„Bitte helfen Sie mir“ - mit diesen verzweifelten Worten hat sich ein damals zehnjähriges Kind im Vorjahr an den Bundespräsidenten gewandt. Es lebt seit knapp zwei Jahren mitten im Streit seiner Eltern um die Obsorge. Leider kein Einzelfall - und ein Schauplatz, an dem vor allem die Kinder leiden.
„Ich habe alles verloren, was mir wichtig ist und was ich lieb hab. Ich habe alles aufgeben müssen, weil keiner interessiert an mir ist.“ Wie verzweifelt muss ein Kind sein, das solch einen Brief schreibt? Die Eltern hatten nach der Trennung vor acht Jahren die gemeinsame Obsorge. Im Februar 2021 urteilte ein Gericht jedoch, dass das Kind allein bei der Mutter leben muss, nachdem sich das ehemalige Paar bei der Schulwahl nicht mehr einig war.
Mit Händen und Füßen gewehrt
Das Kind wehrte sich im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen dagegen, als es vom Jugendamt zur Mutter gebracht werden sollte, und drohte auch kurz damit, deshalb aus dem Fenster zu springen. Ein Gutachten sollte anschließend für das Gericht die Frage klären, wo das Kind in Zukunft leben soll. Binnen drei Monaten. Gedauert hat es neun, also dreimal so lange. Fazit: Das Kind soll wieder bei Mutter und Vater leben dürfen. Das Gericht will - 16 Monate nach der Kindesabnahme - noch immer keine Entscheidung treffen, sondern weitere Experten zurate ziehen. Und das, obwohl schon Dutzende Personen von verschiedenen Institutionen in den Fall involviert waren! Könnte man stattdessen nicht einfach auf den Buben hören und schauen, ob sich die Situation beruhigt?
Schauplatzwechsel zu einem anderen Obsorgestreit. Hier kämpfen Eltern seit zwei Jahren nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gegen Jugendamt und Gericht. Ersteres hatte dem Paar die Kinder abgenommen, weil die Mutter an einer psychischen Erkrankung leiden soll. Das hat kein Psychiater festgestellt, sondern Sozialarbeiter vom Jugendamt. Das Ehepaar verlor durch zwei Instanzen das Sorgerecht. Die Geschwister kamen getrennt (!) zu zwei Pflegefamilien.
Die Maßnahme der Entziehung der Obsorge ist nur im äußersten Fall gerechtfertigt.
Aus dem OGH-Beschluss
Dann sprach der Oberste Gerichtshof (OGH) ein Machtwort und rügte Erst- und Zweitgericht. Die Abnahme von Kindern dürfe nur als äußerste Maßnahme bei einer massiven Gefährdung erfolgen. Diese sei hier nicht ausreichend festzustellen. Das Verfahren wird nun wiederholt. Das Jugendamt hat bereits abgelehnt, den ohnehin stark beschränkten Besuchskontakt der Eltern auszudehnen. Außerdem sei eine Rückführung der Kinder nicht möglich, da sie sich bei den Pflegefamilien nach zwei Jahren eingelebt hätten.
Verfahren jahrelang verschleppt
Seit sechs Jahren kämpft ein weiterer Vater darum, seine Kinder regelmäßig sehen zu dürfen. Der Mann dürfte sich nie etwas zuschulden kommen haben lassen und finanziert das Leben seines Nachwuchses und seiner Ex-Frau großzügig. Letztere verhindert aber den Kontakt zwischen Vater und Kindern. Beim zuständigen Gericht ging das bisher durch. Bisher hat man quasi keinem einzigen Antrag des Vaters stattgegeben. Etwa auf ein gemeinsames Weihnachtsfest oder Wochenende mit den Kindern. Ganz im Gegenteil: Es wird nicht einmal dafür gesorgt, dass sich die Mutter an das aufrechte Kontakt- und Besuchsrecht hält. Der Vater hat seine Kinder seit vielen Monaten weder gesehen noch gehört.
Gericht parteiisch?
In diesem Fall sprechen sich zwar alle vom Gericht beigezogenen Experten von Jugendamt, Jugendgerichtshilfe etc. ausdrücklich dafür aus, dass die Kinder bei beiden Elternteilen leben sollen. Aber es ändert nichts. Vor Kurzem dann der Paukenschlag. Der zuständige Richter erklärte sich nach sechsjährigem Verfahren plötzlich für befangen. Mit welchen Konsequenzen, ist derzeit gar nicht absehbar. Der emotionale und finanzielle Schaden ist jedenfalls enorm. Die Kinder sind dem Vater entfremdet. Seine Anwalts- und Verfahrenskosten belaufen sich bisher auf rund 150.000 Euro. Und gegen einen beteiligten Anwalt wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet.
Bessere Rahmenbedingungen gefragt
Das Ohnmachtsgefühl der Betroffenen ist ob solcher Erfahrungen nachvollziehbar. Auch bei Gericht und Jugendamt sitzen nur Menschen. Der Bundespräsident kann in diesen Fällen nicht helfen. Er ist nicht zuständig. Das hat seine Kanzlei dem verzweifelten Kind aus dem ersten Fall mitgeteilt. Die Politik ist dennoch gefragt. Sie kann die Rahmenbedingungen schaffen, damit solche Verfahren immer rasch und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl verhandelt werden. Das wünschen sich auch Experten. Oder nimmt man weiterhin zerbrochene Kinderseelen als Kollateralschaden in Kauf?
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