Nachdem ein Bürgermeister eine Amtsleiterin vergewaltigte und dafür auch rechtskräftig verurteilt wurde, muss jetzt die betroffene Gemeinde Schadenersatz an das Opfer zahlen. Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die Gemeinde für die Vergewaltigung haftet.
Der Fall machte monatelang Schlagzeilen: Der damalige ÖVP-Politiker – zuerst Gemeinderat, dann Bürgermeister von Scharten – hatte zwischen 2014 und 2016 eine Gemeindemitarbeiterin zweimal sexuell belästigt, dreimal vergewaltigt und später auch noch verleumdet. Dafür setzte es für den Ex-Ortschef, der mittlerweile hinter Gittern sitzt, ein rechtskräftiges Urteil: Sieben Jahre Haft.
Dauernde Dienstunfähigkeit
Doch auch lange nach dem Gerichtsurteil beschäftigte der Fall die Gerichte weiterhin. Das Opfer forderte nämlich von der Gemeinde Schadenersatz für ihren Verdienstentgang und klagte im Rahmen eines Amtshaftungsverfahren die Republik. Die klagende Beamtin befand sich zunächst wegen einer depressiven Störung, bedingt durch die sexuellen Übergriffe des Bürgermeisters, im Krankenstand und wurde schließlich wegen krankheitsbedingter dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Die Forderung betrug 73.000 Euro plus allfällige künftige Schäden.
Berufungsgericht wies Begehren ab
Das Erstgericht bejahte eine Haftung der Gemeinde für die Vergewaltigungen, die der Bürgermeister im Gemeindeamt begangen hatte – doch dagegen legten sowohl die Gemeinde als auch der Ex-Ortschef Berufung ein. Das Berufungsgericht wies das Leistungsbegehren ab, weil die Vergewaltigungen nicht im hinreichenden Zusammenhang mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben stünden, insbesondere der Ausübung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers.
Gegen Fürsorgepflicht verstoßen
Wie nun bekannt wurde, teilte der Oberste Gerichtshof (OGH) die Rechtsansicht des Oberlandesgericht Linz nicht. „Aufgrund seiner leitenden Organstellung als Vorstand des Gemeindeamts ist der Bürgermeister auch oberster Verantwortlicher für die Einhaltung der Fürsorgepflicht gegenüber der Amtsleiterin. Der Bürgermeister hat durch die im Gemeindeamt und daher im zeitlichen und örtlichen (räumlichen) Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin als Amtsleiterin durchgeführten Vergewaltigungen massiv in ihre körperliche Integrität eingegriffen und dadurch auch gegen die ihm obliegende Fürsorgepflicht als Vorgesetzter verstoßen“, heißt es in der Urteilsbegründung.
„Er tat genau das Gegenteil dessen, was als Teil der Fürsorgepflicht seine Dienstpflicht gewesen wäre. Der Gemeinde sind die vom Bürgermeister gegenüber der Amtsleiterin begangenen Vergewaltigungen jedenfalls haftungsrechtlich zuzurechnen“, heißt es weiter.
Fünf Jahre als Amtsleiterin bestellt
Die Klägerin war befristet für fünf Jahre zur Amtsleiterin bestellt. Für diesen Zeitraum besteht ihr Verdienstentgangsbegehren. Für die Zeit danach steht noch nicht fest, ob die Klägerin aufgrund ihres durch die Vergewaltigungen verursachten Gesundheitszustands nicht mehr mit der Leitung des Gemeindeamts bestellt wurde oder – was die Gemeinde behauptet – infolge ihres unangemessenen Verhaltens (unabhängig vom Krankenstand) nicht mehr als Amtsleiterin weiterbestellt wurde. Dazu sind vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu treffen.
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