Arena Open Air

Giant Rooks: Vermittler von Indie und Mainstream

Wien
22.04.2022 00:45

Das allererste Open-Air-Konzert der Wiener Arena war gleich rappelvoll. Donnerstagabend begeisterte die deutsche Popband Giant Rooks mit einer Mischung aus schönen Melodien, Sympathie und ausufernder Verspieltheit. Die Fans dankten es mit Tanz und Jubel - über die wiedergewonnene Freiheit und einen wundervollen Sommersaisonstart freuten sich alle Beteiligten.

Manchmal braucht es nur einen kleinen Funken, um einen massiven Flächenbrand zu entzünden. Donnerstagabend spielten in der Wiener Arena gleich mehrere Komponenten für einen erfolgreichen und enthusiastisch gefeierten Konzertabend zusammen. Wenige Tage zuvor fielen Maskenpflicht und Covid-Beschränkungen, es war das erste Open-Air einer an Open-Air-Events mehr als reichhaltigen Saison und - für die Location in der Wiener Baumgasse alles andere als üblich - das Wetter hat nach verregneten und kühlen Ostern alles gegeben, um den rund 3000 Fans vor ausverkauftem Haus das bestmögliche Drumherum zu bereiten. Die deutschen Durchstarter Giant Rooks bieten dazu noch den perfekten musikalischen Unterboden für einen makellosen Abend. Knapp zwei Jahre ist ihr gefeiertes Debütalbum „Rookery“ mittlerweile alt, zweimal musste die Wien-Show verschoben werden.

Gut eingespielt
Im dritten Anlauf spielt man dafür längst in einer eigenen Liga. Vor fast exakt fünf Jahren stellte sich das Pop-Quintett aus Hamm hierzulande erstmals im Wiener B72 vor, bis zum nächsten Treffen könnte sich bei fortlaufender Popularität schon die Stadthalle ausgehen. Arena im Freien ist aber sowieso viel schöner und gefällt auch Frontmann Frederik Rabe, der sich über die knapp 105 Minuten der Show mehrfach begeistert zeigt. Die Band ist nach einigen großen Hallenshows in ihrer Heimat sicht- und hörbar gut eingespielt, das Eröffnungstriple in Form von „The Birth Of Worlds“, „Heat Up“ und „100 mg“ rauscht so intensiv durch Körper und Seele, dass im Zuschauerraum noch nicht einmal Zeit für eine erste Kurzreflexion bleibt. „So eine Stimmung wie hier haben wir selten gesehen“, grinst Rabe kurz danach quer über das Gelände, das es ihm mit Jubelrufen und winkenden Händen dankt.

Klar, letzten Sommer gab es hier schon Joss Stone und andere Highlights, aber nun entsteht erstmals ein kollektives Gefühl der Leichtigkeit. Die furchtbaren Querelen dieser Welt werden für eine kurze Zeit ausgeblendet und die Giant Rooks zeigen sich als würdige Anführer dieser eskapistischen Zeremonie. Mit nur einem Album, aber vielen grandiosen Singles und Kooperationen mit Milky Chance, Kummer oder AnnenMayKantereit hat sich das preisgekrönte Alternative-Pop-Quartett nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern quer über den Globus zum Erfolg gespielt. Die Zutaten dafür sind so simpel wie schwierig: einwandfreies Englisch mit durchdachten Texten, ein untrügliches Gespür für große Melodien ohne dabei ins Käsige zu rutschen und die offensichtlich an Harry Styles erinnernde, juvenile Ausstrahlung des geborenen Frontmanns, der sich seinen Bubi-Charme über die Jahre erhalten hat und mit seiner variablen Stimme eine Vielzahl an Emotionen weckt.

Yin und Yang
Die Giant Rooks stehen für eine Art von Pop, wie sie in Deutschland nicht oft zu finden ist. Sie sind weit entfernt von kommerziell ausgerichteten Plattitüden á la Giesinger, Forster oder Bourani, versuchen sich nicht auf Biegen und Brechen an einer Generationsanbiederung wie ihre Freunde von AnnenMayKantereit und verheben sich nicht in einer belehrenden Intelligenzzurschaustellung, wie man sie jahrelang in der Hamburger Schule beobachten konnte. Rabe, Gitarrist Finn Schwieters und Co. gelingt der magische und gleichermaßen seltene Spagat, sich die Meriten in der Indie-Szene verdient zu haben und trotzdem ins Herz des Mainstreams zu treffen, der sich ansonsten lieber vom lieblos kuratierten Formatradio oder von schlecht zusammengestellten Spotify-Playlists beschallen lässt. Songs wie „Bright Lies“, das mit Pianoklängen eingeleitete „Misinterpretations“ oder „New Estate“ lassen die Grenzen verschwimmen. Alles wird eins. Yin plus Yang ist gleich Giant Rooks.

Das vornehmlich junge, aber durchaus diverse Publikum ist text- und tanzsicher. Der noch nicht ausgewachsene Rasen auf dem Arena-Areal wird schon sehr früh einem markanten Stresstest unterzogen. Gerade im Mittelteil des Konzerts feuern die Deutschen ihre schärfsten Waffen ab. Etwa mit dem an „Very Soon You’ll See“ gestoppelten Suzanne-Vega-Cover „Tom’s Diner“, mit dem man dank eines TikTok-Hypes seit einigen Wochen die US-Charts aufrollt. Oder mit einer ausgedehnten, elektronisch versetzten Langversion des fabelhaften „Nightingales Of The Walled City“, das in seiner Liebe und Leidenschaft zur Ausuferung Arcade Fire so nahe kommt wie sonst kaum ein Song aus dem deutschsprachigen Raum. Das wahlweise in Weiß, Rot oder Blau gehaltene Licht ist dabei noch der größte Showeffekt. Mehr Budget wurde für Gimmicks nicht ausgegeben. Eine goldrichtige Entscheidung. Rabes pure Bühnenpräsenz und die ohrwurmträchtigen Kompositionen reichen vorerst als Verkaufsargumente.

Ereignisreicher Sommer
„Morning Blue“ ist ein weiterer neuer Song, mit dem die Band eindrucksvoll beweist, dass es keine Grenzen nach oben gibt. Nur am Spannungsbogen sollte man künftig noch feilen. Das Piano dient eher als Untergrund für halsbrecherische Artistik („Mia & Keira“), dabei steht es Rabe besser zu Gesicht, wenn er den Zugabenteil darauf spielend solo mit dem sanften „All We Are“ beginnt und das begeisterte Publikum inkludiert. In ihren jungen Sturm-und-Drang-Jahren setzen Giant Rooks eben lieber auf die Show. Etwa dann, wenn eine 27 Bilder fassende Einwegkamera ins Publikum geworfen wird, das damit die Momente des Abends festhalten soll, die von der Band später auf den Social-Media-Kanälen geteilt wird. Die Giant Rooks beherrschen ihre Musik, die Bühne und die Interaktion mit den Fans. Vor allem haben sie die magischste und wichtigste Zutat für einen solch rasant ansteigenden Erfolg: das richtige Momentum. Damit geht’s im Mai auf US-Tour und dann bis Ende August quer durch Europa auf alle möglichen Festivals. Ihre österreichischen Fans werden sich aber noch lange an diesen besonderen Abend der wiedergewonnen Freiheit zurückerinnern.

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