Bald live in Wien

Ghost: Beide Augen fest auf die Stadien gerichtet

Wien
10.03.2022 06:00

Mit eineinhalb Jahren Verspätung erscheint diesen Freitag „Impera“, das lang erwartete fünfte Studioalbum der schwedischen Top-Rocker Ghost. Tobias Forge und Co. tauchen dabei nicht nur tief in Wohl und Wehe von Imperien, sondern auch den 80er-Rock an. Dem großen Ziel, eine Stadionband zu werden, kommt man damit immer näher. Zudem passt auch die musikalische Qualität.

Schon kurios, wie prophetisch die schwedische Hit-Maschinerie Ghost sich zu inszenieren weiß. Auf dem 2018er Durchbruchsalbum „Prequelle“ ging es um eine große Plage und kurz darauf kam Covid um die Ecke. Das neue Album „Impera“ dreht sich um den Aufstieg und Fall unterschiedlicher Imperien und jetzt… eh schon wissen. Das Timing könnte jedenfalls nicht besser sein, auch wenn Frontmann Tobias Forge zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch nichts vom grausamen Ukraine-Krieg wissen konnte. „Weltreiche werden gebaut und fallen immer irgendwann in sich ein. Das hat mit Glauben, Versprechungen, Lügen, Gier, Heuchelei und dem puren Bösen zu tun. Wir lenken das Licht auf die kleine Person, die in einem Imperium lebt und dort klarkommen muss. Wie sieht ihr Kampf dort aus?“ Ursprünglich hätte das fünfte Album der Rockband schon im Herbst 2020 erscheinen sollen, aber die unfreiwillige Pause gab Forge und seinen anonymen Mitstreitern mehr Zeit, sich mit Wohl und Wehe ihres Werks auseinanderzusetzen.

Den Großen sehr nahe
Der letzten Herbst zum Horrorfilm „Halloween Kills“ vorab ausgekoppelte Song „Hunter’s Moon“ hat schon sanft angedeutet, wo die gleichermaßen gefeierte wie kritisierte Band hinschreiten könnte. Sehr viel Melodie, ein gewohnt ohrwurmtauglicher Refrain und ein untrüglicher 80er-Spirit, wie er in der Musikwelt derzeit gang und gäbe ist. Aber nicht die Synthie-basierten Kirmestechno-80er, wie sie etwa The Weeknd wieder für eine neue Generation aus dem Untergrund buddelt, sondern die erhabenen Rock-80er, die damals Arenen füllten und Löwenmähnenträger zu den Sexsymbolen einer hedonistischen Gegenwart machten. Pop und Rock vermischen sich auf „Impera“ so stringent, wie man es bei den großen und oft sträflich unterschätzten AOR-Bands der goldenen Vergangenheit gesehen und gehört hat. Genau diese Nähe zu den Stadionbands lässt „Impera“ so unwiderstehlich hell erstrahlen, denn die Liebe zum Sound von Def Leppard, Journey, Europe und Co. hört man fast allen Songs heraus.

So erstrahlt die Single „Kaisarion“ anfangs etwa mit einem Sum-41-Pop-Punk-Lick, verwandelt sich dann aber in eine erhabene Rockscheibe. „Griftwood“ könnte direkt Whitesnakes „1987“ oder Def Leppards „Hysteria“ entlehnt sein, die Power-Ballade „Darkness At The Heart Of My Love“ erinnert lose an den Ghost-Klassiker „He Is“ und bewegt sich in erhabenen Gefilden, die auch den bislang letzten 80er-Nachkommen The Darkness vor knapp 20 Jahren nicht fremd waren. Auch „Call Me Little Sunshine“ verhehlt nicht die untrügliche Liebe zum Rock-Bombast. „Wir haben bewusst sehr stark auf Gitarren und das Schlagzeug gesetzt“, erklärt Mastermind Forge. Das verwundert nicht, denn wenn man die Kostüme und das stehts massiver werdende Bühnenbild mit „Impera“ verbindet, dann kann der nächste Schritt nur Richtung Stadion führen. Apropos Whitesnake: der Closer „Respite On The Spitalfields“ klingt phasenweise so stark nach „Still Of The Night“, dass man als Ungeübter schon ganz genau hinhören muss, um die Unterschiede zu erkennen.

Stringent den Weg gehen
Dass wir in diesen Tagen kein richtiges Rock-Revival erleben, kann Ghost egal sein. Wer, wenn nicht Forge aka Papa Emeritus selbst kann ein solches Comeback denn überhaupt erst forcieren? In einem Zeitalter, wo die Stadion-Headliner genauso wegsterben wie innovative und junge Gitarrenbands, sind Ghost ein gleißend leuchtender Stern am gar nicht einmal so hellen Firmament. Dass die Band dafür seit Jahren an „Edgyness“ (was auch immer damit gemeint ist) einbüßt und bei den True-Metal-Hörern auf kollektive Ungnade stößt, nimmt der Bandkopf lächelnd zur Kenntnis. Vor allem in Amerika lieben sie den geschminkt-kostümierten Mummenschanz der Skandinavier und hierzulande schaffen es Ghost sogar erstmals in die Wiener Stadthalle. Dass ein Stadion gut schmecken kann, das hat Forge vor Covid als Support von Metallica quer über den alten Kontinent schon kosten können. Aber man will natürlich selbst die Hauptattraktion sein und nicht schon bei Tageslicht die Bühne entern.

Für den dicken Soundanstrich bedarf es natürlich des passenden Personals. Co-Producer Klas Åhlund hat sich schon mit den Pop-Größen Katy Perry und Robyn bewiesen und zuckert das nur optisch wilde Treiben mit seinen Fähigkeiten ordentlich auf. Aber Ghost wären nicht Ghost, würden sie nicht doch noch an ihren alten Wurzeln festhalten. „Twenties“ ist ein brettharter Prog-Rock-Stampfer, der sich irgendwo zwischen Dream Theater, Savatage und den ganz frühen Death-Metal-Anfängen von Forge bewegt. Beim ersten Durchlauf fühlt sich der Song noch als Fremdkörper, wie immer muss man ein Ghost-Album aber mehrfach und genauer hören, um die allumfassende Stringenz der einzelnen Klangkapitel als Ganzes erfassen zu können. Die dicken Gitarrensoli stammen von Opeth-Klampfer Fredrik Åkesson, in Fachkreisen auch als Könner seiner Zunft bekannt.


Forges Plan mit Ghost mag keinesfalls ein demokratischer sein, aber seine Visionen waren schon immer zukunftsgerichtet. Dass die Pandemie ihn von seinen Vorhaben abbrachte, ist nicht so schlimm. „Impera“ ist ein schöner Beweis dafür, dass etwas Abstand und Ruhe nur noch mehr Kreativkräfte bündeln. „Ich will immer mehr als das, was man dann auf der Bühne sieht, aber die Umstände lassen das nicht immer zu“, so Forge, „es wird immer eine lange Liste von Dingen geben, die ich auf Tour zeigen möchte. Wenn wir mit jeder Tour näher an diese Ziele kommen, dann bin ich ganz zufrieden. Das motiviert mich, aber es braucht alles seine Zeit.“ Auf „Impera“ sind Ghost sich selbst möglicherweise so nah wie seit dem Debüt nicht mehr. Das Songwriting und die gesamte Zusammenstellung der Tracks wirkt so, als hätte man die letzten beiden Alben als Unterbau für den nächsten großen Schritt benötigt. Ghost sind langsam bereit für die Stadien, ohne die eigene Identität verkauft zu haben. Genau dafür brauchte es diese kongruente, jahrelange Entwicklung.

Live in Wien
Am 11. Mai kommen Ghost zu ihrer bislang größten Show in die Wiener Stadthalle. Unter www.oeticket.com gibt es Karten und alle weiteren Infos zum Rock-/Metal-Highlight des Jahres. Als Vorbands funktieren Uncle Acid And The Deadbeats und die Doo-Wop-Gruppe Twin Temple.

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