Heftige NGO-Kritik

Flüchtlingshelfer: Österreich im „Schmuddel-Eck“

Politik
20.06.2022 13:09

Anlässlich des heutigen Weltflüchtlingstages haben Nicht-Regierungsorganisationen die Koalition, speziell die ÖVP, heftig kritisiert. Die Rede war gar von einem „Totalversagen“ und einer weiterhin mangelhaften Vorbereitung auf den Herbst, was die Ukraine betrifft. Während die NGOs ihre Kritik vortrugen, gab die Volkspartei parallel eine Pressekonferenz und präsentierte einen Bericht zu Schlepperei und Menschenhandel.

Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination vermisste beim Termin am Montagvormittag vor allem die Vorbereitungen auf den Herbst, was die Ukraine-Hilfe angeht. Gahleitner-Gertz machte etwa darauf aufmerksam, dass es aus seiner Sicht keinerlei Vorbereitungen auf den Schulbeginn und die Integration ukrainischer Jugendlicher in den Schulbetrieb gebe. Zudem sei noch immer offen, wer Michael Takacs ab Jahresmitte als Flüchtlingskoordinator folgt. Dabei brauche es diese Funktion unbedingt, gebe es doch in der Grundversorgung viele unterschiedliche Player.

„Zugang zu Sozial- und Familienbeihilfe ermöglichen“
Ohnehin ist man bei den NGOs überzeugt, dass die Unterstützung der Ukraine-Flüchltinge nur dank des Einsatzes der Zivilgesellschaft aufrechterhalten werden konnte. Manuela Ertl von „Train of Hope“ verlangte hierzu, dass mit den Organisationen nicht immer nur Kontakt gesucht werden solle, wenn die Situation gerade besonders drastisch sei. Privatpersonen hätten außerdem monatelang auf zugesagte Mittel warten müssen. Anliegen aller NGOs ist es, den Flüchtlingen aus der Ukraine Zugang zu Sozial- und Familienbeihilfe zu ermöglichen.

Empörend ist für die NGOs, dass nicht nur in der EU insgesamt, sondern auch in Österreich sogenannte Pushbacks (Zurückweisungen von Migranten an der Grenze ohne Prüfung des Schutzbedarfs) systematischer Bestandteil der Politik geworden seien, wie Anne Schlack von Amnesty International anprangerte. Für Gahleitner-Gertz habe sich Österreich damit auch international in ein „Schmuddel-Eck“ manövriert.

„Verhaltensauffällige Personen in ÖVP stoppen“
Dass Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Verfahren dieser Art begrüße (offiziell sprach sich der Minister bereits gegen Pushbacks aus und erkannte auch deren Unrechtmäßigkeit an, Anm.), wurde am Montag ebenso verurteilt wie die Kritik aus der ÖVP an Urteilen wie jenem des EuGH zur Indexierung der Familienbeihilfe. Der ehemalige ÖVP-Abgeordnete Ferdinand Maier von „Menschen.Würde.Österreich“ sprach von „verhaltensauffälligen Personen“ in der Volkspartei und einem „Totalversagen“.

Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer sei gefordert, entsprechende Aussagen beispielsweise von Integrationsministerin Susanne Raab oder ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner zu stoppen.

Schauspieler: „Es kann nicht wahr sein, dass ein Land so agiert“
Schauspieler Cornelius Obonya erinnerte als Vertreter von „Courage - Mut zur Menschlichkeit“ an die historische Rolle Österreichs. 1938 habe es Länder gegeben, die aus Österreich Fliehende nicht aufgenommen hätten. Da gebe es gar keinen Unterschied zu heute: „Es kann nicht wahr sein, dass ein Land mit der Geschichte Österreichs so agiert.“ Maier erinnerte daran, dass nicht nur Menschen aus der Ukraine vor russischen Aggressionen flüchteten, sondern auch in Syrien. Dass hier unterschieden werde, sei nicht einzusehen.

Gefährliche Salamitaktik bei Verfahren in Ruanda
Klar abgelehnt wird von den NGOs übrigens auch die von Großbritannien geplante Außerlandesbringung von Flüchtlingen nach Ruanda, um deren Verfahren dort abzuwickeln. Hier werde eine „gefährliche Salamitaktik“ angewendet, wie Schlack von Amnesty International befand. Heute würden Flüchtlinge ihrer Rechte beraubt, als Nächstes seien vielleicht allgemein die Menschenrechte an der Reihe, meint sie.

Während Österreichs NGOs der Bundesregierung in Sachen Flüchtlingsbetreuung also ein desaströses Zeugnis ausstellten, ging nahezu zeitgleich auch der zuständige ÖVP-Innenminister vor die Presse. Karner rief dazu auf, sich gerade am Weltflüchtlingstag mit „diesen großen Herausforderungen auseinanderzusetzen“. Mehr als 70.000 Ausweise für kriegsvertriebene Menschen aus der Ukraine seien ausgestellt worden.

Karner: Schlepper nutzen Ukraine-Krieg für Werbung
Der Minister verwies allerdings einmal mehr auf die schmutzigen Geschäfte der Schlepper. „Sie locken Menschen unter Vorspiegelung völlig falscher Tatsachen in ihre Fänge und schleppen sie unter Lebensgefahr nach Europa“, so Karner. „Es wird mit einem Bleiberecht für Menschen aus Staaten geworben, wo keinerlei Bleibewahrscheinlichkeit besteht.“ Aktuell werde besonders die Ukraine-Krise als Vorwand für Staaten wie Afghanistan, Indien oder Tunesien hergenommen - weil es noch nie so leicht gewesen sei, nach Europa zu kommen.

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