15.09.2013 13:23 |

Trottel, Idiot & Co.

Wiener schimpfen im Scherz und zum Abreagieren

Die Top drei der beliebtesten Wiener Schimpfwörter scheinen auf den ersten Blick eher langweilig: Trottel, Arschloch und Idiot führen die Statistik an. Oksana Havryliv vom Institut für Germanistik der Universität Wien interessiert sich aber nicht nur für die beliebtesten Schimpfwörter der Wiener, sondern auch dafür wie und von wem sie eingesetzt werden.
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Für ihr Projekt befragte Havryliv 36 Menschen und verteilte zudem Fragebögen. "Es gibt zum Beispiel die These, dass Frauen eher verdeckt schimpfen, während Männer direkt verbal aggressiv sind", erklärte die Germanistin. Zwar schimpfen Frauen laut ihren Ergebnissen tatsächlich lieber hinter dem Rücken oder in Gedanken, viel stärker ist das aber vom sozialen Status abhängig.

"Wiener gehen sehr locker mit dem Schimpfen um"
Eine Eigenheit ist Havryliv an den Wienern noch aufgefallen: "Nur die wenigstens nutzen Schimpfwörter um andere zu beleidigen", sagte sie. Ein Viertel des Schimpfens fällt überhaupt in die Kategorie Scherz, 64 Prozent wird zum Abreagieren benutzt und nur elf Prozent der Schimpfwörter werden in der Absicht ausgesprochen, tatsächlich jemanden damit zu beleidigen.

Geschimpft wird dabei vorwiegend im Dialekt. "Das ist vertrauter und den Menschen näher", erklärte die Germanistin. "Die Wiener gehen sehr locker mit dem Schimpfen um." Auch die vielen aggressiven Aufforderungen von "Geh dich brausen!" bis "Schleich dich!" sind eine österreichische Eigenheit, werden aber wiederum eher als fiktive verbale Aggression genutzt. "Die Wiener kokettieren auch gerne mit ihrem Image als ewige Schimpfer und Nörgler", so die Expertin. Manche Aufforderungen wie "Hupf' in Gatsch und schlog' a Welln" sind meist sogar rein humoristisch.

Klassische fäkale Schimpfkultur bevorzugt
Kaum verbreitet ist in Österreich dagegen das Verfluchen wie es unter anderem in slawischen Ländern gerne genutzt wird. "Verfluchungen funktionieren überall dort, wo der Aberglaube noch groß ist", sagte Havryliv. Österreich sei dagegen eine klassische fäkale Schimpfkultur, wovon nicht nur der häufige Gebrauch des Wortes "Scheiße" zeugt. Überall dort, wo die katholische Religion noch stark ist, gebe es außerdem eine sakrale Schimpfkultur, die von "Kruzifix" bis "Himmelherrgott!" reicht. Stark ist diese auch in anderen katholischen Ländern wie etwa Spanien oder Italien vertreten, während in vielen anderen europäischen Nationen eher eine sexualisierte Schimpfkultur Tradition ist.

Internationalisierung durch "Fuck" und "Shit"
"Schimpfworte stehen immer für Schwachstellen und Tabus in einer Kultur", meinte die Wissenschafterin. In islamischen Ländern ist daher die Ahnenschmähung eine beliebte Schimpfvariante. In Österreich früher praktisch nicht genutzt, verbreiten sich im Zuge von Migration auch andere Schimpfkulturen. "Jugendliche übernehmen das dann sehr gerne von ihren Freunden", so Havryliv. Auch vor dem Schimpfen macht die Internationalisierung nicht halt: Sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern zählen "Fuck" und "Shit" zu den häufigsten Flüchen.

Ansonsten geht es bei den ebenfalls befragten Wiener Schülern eher rau zu: Körperliche Gebrechen und die sexuelle Orientierung sind die beliebtesten Anhaltspunkte. "Da werden vielfach auch eigene Ängste durch verbale Aggression überdeckt." Außerdem ist auch die Funktion häufig eine andere: Neben Provokation und Abgrenzung von den Erwachsenen, Schimpfen Jugendliche auch, um Identität und Gruppenzugehörigkeit zu generieren.

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