Filmreif inszeniert

Der Klaviersaiten-Mörder ist zurück: ‘Hitman: Absolution’

Spiele
23.11.2012 16:09
Lang ist es her, seit Agent 47 seinen letzten Auftritt in einem Computerspiel hatte. Jetzt ist der "Hitman" zurück und der dänische Entwickler IO Interactive zeigt, dass der glatzköpfige Killer noch lange nicht in die Jahre gekommen ist. Der atmosphärische Third-Person-Shooter "Hitman: Absolution" glänzt mit einer filmreif erzählten Story und wunderschönen Schauplätzen, er lässt erneut jenes Mörder-Feeling aufkommen, das die Serie berühmt gemacht hat. Ein müder Abklatsch der Vorgänger ist der neue "Hitman" dank frischer Ideen sicher nicht.

Fans der Serie rund um den Klaviersaiten-Mörder Agent 47 dürften die vergangenen sieben Jahre wie eine Ewigkeit vorgekommen sein. So lang ist es bereits her, dass der Kojak unter den käuflichen Killern seinen letzten Auftritt in einem "Hitman"-Titel hatte. Wer jetzt glaubt, der hochgezüchtete Held aus der Retorte sei während dieser Zeit eingerostet oder habe sich gar zur Ruhe gesetzt, der irrt. Immer noch erledigt er für die Geheimorganisation "Agency" das, was er am besten kann: Tötungsaufträge, bei denen Diskretion oberstes Gebot ist.

Unbemerktes Vorgehen ist reizvoller als wildes Geballer
Agent 47 ist ein Skalpell, kein Vorschlaghammer. Klar kann der Spieler im neuen "Hitman" wild ballernd von Deckung zu Deckung hechten, Kopfschüsse verteilen und zwischendurch das eine oder andere Messer punktgenau in seine Gegner versenken. Nur geht dann der Reiz des Spiels verloren. Agent 47 ist eine präzise Tötungsmaschine, ausgestattet mit dem Instinkt eines Raubtiers. Örtlichkeiten unbemerkt infiltrieren, die Lage auskundschaften, die Gewohnheiten der Opfer kennenlernen und im richtigen Moment zuschlagen, das war schon in den ersten Teilen der Serie die Spezialität des Agenten – und das ist sie immer noch.

Daran ändert auch die für "Hitman"-Veteranen möglicherweise gewöhnungsbedürftige, aber sowohl erzählerisch als auch inhaltlich gelungene Story nichts, die gerade Spieler der Vorgänger mit einigen Anspielungen zu unterhalten weiß. In "Absolution" ist Agent 47 zwar nach wie vor als Auftragskiller tätig, er offenbart allerdings auch eine neue Seite an sich: jene des fürsorglichen Beschützers. Warum dem so ist, erklärt sich dem Spieler allerdings erst im Laufe der Erzählung.

Der "Hitman" bekommt Gesellschaft
Nur so viel sei verraten: Bereits in seiner ersten "Absolution"-Mission bekommt der eiskalte Agent Gesellschaft. Der Auftrag: Seine ehemalige Kollegin Diana töten. Die hat sich bei der Agency leider alles andere als beliebt gemacht, weshalb der Agent mit dem Barcode im Nacken sie unschädlich machen soll. Das klappt auch recht problemlos, bis die im Sterben liegende Diana dem Killer aufträgt, auf ein geheimnisvolles Mädchen aufzupassen. Der will ihr ihren letzten Wunsch offenbar nicht abschlagen, greift sich das Mädchen und lässt den Spieler erst mal längere Zeit darüber im Unklaren, was es mit ihr auf sich hat.

Was zunächst seltsam klingt, macht sich im Verlauf der in großartigen Zwischensequenzen erzählten Story trotz allem sehr gut und lässt die Geschichte ein klein wenig an Filmklassiker wie "Leon der Profi" erinnern. Und am Gameplay ändert es ja nichts: Das lebt immer noch davon, dass es zahllose unterschiedliche Möglichkeiten gibt, um ans Ziel zu kommen, was auch dem Wiederspielwert des Third-Person-Shooters zuträglich ist.

Viele Wege führen ans Ziel
Es sind diese vielfältigen Lösungswege für jede Mission, die den Spieler in ihren Bann ziehen und ihn auch die eine oder andere spielerische Schwäche wie beispielsweise das mitunter frustrierende Speicherpunkt-System verzeihen lassen. Unbemerkt über die Fassade den Tatort infiltrieren oder doch die Wache vor der Tür ablenken und an ihr vorbeischleichen? Gegner eliminieren oder doch nur ruhigstellen? Das Opfer erschießen, erdrosseln, vergiften oder es wie einen Unfall aussehen lassen? Dem Spieler gibt "Hitman: Absolution" tatsächlich das Gefühl, dass die Entscheidung allein ihm obliegt. Egal wie: Hauptsache, der Job wird erledigt. Diese Wahlfreiheit ist es auch, die ungemein dazu anspornt, weiterzuspielen und das vermeintlich perfekte Verbrechen zu begehen.

Das neue "Hitman" ist kein schneller Shooter. Tatsächlich braucht es Geduld, um das Spiel voll auskosten zu können. Die Gespräche der Gegner zu belauschen, die Routen der Patrouillen kennenzulernen und die Tatorte schleichend oder verkleidet auszukundschaften, braucht vor allem eines: viel Zeit. Das heißt freilich nicht, dass die Spieler dazu verdammt sind, sich während des Wartens auf den perfekten Moment zu langweilen. 

Inszenierung, Grafik, Sound: alles top!
Dafür sorgen die atmosphärisch wie auch grafisch wunderschön gemachten Schauplätze, bei denen man das Gefühl hat, jeder Raum und jeder Tatort habe seine eigene Geschichte zu erzählen. So sorgen nicht nur die stimmige Grafik und der Detailreichtum der einzelnen Levels in Kombination mit einer sehr guten Vertonung für großartige Stimmung, sondern auch die in den Levels verteilten Nebencharaktere. Die haben nämlich teils schräge, teils witzige Geschichten zu erzählen. 

Kleines Beispiel: Beim Erklettern einer Fassade stößt Agent 47 auf einen Wachmann, der in einem Hinterzimmer mit seiner Frau telefoniert und ihr die gute Nachricht überbringt, er habe laut seinem Arzt doch keinen Prostatakrebs. Während sich der Ärmste noch freut und jubelt, er werde doch nicht sterben, zieht ihn der Killer mit sicherem Griff über das Fensterbrett und lässt ihn in den Tod stürzen. Schwarzer Humor allererster Güte.

Kleines Manko: die gewöhnungsbedürftige Steuerung
Nur der teilweise hakeligen Steuerung, die es beim Benutzen von Gegenständen nötig macht, millimetergenau an Objekte heranzugehen und auch beim Deckung-Suchen hie und da ungewollte Manöver produziert, verdankt es der Spieler, gelegentlich doch aus der packenden Erzählung auszubrechen und erschrocken festzustellen, dass schon wieder zwei Stunden in die Planung und Vorbereitung des perfekten Mordes investiert wurden. Meistens gilt bei "Hitman: Absolution" nämlich: Das Werk fühlt sich nicht an, als würde man Agent 47 spielen, sondern als wäre man der "Hitman". Inklusive möglichem Verlust des Zeitgefühls.

Bei den Opfern von Agent 47 handelt es sich zumeist um zwielichtige Gestalten, die in den Zwischensequenzen auch als solche in Szene gesetzt werden. Umso größer ist der Reiz für den Spieler, die Fieslinge kunstvoll auszuschalten. Dabei hilft dem Hitman ein Waffenarsenal, das vor allem seine zwei Markenzeichen enthält: Die schallgedämpften Pistolen und die Klaviersaite, mit der er einzelne Wachleute schnell und lautlos aus dem Weg schafft.

Neue Features: "Instinkt" und "Point-Shooting"
Hinzugekommen sind der neue "Instinkt" und der sogenannte "Point-Shooting"-Modus. Durch Tastendruck wird der Instinkt aktiviert, woraufhin Zielpersonen, Wachleute und nützliche Gegenstände farbig markiert werden, der verkleidete Hitman schwerer zu entdecken ist und der Point-Shooting-Modus aktiviert werden kann. Bei diesem handelt es sich wiederum um eine Funktion, bei der während eines kurzen Zeitfensters Gegner quasi für die automatische Exekution markiert und anschließend filmreif umgenietet werden können. Das ist zwar mächtig, verbraucht aber auch viel Instinkt, sollte also mit Bedacht eingesetzt werden.

Wem die Nutzung des Instinkts nicht zusagt, der kann im extrem schwierigen Puristen-Modus freilich auch einfach auf dieses Feature verzichten. Die Solo-Kampagne von "Hitman: Absolution" beschäftigt den Spieler ungefähr 20 bis 30 Stunden, anschließend kann er sich mit dem innovativen, aber nicht langfristig fesselnden Mehrspielermodus beschäftigen. Der heißt "Aufträge" und bietet die Möglichkeit, eigene Jobs mit eigenen Regeln und Lösungsansätzen zu erstellen oder von der Community erstellte zu spielen. In jedem Fall misst man sich auf diese Weise mit anderen Agenten aus dem Internet, allerdings nicht parallel, sondern nur hinsichtlich der erreichten Punkte.

Punktesystem und Badges motivieren, echter Multiplayer fehlt
Das Punktesystem belohnt unauffälliges Vorgehen sowie das Verschonen von Wachleuten und bestraft gleichzeitig für Situationen, in denen Agent 47 entdeckt wird oder Zivilisten zu Schaden kommen. Mit den erreichten Punkten können dann Extras gekauft werden, beispielsweise Waffen-Upgrades. Im Einzelspielermodus ist das Punktesystem, bei dem es in jeder Mission auch virtuelle Auszeichnungen, sogenannte Badges, zu gewinnen gibt, ein netter Ansporn und im Multiplayer ermöglicht es den Vergleich mit Freug> "Hitman: Absolution" ist ein verdammt fesselndes Spiel, das den Spieler so intensiv ins Spielgeschehen eintauchen lässt, wie dies sonst nur epische Rollenspiele schaffen. Die liebevoll gestalteten und grafisch wunderschön in Szene gesetzten Tatorte mit den unzähligen Details und den verschiedenen Lösungswegen versetzen den Spieler richtig tief ins "Hitman"-Universum hinein, und auch die Story ist spannend und packend erzählt. Nicht ganz so toll sind das Speichersystem und die gelegentlich etwas hakelige Steuerung sowie die Tatsache, dass der Multiplayer nur den Vergleich, nicht aber das echte Spielen mit Freunden zulässt. Trotz kleiner Schwächen ist "Hitman Absolution" ein großartiges Spiel für Erwachsene, das am Erreichen des Prädikats "Ausnahmetitel" nur knapp scheitert. 

Plattform: Xbox 360, PS3, PC (getestet)
Publisher: Square Enix
krone.at-Wertung: 8/10

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