Einen schönen Montagabend.
Es gibt Tage, da macht sich als Bewohner der Stadt Wien eine Mobilitätsverzweiflung breit, weil man sich wie der Frosch in diesem Uralt-Computerspiel Frogger fühlt - Sie erinnern sich vielleicht, das war diese Kröte, die sich atemlos von A nach B kämpft, sie hüpft an Autos vorbei, an Schneepflügen, Bussen und gelangt entweder zu Tode erschöpft an ihr Ziel oder bleibt platt wie eine Flunder auf der Straße liegen. Nehmen Sie das Auto, stehen Sie im Stau; die U-Bahn ist vollgestopft oder hat Verspätung; zu Fuß schleichen Sie von einer roten Ampel zur nächsten; Fahrradfahren ist in einigen Grätzeln wie ein Extremsport, in seiner Gefährlichkeit irgendwo angesiedelt zwischen Hai-Tauchen und Eisklettern. Es gibt kein Vorankommen. Wer verreisen will, der ist schneller, wenn er auf die Kontinentalverschiebung setzt als auf herkömmliche Fortbewegungsmittel. Innenstadttermine kann ich nur noch als menschliche Kanonenkugel wahrnehmen, jetzt, wo der Zirkus in der Stadt ist, gibt es auch eine exzellente Verkehrsanbindung.
Nun hat eine Gruppe junger Leute mit zu viel Freizeit, weil sie den Tag offenbar nicht mit lästiger Arbeit füllen muss, Spaß daran, sich an Fahrbahnen festzukleben, um so für noch mehr Stauchaos zu sorgen. Die Aktivisten nennen sich „Letzte Generation“ und sie wollen den fossilen Wahnsinn stoppen, indem sie wie heute Fahrzeuge auf der Ringstraße dazu zwingen, noch mehr Abgase in die Luft zu jagen. Zuletzt ketteten sich Protestierende in der Donaustadt sogar an Zuggleise, damit Pendler brav auf den Pkw umsteigen müssen, statt die klimaschonenden Öffis zu nehmen. Macht Sinn. Mit Bedauern muss ich diese Prognose abgeben: Sich im Frühverkehr auf den Boden zu legen und den Ausstoß Hunderter Auspuffe auf Lunge zu rauchen, scheint die Sauerstoffzufuhr im Gehirn auf ein besorgniserregendes Maß zu reduzieren. Bemerkenswert auch, wie die Demonstranten im April mit dem Taxi zum Protest gegen die Räumung des Anti-Stadtstraßen-Camps angereist sind. Das ist in etwa so, als würde der Verein gegen Tierfabriken für einen Protest gegen die Fleischindustrie zum Sauschädelessen einladen.
Ein Stau ist in seiner Definition ein zum Stillstand gekommener Verkehrsfluss aus Fahrzeugen, in denen Menschen sitzen. Der Familienvater, der pünktlich bei der Arbeit erscheint oder vom Chef vor die Tür gesetzt wird. Die Krankenschwester, die in die Klinik zu ihren Patienten will oder nach der Nachtschicht ins eigene Bett. Im Wiener Frühverkehr ist auf dem Ring oder Gürtel um diese Uhrzeit niemand zum Spaß zu einer Spritztour unterwegs - außer vielleicht Vertretet der Wiener Stadtregierung. Aufgehalten werden die Wiener von klebenden Dauerstudenten und Homeoffice-Fanatikern, die sich nach ihrer Protestaktion daheim noch einmal aufs Ohr hauen. Vorschlag zur Güte, ganz unter dem Motto „kleben und kleben lassen“: Fly-over-Brücke über die Demonstranten errichten und fertig. Dann können sie so lange picken bleiben, wie sie wollen. Und bei der aktuellen Beschaffenheit der Straßen fällt keinem Autofahrer ein Unterschied auf.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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