„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Wien gehört zu den lebenswertesten Städten der Welt. Viele Rankings führen die österreichische Bundeshauptstadt gar auf Platz eins ihrer Listen. Neben vielen Grünflächen und einer allgemein hohen Sicherheit liegt das auch am dörflichen Charakter der Zwei-Millionen-Metropole. Die sogenannten Grätzln sind nicht nur der Lebensmittelpunkt für viele Wienerinnen und Wiener, sie fördern das Miteinander und dienen als Identifikationspol. Dem gegenüber wird in Hietzing seit Jahren der Ausbau der Verbindungsbahn diskutiert. Ein in der Theorie sehr positives Projekt, dass den öffentlichen Nahverkehr stärken und die Autofahrten eindämmen soll. In der Praxis scheiterten die Betreiber bislang aber an mangelhafter Planung und Anrainern, die sich von den Plänen überrollt fühlen.
Die Grundprobleme des geplanten Umbaus: es gäbe danach zu wenig Radwege, der jahrelange Baulärm wäre unerträglich und die Wohnungen und Häuser würden an Wertminderung leiden und durch den Ausbau müssten unzählige Bäume gefällt werden. Laut der Gegeninitiative „Verbindungsbahn Wien“ würden rund 1000 Bäume und zahlreiche wildgewachsene Büsche und Sträucher gerodet werden. Nicht einmal die Hälfte der zerstörten Bäume soll nachgepflanzt werden. Diese aber nicht in Hietzing, sondern im 22. Bezirk, der Donaustadt. Ein fatales Zeichen in Zeiten der Klimakrise, zumal die angrenzende und bislang verkehrsberuhigte Waldvogelstraße für Autos vierspurig werden soll - all das geprüft und genehmigt von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler.
Die Einwohner sind entsetzt und kämpfen mit Protesten gegen die Umsetzungspläne an. Mittendrin ist u.a. auch Schauspieler Cornelius Obonya, der sich aktiv für eine Attraktivierung der Rad- und Fußwege einsetzt. Die Bürger in Hietzing fühlen sich von Politik und ÖBB nicht ausreichend informiert und einbezogen. Durch die geplanten Unterführungen anstatt der jetzt bestehenden Eisenbahnkreuzungen wird befürchtet, dass sich der Autoverkehr um ein Vielfaches steigern wird. Bäume sollen entlang der Bahnstrecke durch Lärmschutzwände ersetzt werden. „Man kann doch nicht unter dem Deckmantel der öffentlichen Verkehrsmittel einfach so 1000 Bäume wegschneiden“, zeigt sich eine betroffene Anwohnerin erbost, „wir verlieren dadurch an Luftqualität, im Sommer erhitzt sich die Gegend unerträglich auf und auch Tiere wie Füchse werden daran zugrunde gehen.“
Dazu noch die sozialen Probleme. Die jetzige Form der neuen Verbindungsbahn würde den Bezirk teilen und damit den letzten Rest des gemütlichen Grätzl-Flairs nehmen. „Baufirmen stellen die Gegend rundum schon mit Wohnungen zu und zerstören das Bild von Speising, aber mit der neuen Bahnstrecke wird es noch viel schlimmer.“ Gegen eine bessere Anbindung Hietzings durch neue Stationen und bessere, weil häufigere Intervalle hätte niemand etwas. Doch nicht zum Preis von gerodeter Natur und zerstörter Lebensqualität. Man fordert Umplanungen. Auch für viele unverständlich: Dass die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv beschieden wurde. Gegen diesen Bescheid wurde beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt. Der Geschmack hinter dem Ganzen bleibt fahl: Wieder einmal tragen Politik und Wirtschaft ihre Pläne ohne Weitsicht auf dem Rücken der Bürger aus. Klimaschutz und Grätzl-Stärkung sehen jedenfalls ganz anders aus …
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