Pommers Feierabend

Sommer-Update 2: Warnung vor dem „Sommerloch“

Pommer am Abend
02.08.2022 13:34

Einen schönen Dienstagabend.

Ich kann mich noch an das berühmte Sommerloch erinnern. Ich wäre bereit, als Zeitzeuge durch Schulen zu tingeln, um erstaunten Kindern und Jugendlichen zu erklären, wie das damals war, anno dazumal, als es Sommer gab, in denen nichts, rein gar nichts passiert ist. Dieses Sommerloch war wie das Bermudadreieck, würde ich erzählen, das sich von Juni über Juli bis August gespannt hat, nur um sich nicht von Schiffen und Flugzeugen zu ernähren, wie das Original im Atlantik, sondern von Geschehnissen. Wo das Sommerloch wütete, blieb nur eine Ereigniswüste übrig, ein Geschichtenvakuum, in dem sich die Bevölkerung bis zur Besinnungslosigkeit langweilte. So ein Unsinn, würden die Jungen sagen, was redet der alte Trottel da? Aber es stimmt. Sommerlochbeispiel 25. Juli 2000 und irgendetwas: eine Doppelseite über einen Banküberfall ohne Beute, ein Angler holt einen 38 Kilo schweren Fisch aus dem See, ein Affe raucht Zigaretten, gestohlene Weinblätter. Schnarch. Irgendwann eiferte das Sommerloch dem Ozonloch nach, vielleicht fühlte es sich einsam, und schloss sich grußlos.

Mittlerweile gibt es nur noch ganz wenige Sommerlochjünger, und einer davon ist Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP. Über seine Ablösegerüchte sagt er: „Das ist eine offensichtliche mediale Sommerlochdebatte.“ Ein bisschen erinnert mich diese Verhaltensweise an die Ureinwohner dieser kleinen Insel zwischen Indien und Myanmar, die, konserviert in ihrer eigenen Welt, mit Pfeil und Bogen auf Hubschrauber schießen. Sehen wir uns das aktuelle „Sommerloch“ an. Einen Anspruch auf Vollständigkeit hat die Liste nicht, mein Geschreibsel ist jetzt schon viel zu lange.

Corona: Ein Gesundheitsminister, der seine eigenen Verordnungen nicht kennt, lässt an Covid erkrankte Mitarbeiter ins Spital. Oder in die Feinkost zur Extrawurst, die ihrem Namen dann endlich einmal gerecht wird. „Darf‘s auch ein bisschen mehr sein?“, ist im Zweifel eine gefährliche Drohung. Positive dürfen sogar ins Wirtshaus, aber dort nichts essen oder trinken, weil der Mund FFP2-versiegelt sein muss. Kaum realitätsfern, setzen Sie sich einmal in ein Lokal und bestellen Sie: nichts. Wir reden hier von Konsumzonen, in denen Kellner das erbetene Gratis-Leitungswasser oftmals mit einem Blick servieren, der Gäste lange im Unklaren lässt, ob sie damit nun ihren Durst löschen dürfen oder gewaterboardet werden. Und nun eine Ärztin, die in den Tod getrieben worden ist, weil sie Menschen mit der Impfung helfen wollte. Das gestrige Lichtermeer hat jenes „Sommerloch“ ausgeleuchtet, das so wohl nur der Kanzler sehen kann.

Teuerungen: „Ich kann meine Kinder nicht mehr ernähren.“ „Ich muss mir einen dritten Job suchen.“ „Ich weiß nicht, wie ich die nächste Miete zahlen soll.“ Bei uns in der Redaktion rufen täglich Menschen an, die sich in Nehammers „Sommerloch“ nicht gerade langweilen - aber nicht mehr lange, weil sie ihre Handyrechnungen bald nicht mehr zahlen können. Wir leben in einer Welt, in der ein Kilo Erdbeeren schon bald zum Preis eines Atom-U-Bootes zu haben ist; wer saure Nieren nach Uromas Art für seine Familie zubereiten will, muss zuvor erst eine seiner eigenen auf dem Schwarzmarkt verkaufen; demnächst bezahlen wir wohl mit Philharmoniker-Münzen unser Brot. „Sommerloch“ at its best.

Ukraine: Bei vielen hat sich ein chronisches Kriegs-Fatigue-Syndrom eingestellt, eine Mitleidsimmunisierung, weil täglich neue Horrormeldungen über uns hereinbrechen. Es kursiert ein Video, das zeigen soll, wie ein ukrainischer Soldat kastriert und exekutiert wird. Das darf nicht Normalität werden. Das ist ums Eck, näher als viele der Urlaubsstrände, die wir Österreicher anfliegen.

Klimakrise: Jetzt warnen Experten vor dem Aussterben der Menschheit, 2070 ist so ein Grenzdatum, das genannt wird. Zwei Milliarden Menschen leben zu diesem Zeitpunkt in quasi unbewohnbaren Gebieten. Ich bin dann bei guter Führung 89 Jahre alt - eher werde ich da vermutlich schon eingeäschert sein, entweder von der Bestattung Wien oder der Umgebungstemperatur in meiner Wohnung. Aber schon im heurigen „Sommerloch“ werden wir in Österreich gegrillt wie Ameisen unter der Lupe. Wir haben also bald Kältehallen im Sommer und Heizhallen im Winter. Eine schöne Aussicht.

So sieht es aus, das Nehammer‘sche „Sommerloch“ 2022. Was er vielleicht gemeint haben könnte: die Saure-Gurken-Zeit. Eine volksetymologische Erklärung besagt, dass Lebensmittel sauer einzulegen eine frühe Methode gewesen ist, um diese länger haltbar zu machen, für den kargen und eiskalten Winter. Die saure Gurke als Symbol des Verzichts und des Leidens. Das passt eher.

Jetzt muss ich noch mit etwas Positivem abschließen, es darf nicht alles so traurig sein. Haben Sie schon das süße Tiervideo mit dem Stachelschweinbaby gesehen, das mit der Flasche großgezogen wird? Putzig. Das wäre früher eine schöne Sommerlochgeschichte gewesen. Den rauchenden Affen brauchen Sie übrigens nicht mehr zu googeln. Er ist tot.

Ich wünsche einen schönen Sommer, so Sie einen haben.

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