Peter Hacker von der SPÖ stellt sich in Interviews gerne jeder Frage. Nach den Themen rund um das Gesundheitswesen geht es nun um Integration und Pädagogik: der Wiener Stadtrat über Neonazis, Hinrichtungsspiele in der Schule und Antisemitismus unter Migranten. Und über Alfred Gusenbauer.
„Krone“: Herr Stadtrat Hacker, auch in Wien leben Juden wieder in Angst, viele tragen in der Öffentlichkeit die Kippa nicht mehr, sprechen in der Öffentlichkeit kein Hebräisch, Häuser werden beschmiert, Flaggen heruntergerissen, bei pro-palästinensischen Demos feindliche Parolen skandiert. Das Magazin „Spiegel“ schreibt von „Antisemitismus unter Migranten“. Haben einige 2015 auf Wiens Bahnhöfen den Judenhass mit Teddybären empfangen?
Peter Hacker: Nein. Also so zu tun, als gäbe es keinen Antisemitismus in der heimischen Bevölkerung, ist ja wirklich ein Hohn. Jahrelang schauen wir zu, wenn Neonazis auf unseren Straßen demonstrieren, und reden es uns schön. Und jetzt ordnen wir das der Gruppe von Flüchtlingen zu, weil es am bequemsten ist. Es ist wurscht, woher der Antisemitismus kommt. Es ist wurscht, wie er sich begründet. Es ist wurscht, aus welcher Wurzel er stammt. Er hat in unserer Gesellschaft nichts verloren.
Bei den pro-palästinensischen Demos sehe ich nur wenige Österreicher.
Ich habe keine Ahnung, wie echte Österreicher aussehen.
Anders formuliert. Wenn jemand, der in Wien Schutz erhält, eine Israel-Flagge anzündet. Was macht man mit so jemandem? Wie wollen Sie den integrieren?
Rasch in Schulungsmaßnahmen stecken. Da gehört auch eine ordentliche Jobausbildung dazu. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass die ÖVP darauf beharrt, dass Asylwerber, die zu uns kommen, sich zunächst einmal aufs Wartebankerl setzen müssen und wir ihnen das Arbeiten verbieten. Das versteht doch kein Mensch. Wer zu uns kommt, hat eines zu tun, nämlich die Werte unseres Landes zu teilen. Auch durch Arbeit, das ist die Grundbasis unserer Demokratie.
Also auch verpflichtend?
Als völliges Selbstverständnis. Jeder bringt sich ein mit dem, was er kann. Das gilt für alle, die in unserem Kulturmechanismus leben wollen.
Beispiele, die der Lehrergewerkschafter Thomas Krebs schildert, zeigen ein katastrophales Integrationsbild in unseren Schulen. Wir haben zum Beispiel Väter, die sich weigern, einer Lehrerin die Hand zu geben, was nicht neu ist. Es werden Hinrichtungen nachgespielt und vieles mehr. Da ist doch etwas furchtbar entglitten, oder?
Ja. Wir haben die Pädagogik aufgegeben. Wir haben aufgegeben zu intervenieren. Wir haben aufgegeben zu reagieren.
Was bedeutet das?
Wir haben das Erziehenwollen aufgegeben. Wir finden es ja unerträglich, dass der Lehrer sich anmaßt, unseren Kindern zu sagen, dass sie sich ordentlich hinsetzen müssen in der Schule. Wir selbst haben ja Disziplinlosigkeit verteidigt von unseren Kindern in den Schulen.
Und das von einem Vertreter jener Partei, die Matura und Noten abschaffen will.
Aber das ist eine ganz andere Frage. Wir haben nicht gesagt, wir wollen jegliche Bewertung abschaffen. Wir wollen eine schriftliche Beurteilung der Leistung, der Stärken und Schwächen. Und das ist nicht realitätsfremd, sondern längst Realität im beruflichen Alltag. Wer kriegt denn in der Beurteilung seines Arbeitgebers Schulnoten? Und dazu kommt, Hochschulen haben angefangen, Aufnahmeprüfungen zu machen. Und wenn es die gibt, wer braucht dann noch den Stress von einem Noten-System mit einer Matura?
Ja. Wir haben die Pädagogik aufgegeben. Wir haben aufgegeben zu intervenieren. Wir haben aufgegeben zu reagieren.
Hacker über die Schule
Zurück zur aufgegebenen Pädagogik. Muslimische Kinder spielen in der Schule Hinrichtungen. Wie soll man da intervenieren?
Na, untersagen. Das ist völlig inakzeptabel.
Ich wusste nicht, dass Hinrichtungsspiele im Klassenzimmer offiziell erlaubt sind.
Dass sich Kinder in der Schule Dinge einfallen lassen, die nicht erlaubt sind, ist doch nichts Neues. Das war in unserer Generation nicht anders und wird auch in Ihrer nicht anders gewesen sein.
Ich habe keine Hinrichtungen nachgespielt.
Ja, wir haben auch keine Hinrichtungen gespielt, aber wir haben alles getan, was nicht erlaubt ist. Aber nein, ich bin kein Pädagoge, ich mache jetzt keine pädagogischen Ratschläge. Und ich finde, dass wir den Mut haben sollten, dass Lehrer wieder Pädagogen sein dürfen. Pädagogik heißt Erziehung.
Noch ein paar andere Fragen. In China breitet sich eine neue mysteriöse Lungenkrankheit aus, die offenbar auch schon in der Schweiz angekommen ist. Müssen wir uns Sorgen machen?
Im Augenblick nicht.
Das haben Sie bei Corona auch gesagt.
So ist es mit globalen Entwicklungen, dass man nie hundertprozentig vorausschauen kann und niemand eine Glaskugel hat. Aber im Augenblick sagen uns die Experten, dass nicht zu erwarten ist, dass aus dieser Entwicklung eine Pandemie entsteht. Dass wir mit neuen Krankheitsbildern und Infektionserkrankungen konfrontiert sind, das wissen wir. Deswegen bedauere ich es ja auch, dass unsere nationalen Monitoringsysteme so auf ein Minimum zurückgeschraubt worden sind.
Sollte Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der in René Benkos Signa Millionen verdient hat, während Tausende ihre Jobs verloren haben und das Imperium zerbröselt, von der SPÖ ausgeschlossen werden?
Nein, das ist mir völlig wurscht. Und jedem, der neidig ist, schlage ich vor, investiert in die Signa.
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