Großes Interview

Stefanie Werger: „Lasse mir nichts mehr einreden“

Wien ist leiwand
09.04.2022 09:00

Stefanie Werger war neben Marianne Mendt jahrzehntelang das prägnanteste Aushängeschild weiblicher Popmusik aus Österreich. Nach 40 Jahren Solokarriere mit zahlreichen Aufs und Abs verkündet die Steirerin nun den Abschied von der Bühne. Die 71-Jährige geht noch einmal quer durch ganz Österreich auf Tour und präsentiert dabei auch ihr neues Album „Langsam wea i miad“. Der Abschied erfolgt aber nur live: mit einzelnen Songs oder weiteren Büchen kann man vorsichtig rechnen. Im großen Interview blicken wir gemeinsam mit der Künstlerin auf eine einzigartige Karriere zurück.

„Krone“: Frau Werger, unser Treffen liegt einem traurigen Anlass zugrunde, weil Sie sich 2022 endgültig von der Bühne verabschieden...
Stefanie Werger:
Das ist okay. Ich konnte meinen 70er letztes Jahr gar nicht feiern, weil ich krank war. Wir wollen aber nicht zu geriatrisch werden. Ich steckte in einem großen Tief, aber mein Mann Karl-Heinz war für mich da und hat mir geholfen. Da weiß man, was Liebe ist. Heute geht es mir wesentlich besser. Ich habe abgenommen, ohne dafür etwas getan zu haben. (lacht) Die letzten Konzerte schaffe ich auch noch. Auf der Bühne zu stehen ist wunderschön, aber das Drumherum ist hart. Jeden Tag ein anderes Hotelzimmer, die ganzen Fahrten, nebenbei noch Promotion machen. Da kann ich dann auch mal pampig werden, wenn es zu viel wird. (lacht)

Die Abschiedstour wäre ja zum Jubiläumsjahr 2021 geplant gewesen. Wann hatten Sie Ihre letzte Bandscheiben-OP?
Im März 2021. Nach der Reha am Jahresende ging es mir wesentlich besser, aber davor wären Auftritte nicht möglich gewesen. Ich muss Tabletten nehmen, aber es wird schon.

Wenn man etwas so groß plant und dann verschieben muss, geht das natürlich auch auf die Psyche.
Es war die erste und einzige Tour meines Lebens, die ich verschieben musste. Corona und die Lockdowns haben mich nicht so getroffen. Ich war sehr kreativ, weil es so herrlich ruhig war, habe viele Lieder geschrieben. Der erste Lockdown war noch magisch. Wenn man sich die Zahlen heute anschaut, war das im Vergleich dazu anfangs noch gar nichts.

Die Maßnahmen gegen das Virus werden von der Regierung schon seit geraumer Zeit nicht mehr ernst genommen. Sorgt Sie der derzeitige Umgang mit Corona?
Ich rücke auf der Bühne zurück, um mehr Abstand zum Publikum zu haben. Wenn einer hustet, muss ich nicht im Weg stehen. Man sieht mich aber sicher trotzdem noch. (lacht)

Für die steirische Pop-Historie sind es gerade harte Jahre. Zuerst hörten STS auf, dann die EAV und Opus, jetzt auch noch Sie...
Naja, wir sind alle in die Jahre gekommen. Mit 70 ist es auch an der Zeit, vor allem für eine Frau. Ich will keinen Mitleidsbonus, denn jetzt spiele ich noch vor vollen Häusern. Die Graz-Shows sind beide ausverkauft, Wien wird auch voll sein. Im Westen ist es etwas schwieriger, da spielen sie meine Songs nicht. Die haben „Kamasutra“ auf meinem neuen Album gesehen und die Prüderie hat überhandgenommen. (lacht)

Kreative Menschen gehen bekanntlich niemals in Pension.
Das stimmt auch, ich gehe nur in Bühnenpension. Es kann gut sein, dass ich irgendwann wieder ein Buch schreibe, aber der Abschied von der Bühne ist unumstößlich. Wenn man mit dem Kreuz schon so bedient ist, dann wird es Zeit zu gehen. Ich gehe wehmütig an die letzten Konzerte ran. Die Bühne ist der Flughafen meiner Seele. Ich fliege mit dem Publikum weg und komme wieder zurück - das ist meine Welt. Ich war immer ein fleißiges Mädel und habe für fast jedes Album zwei Touren gemacht. Im Herbst gibt es dann die allerletzten Shows.

Sie waren schon lange vor der Solokarriere musikalisch unterwegs, haben auch im Kabarett Ihr Glück gefunden.
Das war eine andere Welt. Da musste ich an Schlagern nachspielen, was die Leute hören wollten. Da hat die Musik nicht immer Freude bereitet, sie war mehr mein Handlanger.

Hat das für die eigene Karriere gestählt?
Man kriegt eine gewisse Routine. Ein bisschen Lampenfieber habe ich bis heute, wenn ich auf die Bühne gehe. Nach fünf bis zehn Minuten ist das aber erledigt.

Neben Marianne Mendt sind Sie seit jeher das prominenteste Beispiel für weibliche österreichische Populärmusik.
Ich habe mich damals schon durchgesetzt. Ich wusste immer, was ich wollte. Wenn ich ein Lied schreibe, höre ich im Hintergrund das Arrangement. Ich schreibe zuerst den Text und dann weiß ich, wie die Melodieführung ist. Was ich mir vorstelle, das will ich auf der Platte hören und da fährt die Eisenbahn drüber. Ich war aber auch immer dankbar für kreative Ideen, die von außen auf mich hereinprasselten.

Die finanzielle und unabhängige Freiheit ist mit den Jahren gestiegen. Ihr aktuelles Album „Langsam wea i miad“ entstand völlig eigenfinanziert.
Absolut, das war wundervoll. Keiner redet dir rein. Mir darf jeder reinreden, der von der Musik etwas versteht, aber so manche Plattenbosse tun nur so, als würden sie was verstehen. In Wahrheit habe ich immer allein entschieden, was ich machen will. Auf diesem Album ist es jetzt offiziell so. Es gibt schon Menschen in meinem Umfeld, auf die ich höre. Ob ich dann ihre Meinungen umsetze, ist eine andere Geschichte. (lacht) Stefan Friedberg habe ich sehr verehrt und auch Markus Spiegel war wichtig. Er war manchmal schwierig, aber die meiste Zeit lieb. Wenn man das weiß, dann kann man auch damit umgehen.

„Langsam wea i miad“ lässt sich natürlich vielseitig interpretieren. Der Titel kann auf Ihre Bühnenmüdigkeit ansprechen, auf Ihren allgemeinen Zustand oder auf die Lage der Welt…
Wenn es um die Lage der Welt geht, dann bin ich hundsmüde. Es ist so vieles so unvorstellbar. Ich habe Probleme mit den Schwurblern in Österreich. Es ist so verantwortungslos, auf Pflegerinnen loszugehen und sich so zu gebärden. Ich wusste gar nicht, dass es hier so viele Menschen gibt, die sich so verhalten. Das hat mich innerlich zerrissen. Mit dem Krieg habe ich natürlich auch Probleme. Klitschko sollte Putin zum Kampf herausfordern. Der präsentiert sich immer so sportiv und mit nacktem Oberkörper. Der Klitschko soll ihn einfach k.o. schlagen. (lacht) Andererseits ist es schön zu sehen, wie hilfsbereit die Österreicher gerade beim Krieg in der Ukraine sind.

Auf „Langsam wea i miad“ lassen sich nicht nur humorige Songs wie „Kamasutra“ entdecken, sondern auch viele mit gesellschafts- und umweltkritischem Touch.
„Vaterland“ zum Beispiel. Das ist sicher eines meiner wichtigsten Lieder. Ich kritisiere vor allem die Gier, denn sie macht weltweit so viel kaputt. Sie macht die Umwelt hin und bei mir daheim in Graz wird alles zugepflastert. Wenn es wo eine kleine Lücke mit etwas Grund gibt, bauen sie ein Hochhaus rein, damit ja kein Wasser abrinnt oder etwas Grünes gedeihen kann. Ich habe in Graz-St. Peter noch Glück gehabt. Da ist es ruhig, aber man sieht prinzipiell nur noch Kräne. Ich habe damals auch einen Beschwerdebrief an den ehemaligen Grazer Bürgermeister Nagl geschrieben.

Jetzt regiert in Graz die KPÖ. Vielleicht lässt sich die Bauwut dadurch etwas einbremsen?
Ich glaube nicht so recht daran. Es gibt zu viele Verträge und Zusagen, die einzuhalten sind. Auch das Umland wird komplett zugebaut und dann stehen Tausende Wohnungen in Graz leer, die nur Spekulationsobjekte sind. Altes wird nicht mehr renoviert. Man reißt immer gleich alles ab und baut neu. Jedes Gebäude schaut gleich aus. Da gibt es zwischen Graz und Wien keine Unterschiede.

Dem Klima tut das alles überhaupt nicht gut. Viele Leute überlegen, ob sie überhaupt noch Kinder in die Welt setzen sollen.
Die Erde hat Fieber, aber den Zweifel mit den Kindern hatte man schon immer. Schon vor 50 Jahren. Ich habe kein Kind und kenne die Lage nicht, aber man kann Kinder sicher nicht so gut schützen wie früher einmal.

„Stoak wie a Felsen“ war nicht nur Ihr größter Hit, sondern auch die perfekte Selbstbeschreibung. Sie waren zeit Ihres Lebens eine Rebellin oder wurden zumindest rebellisch wahrgenommen.
Ich habe auch andere Seiten. Wenn ich über das Alter rede, gebe ich das auch auf der Bühne preis. Natürlich war ich stark und habe durchgesetzt, was ich wollte, aber manchmal war ich auch unvernünftig. Man ist nicht frei von Fehlern und lernt im Leben immer dazu. Ich habe genauso meine Schwächen. Ich bin sensibel und nahe am Wasser gebaut. Außerdem romantisch, aber nicht kitschig. Das glaubt mir nur niemand. Wenn ich am Sonntagnachmittag einen Schnulzenfänger als Schlaffilm schaue, dann weine ich am Ende. Auch wenn es noch so ein Blödsinn ist. Karl-Heinz bringt mir dann ein „Zewa“ und grinst dann immer blöd. (lacht) Ich schaue mir gerne einen gepflegten Krimi an, wo man mitdenken muss oder Filme, wo die Handlung passiert sein könnte. Wird es zu brutal, schalte ich woanders hin. Offene Leichen brauche ich nicht.

Wurde Ihr Bild in der Öffentlichkeit falsch gezeichnet?
Manchmal vielleicht. Ich schäme mich aber nicht dafür, ein Sensibelchen zu sein. Betrifft oder berührt mich etwas sehr, dann kullern eben die Tränen. Sonst hätte ich so manche Ballade nicht schreiben können. Viele davon wurden unter den Tisch gekehrt. Alle glauben, ich kenne mich nur in Sachen Liebe aus und hätte nur Beziehungsballaden, aber das stimmt nicht. Schon ganz am Anfang hatte ich Lieder wie „Höher als die Drach’n steign“, das sich um Drogen drehte. Auf der Abschiedstour eröffne ich mit dem Lied „Asche zu Asche“. Das war eine Rocknummer, aber sie hat so nie funktioniert - jetzt ist sie eine Chanson-Nummer. Mit wenig Arrangement erzähle ich darin nackt, wen ich alles getötet habe und wie. (lacht) Die Gedanken sind ja frei. Ich kenne sehr viele Frauen, die viel schlucken müssen. Sie trauen sich nicht wegzugehen oder den Mann in die Wüste zu schicken. Das liegt oft an den Kindern, die noch im Haus sind, oder sie sind finanziell nicht unabhängig oder haben Angst.

Sie waren immer ein Vorbild für Frauen, die nach Stärke und Unabhängigkeit suchten.
Ich wollte ein bisschen das Rückgrat für Frauen sein, andererseits halte ich nichts vom Gendern. Das ist mir zu viel, eine Verschandelung der Sprache. Ich bin in Interviews oft ein bisschen grob, liebe aber eine schöne Sprache. Frauen sollen sich dann wichtig machen, wenn es darum geht, dass sie für die gleiche Leistung weniger Geld verdienen als Männer. Dafür sollen sie auf die Straße gehen und gesehen und gehört werden. Das muss man unbedingt sichtbar machen. Ich bin gut befreundet mit Maria Rauch-Kallat, aber ich halte nichts vom Gendern. Das vor einer Tournee zu sagen ist vielleicht unklug, aber es ist, wie es ist. Ich habe in meinen Büchern nie gegendert. Zumindest nicht mit dem Binnen-I. Das ist mir zu blöd und ich entschuldige mich auch nicht dafür. Wer meine Bücher so nicht lesen will, der soll es eben lassen.

In Ihrem Buch „Ich rauche“ haben Sie auch zu diesem Streitthema klar Stellung bezogen - und bei weitem nicht nur Applaus geerntet.
Wir Raucher werden geächtet. Man muss sich heute schon schämen, wenn man eine Zigarette raucht. Ich rauche nach wie vor mit Freude und Lust. Deshalb esse ich gerne beim „Plachutta“ auf der Terrasse.

Fehlt Ihnen in der heutigen Gesellschaft Meinungsstärke und das Gegen-den-Strom-Schwimmen?
Manche haben einfach keine Eier. Was spräche gegen gekennzeichnete Raucher- und Nichtraucherrestaurants? In größeren Städten wie Wien oder Graz könnte man das ja machen. Die Raucherabteilungen haben nichts geholfen, denn es könnte am Gang ja ein Duft durchdringen. Diese Hysterie war mir immer zuwider. Dann gehe ich halt nur mehr im Sommer weg, wenn es warm ist und ich draußen sitzen kann.

Die gesamte Gesellschaft wird rundum politisch immer korrekter. Fühlen Sie sich in dieser veränderten Welt wohl?
Ich bin keine Feministin. Ich bin eine, die Männer mag oder nicht mag - genauso wie Frauen. Man muss sich nicht alles ins Hirn drücken lassen, was andere als richtig erachten. Jeder soll es einfach so machen, wie er glaubt.

Hatten Sie manchmal einfach Lust an der Provokation?
Nein! Ich bin überhaupt nicht streitlustig, aber ich kann falsches Gehabe nicht leiden. Dafür habe ich einen siebenten Sinn, das fällt mir sofort auf. Ich bin bekannt dafür, dass ich immer das sage, was ich mir denke und meine. Anfangs musste ich dort und da auch noch kuschen, aber ich lasse mir heute nichts mehr einreden. Das ist das Schöne am Alter - man muss gar nichts mehr.

Mussten Sie als Frau in der Musiklandschaft nicht automatisch stark sein? Die Wege waren doch noch steiniger als es heute der Fall ist…
Man musste sich durchsetzen. Ich habe mit vielen Bands gespielt und manche haben mich irgendwo versteckt. Aber die Leute haben mich dann gesucht und wollten meine Lieder hören. Man brauchte schon einen gewissen Ärmel in dieser Szene, aber das hat sich gebessert. Früher hieß es, ich wäre böse und hätte Probleme mit anderen Musikern. Plötzlich gab es aber eine Band, mit der ich 20 Jahre zusammenspielte und auch meine jetzige Band spielt schon sehr lange mit mir. Die sind natürlich traurig, dass ich aufhöre, aber so ist es nun einmal. Die wissen aber auch, es gilt Paragraf 1. Ich bin der Chef. (lacht) Ich kehre ihn aber nicht raus. Ich liebe meine Musiker und lasse sie gerne spielen. Wenn einer ein Weltsolo abliefert, kriegt er fast ein Bussi von mir. Meine Jungs werden von mir schon auch gehätschelt.

Haben Sie sich mit Musikerkollegen wie Wolfgang Ambros oder Gert Steinbäcker besser verstanden, die selbst klare Ansichten und Meinungen zu diversen Dingen im Leben haben?
Steinbäcker hat sehr viel Ahnung von sehr vielen Dingen und mit Ambros habe ich mich eher in den letzten Jahren angefreundet. Ich bin für ihn eine Schwester im Geiste und wir telefonieren immer wieder. Auch Ewald Pfleger und Herwig Rüdisser von Opus mag ich sehr gerne und natürlich den Schiffkowitz. Ich war ja selbst mal bei Opus, aber beim Abschlusskonzert in der Grazer Oper war ich nicht. Vor meiner eigenen Tour fordere ich das Schicksal jetzt nicht heraus.

Was waren die wichtigsten Lektionen, die Sie über die Jahre gelernt haben?
Das zu tun, an was man glaubt. Man muss immer der bleiben, der man ist. Wenn du an was glaubst, dann bleib dran. Auch wenn manches nicht aufgeht und du Rückschläge einstecken musst. Besser als du trauerst vergebenen Möglichkeiten nach. Man darf sich nicht wiederholen und muss ständig an sich arbeiten. Es gibt schon ein paar Lieder von mir, die in die gleiche Kerbe schlagen, aber mir fallen immer noch welche ein, die ganz neue Themen behandeln.

Gibt es Lieder, die Sie heute nicht mehr so schreiben würden? Mit denen Sie sich nicht mehr identifizieren können?
Mittlerweile ja. Ich hätte Sachen anders arrangieren oder auch weglassen können. Ich schrieb in den 80ern das Lied „A grünes Manderl“ - furchtbar! Vielleicht hat es damals gepasst, aber so ein Lied würde ich heute nicht schreiben. Hätte ich nach 40 Jahren keine anderen Ideen, wäre es aber auch schade. Es war aber immer eine schöne Zeit und wird bis zum letzten Konzert so bleiben. Ich werde immer gerne daran zurückdenken.

Wird es auf der Abschlusstournee auch Gäste oder spezielle Programmpunkte geben?
Nein. Ich bin die Werger und die Leute kommen wegen mir. Ich hatte auch nie ein Vorprogramm, weil ich das immer als Abwertung gesehen habe. In München hatte ich mal eines und das hat nicht gut funktioniert. Ich brauche und will das nicht. Ich hätte schon gerne Künstler gefördert, aber es muss meinem Publikum gefallen, was ich präsentiere. Ich war aber immer so fleißig, dass ich das ganze Konzert allein getragen habe.

Wie stellt man nach 40 Jahren Solokarriere eine Setliste für die allerletzten Konzerte zusammen?
Die Titel für die Konzerte auszuwählen, war extrem schwer. Lieder wie „Hinter deinen Mauern“ bleiben auf der Strecke, obwohl ich sie so gerne gespielt hätte, aber es geht sich nicht alles aus. Ich hatte früher auch eine „Liebeslieder“-Tour, schon da war das Auswählen schwer. „I wü di g’spian“ war mein allererstes selbstgeschriebenes Lied und das kommt natürlich auch vor. Wenn ich das spiele, hörst du eine Stecknadel fallen. In der Urfassung hat niemand anderes mitgespielt und genau das wollen die Leute hören. Mit der beginnenden Arthrose spiele ich es so wie damals. Das Lied wurde nicht gleich was, als es rauskam. Der alte Grissemann hat es damals bei „Radio Wien“ gespielt, heute ist das nicht mehr der Fall. Meine Lieder waren nie in der Hitparade. Weder „Stoak wie a Felsen“, noch „I wü di g’spian“. „Sommer“ und „Flamenco Turistico“ gingen gut nach vorne. Ich war wirklich keine Hitparadenstürmerin, aber dafür war ich immer da.

Lange und beständig ein Thema zu sein ist doch besser, als mit einem Hit zu verpuffen.
Absolut richtig. Da bleibt am Ende auch mehr im Tascherl übrig. (lacht)

Welchen Einfluss haben Sie auf die österreichische Musiklandschaft?
2018 beim „Best Of Austria Meets Classic“ vor dem Schloss Schönbrunn waren alle Kollegen sehr freundlich und respektvoll. Vielleicht habe ich doch auch ein bisschen bewegt. Es gibt keine gute und schlechte Musik. Nur gut und schlecht gespielte Musik. Es ist immer eine Geschmacksfrage. Pizzera & Jaus mögen meine Texte und mir gefällt Mathea sehr gut. Conchita Wurst steht auch auf mich und sagt das jeden. Das ist ein großes Kompliment für mich. Ich habe keine Ahnung, wie die jungen Gruppen heute alle heißen. Ich merke mir keine Namen, aber ich kann sagen, was mir gefällt und was nicht oder was Potenzial hat. Würde ich alles wissen, hätte ich nur Hits geschrieben und das kann niemand. Wenn man dachte, man hätte einen Hit, dann ging es fix daneben.

Als ich „Wir brauchen Männer“ verfasste, dachten alle, ich hätte von Grönemeyer abgeschrieben. Der Text war aber geistreich und selbst geschrieben. „Die Wölfe ziehen sich zurück, die Schafe bleiben liegen“ ist eine Textzeile. Das gefällt mir heute noch, auch wenn es nie der große Hit wurde. Bei uns ging der Song ganz gut, in Deutschland haben sie lieber „Sehnsucht nach Florenz“ und die Dialektsongs gehört. Dort haben sie mich als Schlagerkünstlerin bezeichnet. Habt‘s mich gern, da war ich dann schon beleidigt.

Wir haben anfangs auch Ihre Bücher angeschnitten. Was gibt Ihnen das Schreiben, was Sie in der Musik nicht ausleben können?
Ein Buch zu schreiben ist eine einsame Arbeit, in der man aber wunderbar versinken kann. Musik wird gemeinsam erarbeitet und auch im Kollektiv aufgeführt. Ich mache nur ungern Lesungen. Lyrik und Lieder gemeinsam ist okay, aber nur lesen gefällt mir nicht. Bei der Abschlusstour lese ich aber nicht mehr, da erzähle ich nur mehr Geschichten.

Wird es nach der Livekarriere noch Alben und Bücher geben?
Alben eher nicht mehr. „Langsam wea i miad“ ist meine dreizehnte CD, das ist genug. Wenn mir ein Lied einfällt, dass ich unbedingt machen muss, dann werde ich es rausbringen, aber damit gehe ich dann nicht mehr auf die Bühne. Oder ich steuere einen Text für andere bei. Ich muss aber einen Bezug zu etwas haben, denn sonst kann ich für das Gegenüber nicht schreiben. Es gab Schlagersänger, die an mich herangetreten sind, damit ich was für sie schreibe. Ich hätte sehr viel Geld verdienen können, aber ich kann es einfach nicht. Wenn ich es nicht fühle, dann geht es nicht. Die beste Kritik, die ich über Modern Talking gelesen habe lautete: „Soeben ist das neue Album von Modern Talking das fünfte Mal erschienen.“ Einfach nur herrlich. (lacht)

Ihr aktuellstes Buch heißt „Als ich auszog, berühmt zu werden“. Welchen Stellenwert haben Ruhm und Rampenlicht in Ihrem Leben?
In der zehnjährigen Tingel-Zeit vor meiner Karriere wurde ich nicht berühmt, auch wenn ich das wollte. Es ging da mitunter auch nach Deutschland. Wir hatten viel Spaß, mussten aber immer spielen, was die Leute hören wollten. Songs, wie „Killing Me Softly“, „You’ve Got A Friend“ oder Janis Joplin, die ich spielen wollte, gingen nur nach Mitternacht, wo alle schon besoffen waren. Das haben wir dann für uns selbst gespielt. In diesem Rahmen wird man nicht berühmt. Ich spielte anfangs mit drei Jungs in einem Kuhstall. Am Schluss wurde ich zur Solokünstlerin und es ging sich doch noch aus.

Wie sehr werden Sie den Applaus vermissen?
Das ist so schön, dass es mir oft schon peinlich ist. (lacht) Ich liebe Applaus. Ich möchte mich mit Würde und Respekt von meinem Publikum verabschieden. Es hat mich zig Jahre begleitet. Viele sind schon gestorben, aber ich habe während meinen vier Kabarettprogrammen samt Musik auch junge Fans dazugewonnen. Die Programme waren alle voll und kamen sehr gut an. Diese jüngeren Menschen sind mir heute geblieben. Sie haben mich alle über die Plattensammlungen ihrer Eltern entdeckt. Die 40 Jahre waren eine schöne Zeit. Die zehn Jahre davor vielleicht nicht so. Ich hatte kein richtiges Zuhause, war alle 14 Tage woanders. Du kannst in dieser Zeit keine echten Freundschaften knüpfen und Beziehungen führen. Irgendwann sehnt man sich nach einer eigenen Wohnung, aber die hat keinen Sinn, weil man wieder weg muss. Irgendjemand sagte mir mal, wenn man das zehn Jahre lang machen würde, hätte man entweder einen Vollhuscher, oder man ginge im Suff unter. Nach zehn Jahren war dann zu meinem Glück Schluss. Ich überlegte schon, ob ich wieder Musiklehrerin werden würde, aber es hat sich dann mit viel Glück alles gut ergeben.

Auch Glück muss man sich erst einmal erarbeiten.
Man muss immer etwas tun, sich daran festhalten und darf nicht nachlassen. Ich bin sehr langsam raufgegangen und nicht gleich explodiert. Ich bekam als Frau zwar große Aufmerksamkeit, aber es ging gemächlich bergauf. Dann kam irgendwann der Höhepunkt und dann ging es gemächlich bergab. Das passt schon so.

Haben sich über die Jahre im Musikgeschäft echte Freundschaften entwickelt?
Durchaus. Mein Gitarrist ist mein bester Freund. Auf ihn kann ich mich zu 100 Prozent verlassen. Es gibt einige, die ich sehr gerne mag und auf die ich mich immer freue. Die meisten leben in Wien und seit ich nach Graz gezogen bin, hat sich das Ganze ein bisschen verlaufen. Eine gute Freundschaft hängt nicht davon ab, wie oft man sich sieht. Ich habe eine Freundin in München, die ich maximal einmal im Jahr sehe, aber wir reden immer so miteinander, als wäre es erst gestern gewesen. Es gibt auch Zeiten, wo man sich von Freunden trennt und dann draufkommt, dass die gar nicht so freundlich waren. Das nennt man dann ausmisten. (lacht)

Was würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich als Ratschlag mitgeben mit all dem Wissen und der Erfahrung aus 50 Jahren Karriere im Musikgeschäft?
Mach alles genauso, wie du es machen willst. Es ist ein Blödsinn, vor Fehlern zu warnen, denn dabei lernt man nichts. Man muss ein paar Mal auf die Gosch’n fallen, um sich zu entwickeln.

Was werden Sie in der Bühnenpension alles machen?
Das weiß ich noch nicht. Alles das, was mir Spaß macht. Ich lasse alles auf mich zukommen. Ich habe auch keine Ideen für ein nächstes Buch. Hätte ich sie, würde ich sie nicht verraten. Nach den Konzerten werde ich ein bisschen relaxen und dann schauen wir weiter. Auf die Bühne gehe ich aber nie mehr. Das ist definitiv ein Abschied und ein Ende. Schluss mit Kuss.

Abschiedstour durch Österreich
2022 müssen wir uns von Stefanie Werger auf der Bühne verabschieden - definitiv. Mit einem Jahr Verspätung geht es samt neuem Album „Langsam wea i miad“ und allen großen Hits aber noch einmal quer durch Österreich. So spielt sie u.a. am 8. Mai im Villacher Congress, am 13. & 14. Mai im Grazer Orpheum, am 2. Juni im St. Pöltner VAZ, am 3. Juni im Wiener Konzerthaus und am 1. September in Wiesen ein großes Open-Air mit Boris Bukowski. Am 28. und 29. Oktober noch einmal im Grazer Orpheum sind die allerletzten Live-Termine geplant. Unter www.stefaniewerger.at und www.oeticket.com gibt es alle Termine, die Karten und alle genauen Infos zu den letzten Live-Shows der Austropop-Ikone.

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