Live am Lido Sounds

Kings Of Leon: Die Rückkehr zu Schusters Leisten

Musik
09.05.2024 09:00

Seit mehr als 20 Jahren geht es mit der Familienbande der Kings Of Leon steil bergauf, doch auf dem Weg in die großen Stadien haben sie die Kantigkeit der frühen Tage verloren. Ihr neuntes Album „Can We Please Have Fun“ ist eine Rückbesinnung, mit der man nach vorne schaut. Ende Juni live beim Lido Sounds in Linz.

(Bild: kmm)

Wenn sich Bands mit ihrer Musik in Richtung Weltall orientieren, dann ist immer Vorsicht angesagt. So groß etwa die Stadionband Coldplay mittlerweile auch geworden sein mag, musikalisch haben Chris Martin und Co. ihre spannendsten Phasen vor etwa zwei Jahrzehnten gehabt, wo sie ihre üppigen Livekonzerte noch nicht zu einer Art kosmischer Kindergeburtstagsparty gestalteten. U2-Mastermind Bono hingegen schwebt mit seinen irischen Rockern rein physisch noch in irdischen Sphären, doch allen iTunes-Usern das eigene Album aufzuzwingen, erinnerte auch eher an ein extraterrestrisches Fehlen von Feingefühl als an Samaritertum. Die Southern-Soft-Rocker von Kings Of Leon, eine der jüngsten Rockbands mit Stadiongrößeambitionen, haben ihr 2021er-Corona-Werk „When You See Yourself“ als NFT kreiert und via Raumflug „Insipiration4“ in den Orbit geschossen.

Mit Hits in die Stadien
Die Bodenhaftung hat die Familie Followill (drei Brüder, ein Cousin) schon lange davor verloren. Wie es nun einmal so ist bei Acts, die im gemütlichen Rahmen beginnen und in kürzester Zeit zu Weltruhm gelangen, kann es da schon auch mal die Synapsen schießen. Bei den Kings Of Leon ging das hauptsächlich musikalisch vonstatten. Mit dem Album „Only By The Night“ und den dazugehörigen Erfolgssingles „Sex On Fire“ und „Use Somebody“ verlor das Quartett 2008 endgültig die Bodenhaftung zum anfänglichen Rock’n’Roll, gewann dafür aber die Herzen der Mainstream-Fans und katapultierte sich in die obersten Sphären ihres Genres. Von amtlichen Hallen ging es in die größten Arenen, in Amerika auch in Footballstadien, hierzulande auf dicke Festivals der Marke Nova Rock oder Rock In Vienna.

Die Veröffentlichungsspanne für neue Alben hat sich seither verlängert, die Qualität zunehmend abgenommen. Waren „Come Around Sundown“ (2010) und „Mechanical Bull“ (2013) noch Werke der Erfolgsverfolgung bzw. des Versuchs, sich im eigens gesteckten Rahmen neu zu erfinden, verlor man auf den letzten zwei Outputs endgültig das Mojo. „Walls“ (2016) und das erwähnte „When You See Yourself“ ächzten an unausgereifter Bemühtheit. Die familiäre Bande war gesättigt von den Erfolgen der Vergangenheit und wusste nicht, wohin die Reise gehen sollte. Ab in die kompositorische Beliebigkeit, dafür zum ewigen Headliner der Hausfrauen? Oder doch wieder ein bisschen an Kante gewinnen und sich auch mal die glattpolierte Produktion zurückzufahren trauen und den Geist der frühen Tage hervorzuholen? Nach einer intensiven Phase des in-sich-Gehens haben sich Caleb Followill und Co. für Zweiteres entschieden und damit einen unerwarteten Karriere-Turnaround geschafft.

Spaß gegen die Realität
Anstatt sich erneut in überproduzierten Soundkaskaden zu verlieren und seelenlos vor sich hinzuklimpern, entdeckte die familiäre Bande plötzlich wieder den Spaß am Tun. Das sagt nicht zuletzt der Albumtitel „Can We Please Have Fun“, der beim Songwriting- und Aufnahmeprozess zum Mantra ausgerufen wurde und die Uhren innerhalb der Band wieder auf null stellte. In Zeiten von Kriegen, Wirtschaftskrisen, galoppierendem Rechtsradikalismus und einer wortwörtlich brennenden Erde ist der Spaßfaktor eigentlich überschaubar, zudem mussten die Followills selbst durch eine persönliche Krise waten, weil die Mutter von drei Bandviertel, Betty Ann Followill, vor drei Jahren aus dem Leben schied und wohl unbewusst der entscheidende Auslöser dafür war, dass sich die Kinder und der Neffe wieder auf die wichtigen Dinge des Lebens beschränkten: Gemeinschaft, Familie, Freundschaft, Nostalgie und musikalische Romantik. Doch wo kein Spaß zu sein scheint, muss man ihn sich eben selbst machen.

In diversen Interviews jubelten die gestandenen Männer darüber, wie leicht und mühelos ihnen die Arbeit im heimatlichen Nashville von der Hand ging, obwohl die Umstände dazu nicht die einfachsten waren. Einen wichtigen Teil nahm dabei Produzent Kid Harpoon ein, der Miley Cyrus oder Harry Styles für gewöhnlich ein breiteres Soundkorsett schnürt, sich bei den bärtigen Flanellhemdträgern aber angenehm zurückhielt und den Klang nicht verwässerte. Ganz im Gegenteil – ein basischer Track wie das dreiminütige „Nothing To Do“ erinnert in seiner prägnanten Schlichtheit an die frühen Tage der Band vor gut 20 Jahren. In „Nowhere To Run“ lassen die Kings Of Leon groovige Funk-Teile durchschimmern und „Hesitation Generation“ schert sich angenehmerweise einen Dreck um offen zur Schau gestellte Opulenz. Bei den Kings Of Leon regiert nicht etwa der Holzhammer, aber eine gewisse Wurstigkeit, die den gediegenen Musikmillionären gut zu Gesicht steht. Schon die allererste Single-Auskoppelung „Mustang“ überraschte damit, dass man das Klanglametta der jüngeren Vergangenheit in den Kellerkisten verstaute und lieber wieder auf jung und unverbraucht machte.

Neu sortiert
Der Labelwechsel und ein bewusster Abstand vom Rampenlicht haben die musikalische Ausrichtung der Kings Of Leon jedenfalls neu sortiert. Die lyrische und auch musikalische Rückbesinnung auf die frühen Tage war schon auf dem mediokren Vorgängeralbum spürbar, mit Songs wie „Ballerina Radio“, „Don’t Stop The Bleeding“ oder „Ease Me On“ gelingt den Nashville-Königen zwar kein richtiger Top-Hit, aber eine in dieser Form nicht mehr für möglich gehaltene Werkschau von gemeinschaftlichem Songwriting, das sich nur so ehrlich und offen entfalten kann, wenn Probleme, Sorgen und Rückschläge von allen zusammen geteilt werden. Manchmal schimmert Bloc Party durch, manchmal eine Surf-Gitarre, manchmal eine Bossa-Nova-Stelle. Die sonnige Leichtigkeit des Albumtitels mögen die aus unterschiedlichen Emotionen hervorgerufenen Songs vielleicht nicht immer vermitteln, doch die Kings Of Leon haben sich wieder selbst gefunden – und das per se ist Überraschung genug.

Live am Lido Sounds
Am 27. Juni eröffnen die Kings Of Leon das diesjährige Lido Sounds am Linzer Urfahranermarkt. Mit im Gepäck haben sie neben den knackigen neuen Songs natürlich auch die großen Klassiker aus ihrer gut 20-jährigen Bandkarriere. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Infos zum Indie-Festival des Jahres.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele