Urteil nach Unfall

Explosionsgefahr: Flaschen müssen Warnhinweis tragen

Österreich
09.10.2012 11:06
Ein Urteil mit Folgen für Getränkehersteller: Der Fall eines Vorarlberger Buben, der 2009 als Vierjähriger durch eine explodierende Glasflasche mit kohlensäurehältigem Tafelwasser auf dem rechten Auge nahezu vollständig erblindete, hat nun den Obersten Gerichtshof beschäftigt. Laut dessen Urteil habe der betroffene Produzent seine Produktbeobachtungspflicht verletzt, weil er Konsumenten nicht auf die Explosionsgefahr hingewiesen hatte. Nun müssen Glasflaschen mit kohlensäurehältigen Getränken zumindest entsprechende Warnhinweise tragen.

Es handle sich um ein sehr fundiertes Grundsatzurteil für die Produktbeobachtungspflicht, so der Dornbirner Anwalt Henrik Gunz, der das Urteil für die betroffene Familie erwirkte. Abfüller müssen demnach künftig auf Glasflaschen mit karbonisierten Getränken vor der möglichen Explosionsgefahr warnen.

"Produktbeobachtungspflicht verletzt"
"Da ein explosionsartiges Zerbersten einer Tafelwasserflasche auch nach deren starkem Anschlagen an einem harten Gegenstand nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen entspricht, haben die Beklagten die Produktbeobachtungspflicht verletzt. Dafür haben sie nach allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts einzustehen", heißt es in dem Urteil. Das Zerbersten der Flasche berge Gefahr für Personen - das sei durch zahlreiche Gerichtsverfahren in Österreich und Deutschland dokumentiert. Diese Gefährdung hätten die Beklagten bei entsprechender Produktbeobachtung leicht feststellen können.

Fachliteratur und Kundenbeschwerden studieren
Die neue Rechtsprechung zur Produktbeobachtungspflicht sieht nun vor, dass Hersteller ihre Produkte auch nach ihrer Auslieferung beobachten müssen. Produzenten müssen laut OGH selbstständig Informationen zu Schadensrisiken ihrer Produkte erheben, Fachliteratur und Kundenbeschwerden auswerten. Bei entsprechender Gefahr müssen Warnhinweise angebracht, die Produktion umgestellt oder schlimmstenfalls auch ein Rückruf gestartet werden.

Noch keine Reaktion der Industrie auf das Urteil
Wie die Industrie auf das Urteil reagieren wird, ist derzeit genauso unklar wie das Aussehen der nun vorgeschriebenen Warnhinweise. Die Warnhinweise zu gestalten, wäre Sache des beklagten Herstellers gewesen, so das Urteil. Ob die bei einigen Abfüllern in der Branche übliche Aufschrift "Flasche steht unter Druck" ausreicht, ist fraglich. Ebenfalls noch offen ist laut Anwalt Gunz die Höhe des Schadenersatzes für die betroffene Familie, der im weiteren Verfahren zu klären sein wird.

Glassplitter flogen ins Auge - erblindet
Der anlassgebende Unfall geschah im Juni 2009: Während die Mutter des vierjährigen Buben die Einkäufe einräumte, holte sich der durstige Kleine eine angefangene, aber wiederverschlossene Wasserflasche aus einem Schrank in der Küche. Auf Bitten seiner Mutter versuchte der Bub, die Glasflasche auf einem Schuhkasten abzustellen. Dabei stieß er mit der Seite der Flasche gegen den Kasten - die Flasche barst explosionsartig. Der Bub wurde durch kleine, stark beschleunigte Glassplitter so schwer verletzt, dass er seither auf dem rechten Auge nahezu blind ist.

Nachdem der Abfüller eine außergerichtliche Einigung abgelehnt hatte, reichte die Familie im April 2010 am Landesgericht Feldkirch Klage ein. Nach dem Zug durch alle Instanzen erreichte Gunz schließlich eine außerordentliche Revision beim OGH.

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