„Musste Erde essen“

Angriff auf Reporterin: Neue Details enthüllt

Ausland
05.07.2023 11:58

Am Dienstagmorgen - wie berichtet - wurde die preisgekrönte russische Journalistin der unabhängigen russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny von Unbekannten brutal attackiert. Experten gehen davon aus, dass es sich um keinen „gewöhnlichen“ Überfall handelt, sondern der Angriff mit der beruflichen Tätigkeit der Frau in Zusammenhang steht. Mittlerweile gibt es neue, haarsträubende Details zu dem Vorfall.

Es sollte eigentlich eine spannende Arbeitsreise werden: Die russische Investigativjournalistin Jelena Milaschina reiste gemeinsam mit dem Anwalt Aleksandr Nemow in die autonome Republik Tschetschenien, um über einen aufsehenerregenden Prozess zu berichten. Geplant war, dass sie der Urteilsverkündung für Sarema Musajewa beiwohnen. Die 53-jährige Ehefrau eines ehemaligen Richters war vergangenes Jahr aus der russischen Stadt Nischni Nowgorod nach Grosny verschleppt worden. Russischen Staatsmedien zufolge wurde sie am Dienstag zu fünfeinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Milaschina wirft der Justiz Willkür vor - man habe die Frau ohne Grund hinter Gitter gebracht.

Taxi-Fahrer aus Auto geworfen
Bei dem Gericht sollten die Reporterin und der Anwalt allerdings nie ankommen. „Als wir in Grosny am Flughafen eintrafen, setzten wir uns ins Taxi“, schilderte Milaschina gegenüber dem unabhängigen russisch-lettischen Nachrichtenportal „Medusa“. Es habe nicht lange gedauert, und sie seien von drei Autos an der Weiterfahrt gehindert worden. Insgesamt haben sich ihren Angaben nach in den drei Fahrzeugen zirka 15 Personen befunden. Diese hätten den Taxi-Fahrer einfach aus dem Auto geworfen. Danach hätten sie versucht, Milaschina zu fesseln, der Anwalt sei mit einem Messer attackiert worden.

Wüste Morddrohungen
Ein Auto brachte sie dann an einen unbekannten Ort, schilderte die Journalistin weiter. Dort habe man sie verprügelt. Laut Milaschina haben die Täter sehr genau über ihre Möglichkeiten Bescheid gewusst und darüber, was sie tun. Sie hätten sich beeilt und die Passwörter für die technischen Geräte gefordert. Den Anwalt hätten die Angreifer brutal geschlagen und ihm gesagt: „Verteidige bei dir zu Hause, hier brauchen wir das nicht - jetzt werden wir dich töten!“ Er musste laut der Erzählung auf die Knie gehen, die Täter hielten ihm eine Pistole an den Kopf und zwangen ihn, um Gnade zu flehen.

Milaschina hätten sie daraufhin die Haare abrasiert und gedroht, ihr die Finger abzuhacken. Stattdessen hätten sie versucht, sie ihr zu brechen, aber das sei ihnen nicht gelungen. „Ich habe eine Gehirnerschütterung, aber keine Knochenbrüche“, so die Reporterin weiter.

Sollten mundtot gemacht werden
Als sich die Angreifer wieder davonmachten, mussten die Journalistin und der Anwalt auf dem Boden liegen und bis hundert zählen. Die Unbekannten seien wieder zurückgekehrt und hätten sie noch einmal brutal geschlagen. Milaschina sei gezwungen worden, Erde zu essen. Danach hätten sie wieder bis hundert zählen müssen. „Und das war’s. Sie haben nichts mitgenommen, sie haben sich nur für unsere technischen Geräte interessiert.“ Das alles sei wegen ihrer beruflichen Tätigkeit passiert, zeigte sich die Journalistin überzeugt.

Kreml bestürzt
Der Kreml, russische Propagandisten und „Militärkorrespondenten“ äußerten sich ungewohnt kritisch und bestürzt zu dem Vorfall - in der Regel agieren sie in solchen Situationen viel zurückhaltender. Selbst der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow, der Milaschina früher offen gedroht hatte, sicherte zu, „das Problem zu regeln“.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verkündete, dass Russlands Präsident Wladimir Putin über die Tat informiert sei. Es handle sich um einen sehr schweren Angriff, der harte Maßnahmen notwendig mache. Die Strafverfolgungsbehörden würden sich darum kümmern, so der Politiker. Selbst der russische Propagandist Wladimir Solowjow, der für unverschämte Aussagen bekannt ist, zeigte sich ungewohnt überlegt: „Angriffe auf Journalisten sind inakzeptabel. Wir hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden alle notwendigen Anstrengungen unternehmen werden, um die Täter zu bestrafen.“

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