Freiwillige für Krieg

Moskau sucht jetzt „echte Männer“ für die Front

Nachrichten
27.04.2023 07:59

„Du bist ein Mann. Sei einer!“ Mit diesem Slogan wirbt Moskau um Freiwillige für den Einsatz in der Ukraine. Die neue Kampagne des Verteidigungsministeriums ist allgegenwärtig. Ob am Straßenrand, in Schaufenstern, an Bushaltestellen oder in den Online-Medien - überall werden Männer dazu aufgefordert, der Armee beizutreten.

Auf den Plakaten sind keine Kampfszenen zu sehen, der Konflikt in der Ukraine scheint weit weg. „Unser Job: das Vaterland verteidigen“, steht auf einem Foto dreier Soldaten unter weitem blauen Himmel. „Eine ehrenvolle Aufgabe und ein anständiges Gehalt“, lautet ein anderer Werbespruch.

Ein mit dramatischer Musik unterlegtes Video ging auf russischen Plattformen viral. Es zeigt einen Taxifahrer, einen Wachmann und einen Fitnesstrainer in ihrem tristen Alltag, dazu die Frage: „Ist das wirklich der Weg, den du wählen wolltest?“ Am Ende laufen die drei bewaffnet und in Kampfmontur durch den Nebel.

Ziel der Kampagne ist es, die Reihen zu füllen angesichts der von Kiew angekündigten großen Gegenoffensive - und das ohne eine weitere unpopuläre Zwangsmobilisierung wie im September.

Lukrative Verträge winken
Wie viele Soldaten rekrutiert werden sollen, sagen die Behörden nicht. Schätzungen russischer Medien gehen von mehreren hunderttausend Männern aus. Lukrative Verträge winken. Auf der Website der Moskauer Stadtverwaltung wird Rekruten, die in der Ukraine eingesetzt werden, ein monatlicher Sold von mindestens 204.000 Rubel (2260 Euro) versprochen - das ist mehr als das Zehnfache des Mindestlohns. Für die Teilnahme an Offensiven ist eine tägliche Prämie von 8000 Rubel angesetzt, sowie 50.000 Rubel für jeden eroberten Kilometer beim Einsatz an vorderster Front.

In Moskau wird älteren Eltern von Rekruten zudem häusliche Pflege angeboten und für Kinder soll es kostenlose Krippenplätze geben. Im Todesfall würde die Familie mit mehreren Millionen Rubel entschädigt, so das Versprechen.

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In Russland ist das eine gute Summe, um seine Familie und sogar seine Eltern zu unterstützen. Wenn jemand sein Vaterland verteidigt, warum sollte er nicht dafür bezahlt werden?

Ein russischer Student zur Werbekampagne

Student Pjotr Lipka aus Wolgograd findet den Sold attraktiv. „In Russland ist das eine gute Summe, um seine Familie und sogar seine Eltern zu unterstützen. Wenn jemand sein Vaterland verteidigt, warum sollte er nicht dafür bezahlt werden?“, sagt der 21-Jährige. Einen Vertrag zu unterschreiben sei auf jeden Fall besser, als eingezogen zu werden.

PR-Offensive stützt sich auf Macho-Kultur
Die PR-Offensive der Armee stützt sich auf die russische Macho-Kultur, die das Ideal starker „echter Männer“ propagiert, die sich für ihr Heimatland einsetzen. Die Rekrutierungskampagne fällt zusammen mit den Vorbereitungen für die Gedenkfeiern zum 9. Mai, dem Jahrestag des sowjetischen Siegs über Nazi-Deutschland 1945, ohnehin eine Zeit patriotischer Begeisterung.

Mit Plakaten wird um Soldaten geworben. (Bild: AP)
Mit Plakaten wird um Soldaten geworben.

Freiwilligkeit statt Zwangsrekrutierung
Die Werbeaktion setzt auf Freiwilligkeit, nachdem die Teilmobilmachung im September für Empörung gesorgt hatte und Zehntausende vor der Einberufung ins Ausland geflohen waren. Dennoch billigte Präsident Wladimir Putin kürzlich ein Gesetz, das künftig die Mobilisierung erleichtern soll - und weckte damit Befürchtungen einer neuen Einberufungswelle.

Politischen Beobachtern zufolge versucht der Kreml, die gesellschaftliche Unzufriedenheit angesichts wachsender wirtschaftlicher Probleme unter Kontrolle zu halten. „Die Behörden wollen eindeutig einen neuen Schock für die Gesellschaft vermeiden“, sagt Denis Wolkow, Leiter des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada. „Sie haben sich für ein anderes Szenario entschieden: die Rekrutierung von Freiwilligen“.

Die Kampagne könnte vor allem in ärmeren Regionen erfolgreich sein, sagt Wolkow. In Großstädten wie Moskau oder St. Petersburg gelte der Militärdienst hingegen als Zeitverschwendung. Die neue Strategie scheine zu funktionieren, sagt Wolkow. „Von der Panik, die im Herbst herrschte, ist nichts mehr zu spüren. Niemand steht Schlange, um über die Grenze zu kommen.“

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