"Getarnter Putsch"

Paraguay: Präsident Fernando Lugo des Amtes enthoben

Ausland
23.06.2012 08:24
Paraguays Präsident Fernando Lugo ist am Freitag vom Parlament in Asuncion seines Amtes enthoben worden. Der Linkspolitiker wurde offiziell für Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Landbesetzern verantwortlich gemacht, bei denen in der vergangenen Woche 17 Menschen starben. Lugo akzeptierte die Entscheidung, sprach aber von einem "getarnten Putsch" der konservativen Kräfte in seinem Land. In Asuncion kam es zu gewalttätigen Protesten von Anhängern Lugos.

Der Senat stimmte am Freitag für die Absetzung des 61-jährigen katholischen Ex-Bischofs, nachdem sich am Donnerstag bereits das Unterhaus des Parlaments für die Absetzung ausgesprochen hatte.

"Ich unterwerfe mich der Entscheidung des Kongresses", sagte Lugo in einer Erklärung im Präsidentenpalast. Anschließend verließ er das Gebäude in einer Fahrzeugkolonne mit unbekanntem Ziel. Der bisherige Vizepräsident des lateinamerikanischen Landes, Federico Franco, wurde kurz darauf zum Präsidenten vereidigt. Der 49-Jährige legte im Parlament seinen Amtseid ab.

Vor der Abstimmung im Senat, bei der 39 von 43 anwesenden Senatoren für die Absetzung des Staatschefs stimmten, hatte Lugo noch vergeblich beim Obersten Gerichtshof Beschwerde gegen das Amtsenthebungsverfahren eingelegt. Lugo wird eine "schlechte Ausübung" seines Amtes im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz bei Protesten landloser Bauern Mitte Juni vorgeworfen.

17 Tote bei Zusammenstößen
Der einstige "Bischof der Armen" wird für den Tod von elf Bauern und sechs Polizisten bei Zusammenstößen verantwortlich gemacht. In Paraguay, einem der ärmsten Staaten Südamerikas, finden häufig Konflikte um Land statt. Zwei Prozent der Bevölkerung besitzen rund 80 Prozent des Landes.

Nach der Senats-Abstimmung kam es vor dem Parlamentsgebäude zu Ausschreitungen. Einige Demonstranten warfen Absperrgitter um und griffen Polizisten an. Die Beamten setzten Knüppel, Tränengas und Wasserwerfer ein und trieben die Demonstranten auseinander. Etwa 5.000 Anhänger Lugos hatten sich auf dem Platz vor dem Kongress versammelt, während im Senat die Abstimmung lief. Auch Gegner des Präsidenten versammelten sich, eine Polizeikette trennte beide Lager voneinander.

Lugo ortet "Putsch des Parlaments"
Lugo hatte im Vorfeld die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen und angekündigt, er werde das Votum des Parlaments akzeptieren. Er zeigte sich jedoch wütend: Was in seinem Land vorgehe, sei "mehr als ein Staatstreich", sagte er im Radio. "Es ist ein als legaler Vorgang getarnter Putsch des Parlaments."

Die von linken Staatschefs geführten lateinamerikanischen Länder Venezuela, Bolivien und Nicaragua sprachen bei einer Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten von einem "getarnten Staatsstreich", noch bevor Lugo sich selbst äußerte. Ecuadors Präsident kündigte an, er werde eine Absetzung Lugos nicht anerkennen.

Seit 2008 Präsident
Der Befreiungstheologe Lugo war 2008 von einem breiten Bündnis aus rund 20 überwiegend linken Parteien zum Präsidenten gewählt worden. Seither verlor er aber wegen politischer Differenzen immer mehr an Rückhalt.

Nach den blutigen Zwischenfällen bei den Bauernprotesten entließ Lugo den Polizeichef und den Innenminister, geriet jedoch noch weiter in die politische Isolation, als sich die mitregierende Authentische Radikalliberale Partei für das Amtsenthebungsverfahren mit der rechten Colorado-Partei verbündete.

Bis 2008 hatte die konservative Colorado-Partei mehr als sechs Jahrzehnte lang Paraguay regiert. Lugo, der erst kürzlich von Lymphdrüsenkrebs geheilt worden war, wollte 2013 nicht für eine weitere Amtszeit antreten. Er war zuletzt auch wegen verschiedener Vaterschaftsklagen in die Schlagzeilen geraten. Zuletzt hatte er einen zehnjährigen Buben als seinen Sohn anerkannt.

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