Dass Menschen, die in der Medizin arbeiten, wegen ihres Berufs manchmal Traumatisierungen erleben, ist zu oft ein Tabuthema. Dabei ist es besonders wichtig, dass Ärzte, Pfleger etc. ihren Job gut ausüben können. Im Sinne ihrer Patienten. Der Verein Second Victim bietet rasche Hilfe an.
Für Anästhesistin Eva Potura war ein Fall in ihrem beruflichen Umfeld Anlass, vor rund zwei Jahren den Verein zu gründen. Der Name leitet sich vom Fachbegriff ab: Medizinisches Personal, das im Zuge der Berufsausübung traumatisiert, also zu einem Opfer worden ist. „Besonders wichtig ist in so einer Situation, dass man über das Erlebte mit jemandem reden kann“, weiß Stephanie Niederhuber, die für den Verein arbeitet. Leider gebe es zu wenig Angebot. Und die Hemmschwelle, sich nach Hilfe fragen zu trauen, sei auch groß.
Second Victim will das ändern. Dafür wurde unter anderem ein Krisentelefon eingerichtet, an das man sich anonym wenden kann. Die Bereitschaftszeit von derzeit zwei Tagen pro Woche soll im nächsten Jahr deutlich ausgebaut werden. Aber langfristige Hilfe im Rahmen persönlicher Beratungstermine können Betroffene kostenlos in Anspruch nehmen. Persönlich wie online.
Wir sind ein Team von Ärzt*innen und Pflegekräften, die im letzten Pandemiejahr an der Front standen. Wir beschäftigen uns schon länger als es Sars-CoV-2 gibt, mit Fehlerkultur, Arbeitsmedizin und Burn-out-Prophylaxe und Mitarbeiter*innenführung. Wir wissen, dass man als schwach gelten kann, wenn man zugibt, nicht mehr zu können.
Aus dem Mission Statement von Second Vicim
Großer Bedarf
Der Bedarf ist offenbar groß. Das legt auch eine vom Verein in Auftrag gegebene Studie nahe. 89 Prozent (!) der befragten österreichischen Kinderärzte haben angegeben, dass sie im Rahmen ihrer Berufsausübung schon einmal eine Traumatisierung erlebt haben. Das liege über dem internationalen Durchschnitt. 74 Prozent haben gar angegeben, schon mehr als einmal eine Traumatisierung erfahren zu haben.
Wunsch nach Peer-System
Betroffene würden oft den Wunsch äußern, sich nach einem schlimmen Erlebnis im Berufsalltag mit direkten Kollegen austauschen zu können. Daher werde auch daran gearbeitet, ein entsprechendes Peer-System auf- und auszubauen. Wichtig ist auch die Präventionsarbeit. Hier engagiert sich der Verein mit Vorträgen und einem Ausbildungsangebot.
Im Sinn der Patienten-Sicherheit
Leider sei der Gedanke „Wer nach Hilfe fragt, zeigt Schwäche“ noch zu sehr verbreitet. Dabei ist besonders wichtig, dass Ärzte, Pfleger, Therapeuten und anderes medizinisches Personal ihren Job gut machen können, dazu zählen auch Reinigungskräfte. Da Second Victim die Hilfe ehrenamtlich anbietet, sind neue Mitglieder und Sponsoren willkommen.
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