Im Namen des Vaters

Brad Pitt und Sean Penn brillieren in “The Tree of Life”

Kino
14.06.2011 15:13
Terrence Malicks "The Tree of Life" ist ein bildgewaltiges Monumentalwerk über Menschwerdung und Menschsein, das die Symbolik des Lebensbaumes in sich trägt. Brad Pitt spielt darin einen von verstörender Härte geprägten Vater, der seine Liebe mit unnachgiebiger Strenge kaschiert. Der Film wurde mit der Goldenen Palme in Cannes prämiert.

Tage mit heller Stirn. Sonnenlicht, das durch schattiges Eichenlaub fällt und seine luftigen Bilder auf Steine malt, geflüsterte Worte. Eine rothaarige Frau im Gegenlicht - Alabasterhaut und ein sanftes Lächeln, der Wind spielt mit ihrem Kleid. Drei Buben toben herum. Trügerisch unbeschwerte Kinderfreiheit, unterlegt von der US-amerikanischen Vorortidylle einer texanischen Kleinstadt in den 50er-Jahren.

Hier lebt die Familie O'Brien mit ihren drei Söhnen. Während der Vater - Brad Pitt -, ein Ingenieur, die Buben mit besonderer Härte erzieht, versucht die Mutter - Jessica Chastain - mit liebevoller Zärtlichkeit dagegenzuhalten. Eine Diskrepanz, die immer wieder zu heftigen Disputen zwischen den Eheleuten führt, unter denen besonders der 11-jährige Jack (großartig: Hunter McCracken) leidet.

Sean Penn als Brad Pitts Sohn
Der extrem sensible Knabe scheint alles durch seine unschuldige Kinderseele hindurch zu filtern. Wie in einem feinen Haarsieb bleiben Ängste, Verletzungen und Unausgesprochenes in seinem Gemüt hängen - auf ewig. Denn auch später, als Erwachsener, wird sich Jack - nun von Sean Penn gespielt - seltsam entwurzelt fühlen, ein moderner Nomade, auf der Suche nach Antworten sein Dasein betreffend zwischen den kalten Glastürmen amerikanischen Größenwahns. Die innere Verlorenheit treibt ihn in die Wüste.

Der telegraphisch übermittelte Tod von einem der Söhne wird zur dramatischen Zäsur für die Familie O'Brien, die auseinanderdriftet. Es ist dies der Moment, da Regisseur Terrence Malick die großen Fragen des Lebens stellt, jene nach einer göttlichen Macht und vermissten Gnade - und jene nach der Grausamkeit der Natur. Und dann fluten auf einmal ekstatische Farben und Choräle die Leinwand und Wahrnehmung. Explodierende Sonnen, eruptierende Geysire und Vulkane, galaktischer Milchstraßenschimmer und mutierende Mikroben, Vogelschwärme und tosende Wasserfälle, Riesenquallen, Haie - und digitale Dinosaurier.

Bildersturm purer Schönheit
Eine fantastische tranceartige Evolutionsgeschichte, ein Bildersturm von unreflektierter purer Schönheit, der einen staunend in den Kinosessel drückt, die Drähte der eigenen Phantasie weiß glühend macht - und den Bogen von der Weltenerschaffung zur Menschwerdung schlägt, und von dort zum Menschsein: Dann nämlich, wenn die Psychologie der fragmentarisch erzählten Familiengeschichte greift und Brad Pitt in der Rolle des Vaters O'Brien zusammenbricht, seine Irrwege einsieht. Seine berührende Einsicht: Verhärtet von ungelebten Träumen, habe er all die Schönheit um sich herum missachtet, ja durch seine Ignoranz entehrt.

Wer die philosophische Message von Terrence Malicks visuell brodelnder Ursuppe, in die wir ja alle seit Anbeginn hineingeworfen sind, auf sich wirken lässt, wird erkennen, dass Demut die Optik schärft. Brad Pitt, der diesen Film mit einer großartigen schauspielerischen Leistung adelt und seine innere Vergletscherung als Vater und Mann, der nie der sein durfte, der er sein wollte, verstörend spürbar macht, hat für sich selbst und seine ganz private Rasselbande sein Patentrezept als "brauchbarer Daddy" gefunden.

Brad Pitt: "Eine Großfamilie wie Angie und ich sie haben, kann nur mit sehr viel Nachsicht 'befehligt' werden. Und Strenge ist ja immer auch ein Zeichen von Hilflosigkeit." "The Tree of Life" ist eine spirituelle Parabel auf das Geschenk unseres Daseins. Das Laub des Lebensbaumes, das sind wir.

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