„Dauerte 35 Sekunden“

Trafikant in der U-Bahn fast tot geprügelt

Gericht
29.08.2023 13:33

Völlig wahllos und ohne Grund soll ein 21-Jähriger in der Wiener U-Bahn einen Passanten fast tot geprügelt haben. Und das ist nicht die einzige Gewaltexplosion, die den jungen Mann vors Schwurgericht in Wien bringt. Neben dem versuchten Mord wird ihm auch Körperverletzung vorgeworfen - gleich in mehreren Fällen. Doch: „So ein Mensch bin ich nicht“, meint der Wiener.

Es hätte in der Wiener U3 am 4. Jänner 2023 zum Mittag zwischen den Stationen Stephansplatz und Herrengasse wohl jeden Passagier treffen können. Opfer wurde aber ein 62-jähriger Trafikant, der gerade von der Arbeit nach Hause fuhr, sich nichtsahnend einen Platz in dem öffentlichen Verkehrsmittel suchte - neben dem falschen Sitznachbar. Weil er den 21-Jährigen aufforderte, nicht so breitbeinig dazusitzen, prügelte der ihn krankenhausreif. 

Trafikanten ins Gesicht getreten
Zeugen berichten von einer „massiven und brutalen“ Gewaltexplosion, von „kräftigen und zielgerichteten“ Schlägen und Tritten gegen den Trafikanten. Schon nach dem ersten Faustschlag ins Gesicht sei er bewusstlos zu Boden gefallen, hätte keinerlei Abwehrbewegungen gemacht, erinnert sich eine Ärztin im Zeugenstand im Wiener Landesgericht. Sie sah den Vorfall in der U-Bahn mit an. Und trotzdem ließ der junge Mann nicht von dem Opfer ab. Stattdessen hielt er sich an den Haltestangen fest, holte Schwung und stieg dem 62-Jährigen mehrmals ins Gesicht. 

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Ich fahre fast jeden Tag mit der U-Bahn. 35 Sekunden dauert die Fahrt. In diesen Sekunden ist das passiert. Wenn viele Leute in der U-Bahn sind, dann empfinde ich tiefes Unbehagen.

62-jähriges Opfer im Landesgericht Wien

Eine Attacke, von der optisch nicht mehr viel übrig ist, vergleicht man den Mann, der nun als Opfer vor Gericht aussagt und jenen, der auf Fotos schwer verletzt und mit völlig demoliertem Gesicht an der U-Bahn-Tür lehnte. „Es geht mir körperlich gut“, sagt der Mann gefasst aus. Erinnern kann er sich an den „Anschlag“ - wie er es nennt - nicht mehr. Nur das Trauma wäre geblieben: „Ich fahre fast jeden Tag mit der U-Bahn. 35 Sekunden dauert die Fahrt. In diesen Sekunden ist das passiert. Wenn viele Leute in der U-Bahn sind, dann empfinde ich tiefes Unbehagen.“

Der 21-Jährige muss sich unter anderem wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. (Bild: Pratschner Sophie, Krone KREATIV)
Der 21-Jährige muss sich unter anderem wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.

„Grundlose Gewalt“ ist laut Anklage Mordversuch
Der Angeklagte würdigt sein Opfer keines Blickes, starrt bloß auf den Boden, während er breitbeinig auf der Anklagebank sitzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm wegen der Prügelattacke versuchten Mord vor. Schließlich trug der Trafikant lebensgefährliche Verletzungen davon: Seine Nase, sein Schlüsselbein und das Brustbein waren gebrochen. Das ist aber längst nicht alles an „vollkommen grundloser Gewalt“, die der 22-Jährige im Dezember 2022 und Jänner 2023 angewendet hatte. Es gibt drei weitere Opfer ...

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Wir haben hier vier Fälle vollkommen sinnloser Gewalt. Für einen normalen Menschen ist das nicht nachvollziehbar, wie man so die Fassung verlieren kann.

Verteidiger Johannes Maximilian Fouchs macht die Drogensucht seines Mandanten verantwortlich.

Einen Mann verprügelte er, als dieser aus dem Bus ausstieg. „Er hat einfach auf meine Freundin geschaut. Auf den Hintern“, will der Wiener rechtfertigen. Zeugen können das nicht bestätigen. Einem anderen versetzte er Faustschläge, weil er ihm keine Zigarette geben wollte. Sein letztes Opfer, der Chef seiner Ex-Freundin, hätte sich in sein Privatleben eingemischt. „Wir haben hier vier Fälle vollkommen sinnloser Gewalt. Für einen normalen Menschen ist das nicht nachvollziehbar, wie man so die Fassung verlieren kann“ - Verteidiger Johannes Maximilian Fouchs ortet das Verhalten in der Drogensucht seines Mandanten. 

Verteidiger Johannes Maximilian Fouchs (Bild: Anja Richter)
Verteidiger Johannes Maximilian Fouchs

So auch der 21-Jährige selber. Die Prügeleien hätten mit dem Suchtgiftkonsum angefangen: „Davor war ich nie gewalttätig.“ Woraus Richter Andreas Hautz aber sofort entgegnen muss: „Ganz so ist das nicht. Sie hatten bei mir schon eine Verhandlung wegen Gewalttaten. Zwei Vorstrafen haben Sie auch.“ Justizirrtümer, er sei stets unschuldig gewesen.

„Habe Prinzipien im Leben“
Im Prozess um versuchten Mord und schwere Körperverletzung in mehreren Fällen zeigt er sich geständig. Nicht aber zum Mordversuch: „Eines weiß ich ganz genau: Ich wollte ihn nicht töten. So ein Mensch bin ich nicht. Ich hab‘ Prinzipien in meinem Leben, an die ich mich streng halte“, bekennt sich der Wiener schuldig zu einer absichtlich schweren Körperverletzung an dem Trafikanten.

Im Falle einer anklagekonformen Verurteilung drohen dem 21-Jährigen bis zu 20 Jahre Haft - er ist noch ein junger Erwachsener. Außerdem beantragt die Staatsanwaltschaft die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Aufgrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sei er gefährlich. Ein Urteil wird am Mittwoch erwartet.

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