Gipfel in Granada
EU-Streit um Migration: Kein Schritt vorwärts
Die Stimmung beim EU-Gipfel in Granada war angespannt. Ungarns Premier Orbán gefiel sich in der Rolle des Provokateurs.
Das Polizeiaufgebot in Granada ist gewaltig, Wasserwerfer wurden in Stellung gebracht, zahlreiche Straßen gesperrt. Doch die Bevölkerung der südspanischen Stadt scheint vom Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs unbeeindruckt zu sein, auch die zahlreichen Touristen lassen sich von dem Polit-Trubel nicht stören. So manche Urlaubergruppe posiert mit den Polizisten für ein Erinnerungsfoto.
Sprachlicher Eklat: „Wir wurden vergewaltigt“
Beim Gipfel selbst ging es weniger entspannt zu. Auch wenn keine Entscheidungen anstanden, drückte der Streit um die europäische Migrationspolitik, bei dem es gestern um keinen Schritt vorwärts ging, auf die Stimmung. Nur einer hatte seine Freude: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Er war auf Provokation gebürstet und genoss dies sichtlich, dabei suchte er die Kameras und Mikros der wartenden Journalistinnen und Journalisten. „Wir wurden rechtlich vergewaltigt“, sagte Orbán, angesprochen auf die geplante EU-Asylreform. Für eine Einigung braucht die Union eine qualifizierte Mehrheit, diese ist auch ohne die Zustimmung von Ungarn und Polen, die das gesamte Paket strikt ablehnen, zu erreichen. In Orbáns Worten klingt das so: „Wenn man vergewaltigt wird – rechtlich gezwungen wird, etwas zu akzeptieren, was man nicht will – wie soll es dann einen Kompromiss und eine Einigung geben? Das ist unmöglich.“
Österreich sieht Asylpakt als „unerlässlich“
Österreich wurde beim Gipfel vom niederländischen Regierungschef Mark Rutte vertreten. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) fehlte krankheitsbedingt. Die Reaktion auf die ungarische Entgleisung kam aus Wien: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nannte den Asylpakt „unerlässlich“, auch wenn noch viel zu tun sei.
Neues Lampedusa auf den Kanaren?
Unterdessen wächst auf den Kanarischen Inseln die Sorge davor, zu einem spanischen Lampedusa zu werden. Seit Tagen nimmt dort die Zahl der Flüchtlingsankünfte zu, allein am Freitag sind 518 Migranten aus Booten vor der Küste geborgen worden. Die meisten der Geretteten stammen von Ländern südlich der Sahara. Der spanische Seenotrettungsdienst rechnet damit, dass sich die Lage weiter zuspitzt.
Geplante gemeinsame Erklärung scheiterte
Das Nein zur Asylreform blieb am Freitag nicht Viktor Orbáns einzige Widerrede. Der ungarische Premier sprach sich auch gegen neue Ukraine-Hilfen aus und bremst beim möglichen EU-Beitritt der Ukraine. Das Fazit des Gipfels in Granada ist ernüchternd: Keine neuen Erkenntnisse, keinerlei Fortschritte. Das Thema Migration musste aus der ohnehin sehr schwammigen gemeinsamen Gipfelerklärung gestrichen werden.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.