Mensch kann wählen

Tiroler Forscher: Natur lässt freien Willen zu

Wissenschaft
20.07.2012 12:27
Ist der Mensch fest verzahnt im Räderwerk der Naturgesetze oder ist er frei in seinen Entscheidungen? Mit dieser alten Frage der Philosophie beschäftigte sich der Innsbrucker Quantenforscher Hans Briegel - und beantwortet sie mit einem Ja. In seinem neuen Modell der Informationsverarbeitung ist es ausgerechnet der Zufall, der Freiheit möglich macht. "Er kann dieses Räderwerk aufbrechen", so Briegel. "Und schafft den Raum, in dem freies Verhalten entstehen kann."

"Als Naturwissenschaftler möchte ich die Möglichkeit und den Ursprung von Freiheit genauer verstehen", sagt Hans Briegel vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) und der Universität Innsbruck. Er wendet sich damit gegen einen aktuellen Trend in der Hirnforschung, den freien Willen als Fiktion zu interpretieren und damit die menschliche Freiheit zu verneinen. Neurowissenschaftler haben in den vergangenen Jahren wiederholt experimentelle Befunde geliefert, die ihre Hypothese scheinbar belegen. Manche Experten forderten gar die Anpassung der Rechtsprechung an die neuen Erkenntnisse. 

Briegel präsentiert nun eine Theorie, die die Idee von Freiheit mit der Existenz universeller Naturgesetze in Einklang bringt. "Jedes Objekt, ob Mensch oder Maschine, ist Teil der Natur und unterliegt auf allen Ebenen deren Gesetzmäßigkeiten", erklärt er in einer Mitteilung der Universität. "Damit stellt sich die Frage: Wie kann es überhaupt Freiheit geben, wenn letztendlich alles durch Naturgesetze geregelt ist?"

"Agenten" simulieren Erfahrungen
In seinem in der Fachzeitschrift "Nature Scientific Reports" veröffentlichten Modell stellt Briegel das Konzept eines "episodisch-kompositorischen Gedächtnisses" vor: Ein "Agent", also ein natürliches oder künstliches handelndes System, verfügt "in seinem Gedächtnis über einen Pool von Erfahrungsfragmenten, die ständig neu durchgemischt werden. In einer Zufallsbewegung werden diese Clips abgerufen, wenn bestimmte Ereignisse auftreten." Welche Erinnerungen auftauchen, hängt dabei mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten zusammen, die ständig neu modifiziert werden.

Diese zufallsartige Verarbeitung von Erfahrungsfragmenten nennt Briegel "Projektive Simulation". Anders als ein Computer, der einem festgelegten Programm folgt, ist der Agent bei seinem Spiel mit den Gedächtnisschnipseln frei - neue Elemente werden generiert, variiert und schließlich als "fiktive" Erfahrungsinhalte abgespeichert. Wie bei einem Fantasiespiel können Szenarien und Ideen "entworfen" und dem Reservoir an möglichen Verhaltensweisen hinzugefügt werden. 

"Der Agent ist in gewisser Weise ständig damit beschäftigt, sich selbst und seine Handlungsoptionen zu simulieren", so Briegel. Dabei muss es sich bei diesem Agenten nicht um einen Menschen handeln - aus demselben Prinzip hat Briegel bereits neue Möglichkeiten für autonome künstliche Intelligenz abgeleitet.

"Spielraum für Freiheit"
Der Hirnforschung möchte er mit seinem Beitrag zur Willensfreiheit-Diskussion nicht in die Quere kommen. "Sie haben ihre Ergebnisse, die sie interpretieren", erklärt er. "Mir geht es darum, zur Klärung des Missverständnisses beizutragen, die Naturwissenschaft lasse durch ihre Gesetze überhaupt keinen Raum für Freiheit." Aus seiner Sicht ist Freiheit durchaus möglich, auch wenn jedes biologische Wesen "auf allen Skalen seines Körpers den Naturgesetzen unterliegt". Doch als Teil dieser Gesetze kennt die Quantenphysik eben auch den Zufall als essenzielles Phänomen - "das sehr nützlich sein kann, um den Spielraum für Freiheit zu öffnen".

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