Rund 55.000 Fans ließen sich Samstagabend im restlos ausverkauften Wiener Ernst-Happel-Stadion vom britischen Superstar Robbie Williams begeistern. Sein zweistündiges Programm war fast mehr Stand-Up-Comedy und Covershow als Hit-Konzert. In puncto Entertainment macht dem 51-Jährigen aber keiner was vor.
Robbie Williams ist ein schlaues Kerlchen, das hat er im Laufe seiner Karriere schon mehrmals bewiesen. Seine aktuelle Tour nennt er schlicht „BRITPOP“ und reitet damit genau auf jener 90er-Jahre-Nostalgiewelle, die längst schon über Großbritannien hinausschwappt und sich in ganz Europa festgeklammert hat. Oasis feiern mit ihrer üppigen Tour gerade das Comeback des Jahrhunderts, Blur begeisterten letztes Jahr mit einem famosen Comeback-Album und fantastischen Wembley-Gigs und die etwas versatileren Pulp kehrten unlängst nach einem Vierteljahrhundert mit einem neuen Album zurück, das mal locker-lässig sämtliche Stärken der gesamten Karriere aus dem Ärmel schüttelte. Als einstiges Take-That-Boyband-Mitglied hatte Robbie zeit seines Lebens keinen leichten Stand gegen diesen Club der coolen und härteren Jungs. Im steigenden Alter und fernab der Drogen sieht Williams es aber locker und animiert seine Fans schon mal, „Wonderwall“ zu singen oder covert den Oasis-Hit selbst – obwohl Liam Gallagher und er einst bissige Todfeinde waren.
Das Größte aller Ziele
Österreich liebt Robbie und Robbie liebt Österreich – am wenig sommerlichen, aber zumindest trockenen Samstagabend feiern rund 55.000 Fans im randvollen Wiener Happel-Stadion ihren Lieblingsrabauken, der sich seit geraumer Zeit in seiner Mitte befindet. Das Familienleben mit Ehefrau Ayda (heute auch in Wien angekommen) und den Kindern hat Robbie längst stabilisiert, da macht es auch nichts, dass das letzte neue Studioalbum gefühlt Lichtjahre zurückliegt und das ambitionierte und durchaus witzige Bio-Pic „Better Man“ mit einem KI-generierten Affen in der Rolle des Robbie Williams an den Kinokassen überraschend floppte. Robbie hat sich schon vor geraumer Zeit als einziges große Ziel gesetzt, der beste Entertainer der Welt zu sein. Was interessieren einen schon Albumverkäufe oder Kinobesucherzahlen, wenn es am Ende darum geht, der britische Peter Alexander zu sein? Doch Frechheit siegt und das Publikum frisst seinem Lieblings-Entertainer von der ersten Sekunde an bereitwillig aus den Händen.
Sein fulminantes Stadthallen-Doppel im März 2023 ist vielen noch gut in Erinnerung, einige bibberten mit ihm im Dezember desselben Jahres beim Ski-Opening in Schladming mit. Doch Robbies Stadionshow ist an Gigantomanie nicht zu übertreffen. Sieben überdimensionale Videoscreens bewegen sich über der Bühne, während er sich schon zu Beginn von einer verstellbaren, maschinellen Flügel-Konstruktion gen Bühnenboden ziehen lässt – quasi Bungee-Jumping altersgerecht und in Zeitlupe. Während ihn aus dem Off kommende KI-Stimmen als eine Art Pop-Heilsbringer preisen, stolziert er zuerst im ausgebeulten Astronauten-Outfit, dann im legeren Trainingsgewand über die Bühne und zeigt nicht nur, dass er sich sportlich fit gehalten hat, sondern dass Songs wie der rockige Opener „Rocket“, „Let Me Entertain You“, „Rock DJ“ oder „Love Of My Life“ nichts von ihrer Stringenz verloren haben. Schon zu Beginn versteigt er sich in ein Medley aus Songs von Bon Jovi, den White Stripes, Blur und Co. und gibt auch die Cover-lastige Richtung vor.
Hit-Revue ohne Zusammenhang
Robbie Williams anno 2025 live heißt auch, dass die Popshow modernisiert und effektiviert wurde. Diverse Songs wie „Better Man“ oder – natürlich – „Wonderwall“ von Oasis werden nur angeschnitten, was zuweilen schade ist und der Show oft den Drive nimmt. Für einen Akustikteil und das Dan Hartman-Cover „Relight My Fire“ holt er sich Musiker seiner Vorband, die Lottery Winners, dazu und wechselt auf eine weitere Bühne inmitten der Fans, die sich natürlich begeistert zeigen und ihrem großen Helden zujubeln. Während Robbie mit seiner gut eingespielten Band Hit um Hit in die Menge knallt, bleibt er stets wachsam und witzig. Er bedankt sich demütig für sein Familienglück, zeigt sich erfreut über seine Karriere und die Treue der Fans und wickelt sich bei „New York, New York“ von Frank Sinatra sogar eine rosarote Federboa um den Hals. Robbie geifert händeringend nach Applaus und Aufmerksamkeit, was für eine wirklich feurige Show sorgt, zuweilen aber auch ein bisschen traurig wirkt, weil es an das Aufmerksamkeitsbuhlen eines kleinen Kindes am Esstisch erinnert. „Ich sage etwas und ihr sagt es mir nach. Ich bin dadurch glücklich, weil ich ein Narziss bin“.
Die Offenheit, mit der er seine Aufmerksamkeitssucht mittlerweile in die Öffentlichkeit trägt, dürfte zum persönlichen Gesundungsprozess beigetragen haben. Waren Robbies Konzerte früher Boyband-Stelldicheins, Hit-Shows oder galante Swing-Abende, ist die „BRITPOP“-Tour eine Mischung aus Popgeschichten-Wurlitzer, Las-Vegas-Revue und Karriererückschau. Ein musikalischer Fluss ist nicht auszumachen, weil sich der Künstler lieber als Geschichtenerzähler und Schmähtandler verdingt und besonders gerne mit dem Publikum interagiert. Besonders glücklich ist die mit selbstgemaltem Plakat ausgestattete Wienerin Dani, die sich Robbie für eine persönliche Interaktion auserkoren hat und der er augenzwinkernd und Wangenküsschen verteilend den Gassenhauer „She’s The One“ widmet. Mittlerweile ganz in rosa gewandet, denn Peinlichkeiten kennt der Brite längst nicht mehr, nachdem er sich in den letzten Jahren von all seinen inneren Dämonen befreit hat.
Die Klaviatur aller Emotionen
Gegen Ende gibt es noch eine weitere Cover-Stafette. Die Bandmitglieder werden einzeln vorgestellt und spielen unterschiedliche Rock- und Pophits aus dem Gasthaus-Wurlitzer. Die Ramones, Oasis‘ „Wonderwall“ und sogar Coolios „Gangsta’s Paradise“ erklingen und beweisen, dass Robbies Singstimme nicht zwingend für jeden Stil geeignet ist. Am Ende sorgt der balladeske Doppelpack „Feel“ und „Angels“ für ein Meer an Smartphone-Lichtern und leuchtenden Feuerzeugen. Kinder jubeln auf den Schultern ihrer Mütter, Paare kuscheln sich liebend aneinander und gute Freunde prosten sich nostalgisch-melancholisch zu. Bei Robbies Pop-Musical-Revue zeigt sogar der Himmel Gnade und bleibt nach mehreren Regenschüben dankenswerterweise dicht und trocken. Ob es reicht, mit viel Gaukelei und offensivem Bühnengebaren der beste Entertainer der Welt zu sein, das müssen die Fans für sich selbst beantworten. Viel kurzweiliger und humoristischer können produktionstechnisch opulente Pop-Konzerte aber nicht ablaufen. Die Akzeptanz des eigenen Narzissmus steht Robbie gut zu Gesicht – und bringt den Fans eine Top-Show. Ein bisschen mehr roter Faden und Fokus auf die Musik würde trotzdem nicht schaden.
Live in Klagenfurt
Nach dem Wien-Konzert ist vor Kärnten. Am 14. September ist Robbie Williams mit einer „BRITPOP“-Tour noch einmal bei uns zu Gast und wird seine großen Hits beim „Krone“-Konzert im Klagenfurter Wörthersee Stadion zum Besten geben. Unter www.oeticket.com gibt es sogar noch Karten für das spätsommerliche Top-Event.
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