Verbaler Flächenbrand

Erdogans Hitler-Vergleiche gefährlich wie noch nie

Ausland
28.12.2023 06:00

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Israels Regierung und ihre Unterstützer in die Nähe von Nazi-Deutschland gerückt. Der verbale Tiefschlag markiert den bisherigen Höhepunkt seiner inszenierten Abneigung gegenüber dem jüdischen Staat - und stellt über Umwege die Sicherheit des Westens auf die Probe.

Nachdem der türkische Präsident als Vermittler im aktuellen Nahostkonflikt links liegen gelassen wurde, fällt er seither mit antiisraelischen Parolen auf. Am Mittwoch verglich er Israels Angriffe auf den Gazastreifen mit der Misshandlung der jüdischen Bevölkerung durch die Nazis, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

„Aber was ist der Unterschied zu Hitler? Sie bringen uns dazu, Hitler zu vermissen. Ist das, was dieser Netanyahu tut, weniger als das, was Hitler tat? Das ist es nicht“, erklärte Erdogan bei einer Veranstaltung in Ankara.

Erdogan und „Hitlers Geist“
Wirklich überraschend kommt die Eskalation nicht, hatte der Machthaber vom Bosporus doch bereits in der Vergangenheit innenpolitischen Erfolg mit ähnlichen Vergleichen. Doch seine jetzigen Entgleisungen haben aufgrund der Lage eine neue Qualität.

Über die Jahre beschuldigte Erdogan Israel, „Hitlers Geist lebendig zu halten“. Der 69-Jährige gilt als ausgesprochener Unterstützer der Terrorgruppe Hamas. Die Türkei diente in der Vergangenheit nicht nur als Herberge der Terroristen, sondern half auch beim Aufbau eines lukrativen Firmengeflechts, wie Recherchen der „New York Times“ ergaben.

Ein rhetorischer Flächenbrand
Erdogans Auftreten destabilisiert seit Monaten seine westlichen Partner in der NATO. Über Umwege könnten seine Eskapaden einen Beitritt Schwedens weiter in die Länge ziehen. Ganz nach dem Geschmack von Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Türkei und Ungarn haben die Aufnahme der Skandinavier in das Verteidigungsbündnis noch immer nicht ratifiziert.

Erdogan versucht, für sein grünes Licht einen Waffendeal mit den USA über F-16-Kampfjets zu erpressen. Das Problem: Die Gesetzgeber in Washington hatten bereits vor seinen jüngsten Hetzauftritten gegen Israel Zweifel an seiner Integrität. Vor allem Spannungen mit Griechenland bereiten Sorge.

Erdogan bemüht sich zumindest an dieser Front, zu entschärfen. Griechenland und die Türkei unterzeichneten Anfang Dezember eine Freundschaftserklärung. Unter anderem wurde vereinbart, das Handelsvolumen zwischen den beiden Nachbarstaaten und NATO-Mitgliedern in den kommenden fünf Jahren auf zehn Milliarden US-Dollar zu verdoppeln.

Ein verhängnisvoller Kauf
Die alternde türkische Luftwaffe leidet unter dem Ausschluss des Landes aus dem von den USA geführten F-35-Programm im Jahr 2019. Der Rauswurf war eine Vergeltungsmaßnahme für Erdogans Entscheidung, bei Putin ein russisches Raketenabwehrsystem zu kaufen, das die NATO als Bedrohung für die operative Sicherheit betrachtet.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat wiederholt versprochen, den F-16-Verkauf im Wert von 20 Milliarden US-Dollar voranzutreiben. Erdogans Eskapaden verkleinern jedoch den Handlungsspielraum. Denn der als „Erpresser“ verschriene Präsident kann sich einen Kuschelkurs nach griechischem Vorbild mit dem Rest Europas innenpolitisch nicht leisten.

Solidarität mit den Bewohnern des Gazastreifens ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten, auf die sich die gespaltene türkische Gesellschaft einigen kann. Erdogan schlachtet diesen Umstand aus. Seine Hasstiraden gegen Israel sind auch Ausdruck seiner eigenen Schwäche. 

Erdogan inszeniert sich als Stimme der Unterdrückten
Am Mittwoch johlte der türkische Präsident, dass der Westen vor einem israelischen Nazi-Regime buckeln würde. „Und was haben sie mit der ganzen Unterstützung gemacht? Sie haben mehr als 20.000 Menschen im Gazastreifen getötet.“

Der Gaza-Konflikt sei eine Prüfung, an der die westlichen Staaten, Institutionen, Medien, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die EU alle gescheitert seien. „Genauso wie es vor 80 Jahren in Nazi-Deutschland war, werden die Wissenschaftler unterdrückt und bedroht, die heute den Mut haben, die Grausamkeit in Gaza als solche zu benennen.“

Die Türkei sei bereit, Akademiker und Wissenschaftler aufzunehmen, die wegen ihrer Ansichten zum Gaza-Konflikt verfolgt würden. Bereits Ende Oktober hatte Israel seine Diplomaten vom Bosporus abgezogen. Jüdinnen und Juden sind seither angehalten, so schnell wie möglich die Türkei zu verlassen.

Wenn auf Worte Terror folgt
Erdogans Worte sind nicht nur für Israel brandgefährlich. Die restliche westliche Welt wird die Konsequenzen ebenfalls spüren. Nach Wladimir Putin rückt ein weiterer einflussreicher Staatenführer den Westen in die Nähe eines fiktiven Nazi-Regimes. Wie viele Menschen dem Kremlchef damals wie heute glaubten, ist bekannt: Die Ukraine kämpft aktuell um ihr Überleben.

In Europa sind die Terrorwarnsysteme hochgefahren. Erdogan ist offenbar nicht daran interessiert, die Lage zu entschärfen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele