Die Hintergründe

Der tiefe Fall des Finanzjongleurs René Benko

Wirtschaft
03.11.2023 19:11

Nach einem Aufstand der Investoren wird dem Strippenzieher im komplexen Firmenkonstrukt der Signa die Tür gewiesen. Woran der Gründer scheiterte. Und welche Herausforderungen warten.

Mehr als zwei Jahrzehnte kannte der Weg des René Benko nur eine Richtung - nach oben. Kurz vor der Reifeprüfung hatte er die Handelsakademie in Innsbruck geschmissen, um sich der Keilertruppe des umstrittenen Finanzvertriebs AWD anzuschließen. Dort hat er das Verkaufen gelernt, Selbstvermarktung inklusive. Der junge Finanzjongleur fuhr im geliehenen Ferrari bei einer Tiroler Sparkasse vor, um Eindruck zu schinden. Ein Hinweis auf ein Verkaufstalent, das er perfektionierte. Und das über Jahre funktionierte.

Benko verstand es stets, reiche Investoren für seine hochtrabenden Pläne zu begeistern: Erst war der Erbe der Stroh-Tankstellen-Millionen an Bord, dann ein griechischer Reeder. Später auch der israelische Diamantenhändler Beny Steinmetz, der Anfang September in Zypern mit einem rumänischen Haftbefehl festgenommen wurde.

Palastrevolution mit Haselsteiners Beteiligung
Am Freitag haben Benkos aktuelle Geldgeber dem Gründer der Signa die Tür gewiesen: Der Strippenzieher eines enorm verschachtelten Firmengeflechts mutiert vom „Immobilienkaiser“ zu einem „König ohne Land“, der Arndt Geiwitz, einem deutschen Sanierer, bei den Aufräumarbeiten zuschauen muss. Als ein wesentlicher Drahtzieher dieser Palastrevolution gilt der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner (Strabag), der bei der Signa Holding über eine Stiftung mit 15 Prozent investiert ist.

Die Holding zählt mit einer Bilanzsumme von zuletzt 27 Milliarden Euro zu den wichtigsten Immobilien- und Handelskonzernen Europas; sie hatte jedoch, bis vor Kurzem, über Jahre keine Bilanzen veröffentlicht. Und damit Spekulationen befeuert, Signa würde mit gewisser Absicht Strafzahlungen an das Gericht leisten, um nur ja keine tieferen Einblicke in den mittlerweile finanzmaroden Konzern zu erlauben. Zuletzt war bekannt geworden, dass bei der Signa Holding im Geschäftsjahr 2022 ein Bilanzverlust von 505 Millionen Euro in den Büchern steht; zugleich schnellten die Verbindlichkeiten von 634 Millionen auf rund zwei Milliarden in die Höhe. Detail am Rande: Die Gesamtschulden der Gruppe dürften sogar jene der Stadt Wien übersteigen.

Warum wollten die Investoren den Signa-Erfinder loswerden? Weil Benko im Konzern eine mehr als dominante Rolle eingenommen hat, obwohl er seit zehn Jahren, seit einer Verurteilung wegen Korruption, keine Vorstands- bzw. Geschäftsführerposition mehr bekleidet. Weil der Signa die liquiden Mittel ausgegangen sind. Und weil die Investoren rund um Haselsteiner bei potenziellen Konkursen im Immobilienbereich der Signa-Gruppe viel Geld verlieren würden: Würden Masseverwalter in ganz Europa binnen kurzer Zeit zahlreiche Immobilien auf den Markt werfen, dann wären die Preise niedriger als bei einem kontrollierten Abverkauf ohne Konkurs, der offenbar mit Benkos Nachfolger nun versucht werden soll.

Signa mit ihren 1000 Firmen als Trümmerhaufen
Haselsteiner sagte am Freitag, mit der Absetzung des Gründers und der Einsetzung eines Sanierers solle „ein zweites kika/Leiner verhindert“ werden. Die Signa mit ihren weit über 1000 Firmen gleicht einem Trümmerhaufen. Denn Benko war ein gelernter Verkäufer, kein Sanierer. Er hat in der europäischen Handelswelt mit mehreren Konkursen eine Blutspur hinterlassen. Zwar wurden zuletzt Immobilien verkauft, zugleich aber keine entscheidenden Sanierungsschritte gesetzt.

Benkos Verkaufstalent zeigte sich übrigens auch im parlamentarischen U-Ausschuss. Dort behauptete der Tiroler im Herbst 2020 unter Wahrheitspflicht: „Das neu eingesetzte Management hat diesen so wichtigen Turnaround geschafft und die beiden Traditionsmarken Leiner und kika im wahrsten Sinne neu erblühen lassen.“ Und: Man sei „mit der Perspektive als langjähriger, verantwortungsvoller Eigentümer“ eingestiegen.

Das Ende ist bekannt. Verkauf im Mai, Konkurs im Juni 2023 - 1600 Mitarbeiter haben ihre Jobs verloren.

 Kronen Zeitung
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