinlaut – offenbar schon das Echo der Bevölkerung und der Standler ahnend.
Von Verkehrsinsel zur Eventfläche
Schlechte Geschäfte und kaum Besucher markierten die erste Zeit am neuen Standort, und Wiener witzelten über die „Advent-Geisterstadt“. Kein Wunder, war doch der Rathausplatz damals nur eine überdimensionierte Verkehrsinsel, die komplett vom Autoverkehr umschlossen war – wenn er nicht überhaupt als Parkplatz herhalten musste.
Von Autos freigeräumt wurde der Platz damals nur für den Mai-Aufmarsch, die Festwocheneröffnung und jährlich noch ein, zwei andere Veranstaltungen und Leistungsschauen der Stadt wie vom Kaliber einer „Parade der Straßenreinigungsmaschinen“.
Blockiert hat den Platz aber – wie auch so vieles in Wien – vor allem die Bürokratie: Noch bis in die späten 1980er war er als Verkehrsfläche gewidmet. Jede Veranstaltung dort war rechtlich gesehen ein genehmigungspflichtiges Straßenfest. Die Wende brachte die Befreiung vom Autoverkehr, wenn auch bis heute nur in der Sparvariante: Die Pläne aus dem Jahr 1978 sehen zusätzlich zum autofreien Platz auch eine Fußgängerzone rund um das ganze Rathaus vor.
Von 49 auf 210 Tage mit Veranstaltungen jährlich
Die Umwidmung des Rathausplatzes zur „Veranstaltungs- und Freifläche“ startete den Boom der Veranstaltungen und ließ umso weniger Freifläche, wie eine Wiener Uni-Diplomarbeit über die „Festivalisierung der Stadt“ dokumentiert: 1979 gab es am Rathausplatz 49 Veranstaltungstage, elf Jahre später waren es 81 und weitere zehn Jahre danach schon 210. Sperrtage für Auf- und Abbauten sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
Maximale Auslastung
Der Eindruck, dass der Rathausplatz jedes Jahr immer noch mehr Veranstaltungen beherbergt, trügt aber: Die maximale Auslastung war schon zur Jahrtausendwende erreicht, mehr geht schon seither nicht mehr. Nur rund 20 Tage im Jahr ist der Rathausplatz frei – und auch das nur, wenn zwischen Veranstaltungen so kleine Zeitlücken bleiben, dass sich der Aufwand einer zusätzlichen eingeschobenen Veranstaltung nicht lohnt.
Die Wien-Marketing GmbH hat inzwischen komplett die Rolle des „Platzwarts“ übernommen. Beschwerden von Wienern über den Dauertrubel gebe es immer wieder einmal, räumt das Stadt-Unternehmen ein. Fast alle grantelnden Bürger könne man jedoch mit derselben Frage versöhnen: „Und, Sie selbst gehen gar nicht hin?“
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