Hammerurteil

Falschaussage: Acht Monate bedingt für Kurz

Politik
23.02.2024 20:25

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist im Falschaussage-Prozess schuldig gesprochen und zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden! Sein ehemaliger Kabinettchef Bernhard Bonelli erhielt wegen desselben Delikts eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Die Verteidigung will in Berufung gehen. Damit sind die Urteile nicht rechtskräftig.

In bestimmten Punkten gab es auch Freisprüche, etwa zur Vorstandsbestellung in der Staatsholding ÖBAG. Die Freiheitsstrafen werden den beiden unter einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Richter an Kurz: „Sie haben Ihre Rolle heruntergespielt“
Richter Michael Radasztics begründete das Urteil unter anderem mit folgenden Worten: „Man kann nicht sagen, wenn sieben Zeugen für einen Angeklagten aussagen und einer dagegen, dann zählt man das zusammen wie bei einem Fußballmatch.“ In Richtung des Hauptangeklagten meinte der Richter: „Sie haben Ihre tatsächliche Rolle bei der Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrats heruntergespielt und auch, wie sehr sie involviert waren. Da haben Sie falsch ausgesagt.“ 

Zum immer wieder von der Verteidigung eingebrachten Argument des Aussagenotstandes erläuterte der Richter, dass die befragten Aufsichtsräte zwar alle dasselbe ausgesagt hätten, „man wisse aber nicht, was andere Menschen vorher besprochen haben, deshalb sind deren Aussagen mit Vorsicht zu genießen“.

Warum Kurz genau verurteilt wurde

Der Schuldspruch für Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz betrifft konkret die Aufsichtsratsbestellung in der Staatsholding ÖBAG. Hier war Kurz im U-Ausschuss zu seiner Einbindung befragt worden. Sowohl er als auch Bernhard Bonelli hatten seine Beteiligung daran heruntergespielt - primär mit dem Argument, dass es die von Kurz favorisierten Kandidaten dann ohnedies nicht geworden waren, wie etwa der Unternehmer Sigi Wolf. Das Gericht war dennoch der Auffassung, dass Kurz fälschlich den Eindruck erweckt hatte, nicht involviert gewesen zu sein und verurteilte ihn nicht rechtskräftig wegen Falschaussage.

Schmids Kronzeugenstatus „noch nicht durch“
In ihrer Gesamtheit glaubwürdig befand der Richter die Aussagen des Hauptbelastungszeugen Thomas Schmid. Dieser habe sein eigenes Tun nie beschwichtigt, „und man kann ihm auch nicht vorhalten, dass er Kurz um jeden Fall schaden wollte.“ Der Glaubwürdigkeit hätten auch die Befragungen der beiden Russen nicht geschadet. Der Antrag Schmids auf Kronzeugenstatus ist übrigens „noch nicht durch“.

Der Prozesstag zum Nachlesen:

„Auf nach Moskau“
Bevor der Richter den Ex-Kanzler für „schuldig“ oder „unschuldig“ der Falschaussage befunden hatte, war am Freitag noch ein dichtes Programm im Großen Schwurgerichtssaal zu absolvieren - den ersten Punkt, die Vernehmung des zweiten russischen Zeugen, eröffnete der Richter mit den Worten: „Auf nach Moskau!“ Bei der Vernehmung des Russen schwächelte allerdings mutmaßlich der Dolmetscher ...

Diese Strafe forderte die Staatsanwaltschaft
Später sorgte die Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, Kurz-Anwalt Otto Dietrich als Zeugen zu vernehmen, für Wirbel. Man ortete eine „bewusst gestellte Falle“ für Schmid. Nach einigem Hin und Her wurde der Antrag jedoch zurückgezogen. Nach dem Ende des Beweisverfahrens hielten die Staatsanwälte ihre Schlussplädoyers. „Selten war ein Fall der Falschaussage so klar gelagert“, erklärte darin Staatsanwalt Gregor Adamovic. Die Forderung der Anklage: zwölf bis 15 Monate bedingte Haftstrafe, zudem eine unbedingte Geldstrafe, damit Kurz die Sanktionen auch spüre.

Verteidiger: „Wenn alles so klar ist, warum 27 Zeugen?“
Kurz-Verteidiger Otto Dietrich warf der Staatsanwaltschaft vor, seinem Mandanten ihre eigene Interpretation vorzuhalten. Der Ex-Kanzler habe im Untersuchungsausschuss aber nicht falsch ausgesagt. Bonellis Anwalt stellte den beiden Staatsanwälten folgende Frage: „Wenn alles so klar ist, warum brauchen sie dann 26 Monate für das Beweisverfahren? Wenn alles so eindeutig ist, warum brauchen Sie dann 27 Zeugen? Wenn alles klar ist, warum braucht es einen 108 Seiten umfassenden Strafantrag?“

Kurz-Prozess: Was bisher geschah
Was waren bisher die Wendepunkte im Prozess gegen den Ex-Kanzler?

Schmid belastet Kurz
Am fünften Prozesstag kam Schmid erstmals in den Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Landl. Die Schlüsselfigur in vielen Ermittlungsverfahren rund um die ÖVP wurde am 12. Dezember fast neun Stunden einvernommen, am 15. musste er sich weiteren Fragen stellen. Schmid möchte Kronzeuge werden und belastete den Ex-Kanzler schwer. Kurz habe ein „Vetorecht“ bei wichtigen Personalentscheidungen gehabt, war seine Kernaussage. Es sei damals einfach „denkunmöglich“ gewesen, ohne Kurz über Postenbesetzungen zu entscheiden.

Schillernde Russen
Just am selben Prozesstag brachte die Kurz-Verteidigung zwei russische Geschäftsleute ins Spiel. Die Russen hatten eidesstattliche Erklärungen abgegeben: Schmid soll bei einem Vorstellungsgespräch in Amsterdam erzählt haben, dass er von den Staatsanwälten unter Druck gesetzt werde. Er sage nicht immer wahrheitsgetreu aus, um Kronzeuge zu werden. Dem Richter war die eidesstattliche Erklärung zu wenig, die Russen wurden als Zeugen geladen.

Originelle Antwort
Den Titel für die beste Antwort, um heiklen Fragen auszuweichen, ergatterte am siebenten Prozesstag Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Er sprach von einem „Erinnerungsdilemma“.

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