Ehlers-Danlos-Syndrom

„Ich muss viel auf meinen Körper hören“

Patientenberichte
06.02.2022 05:00

Katharina Sigl leidet seit über 20 Jahren am „Ehlers-Danlos-Syndrom“. Mit viel Disziplin hat sie ihre seltene Erkrankung im Griff. Seit der Gründung einer Selbsthilfegruppe unterstützt sie auch andere Betroffene.

Ständige Bauchschmerzen, Schwindel, Ohnmachtsanfälle, extreme Erschöpfung und Konzentrationsstörungen quälten Katharina Sigl aus Linz seit Teenagertagen. Mehr als 20 Jahre wurden ihre Beschwerden mit den Worten „Das ist psychosomatisch“ abgestempelt. Der Hauptgrund: Das Leiden zählt zu den „seltenen Erkrankungen“, kaum jemand kennt es. Nur etwa eine Person von 5000 ist betroffen. Im Jahr 2015 brach sie schließlich zusammen. „Mein Bauchweh war so extrem stark geworden. Ich konnte einfach nicht mehr“, erinnert sich die heutige Ordinationsassistentin. Eine endoskopische Untersuchung zeigte, dass ihr Magen und Darm sehr weich waren sowie die Organe kaum Halt fanden und verrutschten. Zum Glück hatte der damalige Chirurg schon einmal etwas vom „Ehlers-Danlos-Syndrom“ gehört und zu weiterer Abklärung geraten.

Gefährliche Bindegewebserkrankung
Das „Ehlers-Danlos-Syndrom“ (EDS) bezeichnet eine Gruppe von Bindegewebserkrankungen. Die 13 Unterformen beruhen auf einer gestörten Bildung des Proteins Kollagen, aus dem der Körper großteils aufgebaut ist. Die wichtigsten sichtbaren Erkennungsmerkmale sind eine Überdehnbarkeit der Haut und überbewegliche Gelenke. Betroffen sind jedoch auch Gefäße, Muskeln, Bänder, Sehnen und innere Organe. Manche Formen des EDS können aufgrund des schwachen Bindegewebes sogar tödlich verlaufen, beispielsweise durch den spontanen Riss eines inneren Organs. „Bei mir stellte sich heraus, dass ich den hypermobilen Typ habe, der nicht genetisch nachweisbar ist und nur anhand bestimmter Symptome festgestellt werden kann“, erklärt die Hobby-Sportlerin.

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Ich vergleiche meinen Körper immer mit einem Haus, das ein Leben lang renoviert werden muss. Und man kann nun einmal kein stabiles Zuhause auf einem instabilen Gerüst errichten.

Katharina Sigl, Leiterin Selbsthilfegruppe Ehlers-Danlos-Syndrom Linz

„Ich vergleiche meinen Körper immer mit einem Haus, das ein Leben lang renoviert werden muss. Und man kann nun einmal kein stabiles Zuhause auf einem instabilen Gerüst errichten. Denn durch diese immense Weichheit laufen viele Funktionen im Körper nicht richtig ab. Das führt zu Problemen. Leider landen einige im Rollstuhl oder sterben daran.“ Zurück zur Diagnosefindung: Die heute 40-Jährige freute sich anfänglich darüber: „Endlich war klar, dass ich mir das alles nicht einbilde.“ Rasch folgte aber Ernüchterung. Sie fragte sich: „An wen kann ich mich wenden? Es gibt ja kaum Betroffene und Ärzte, die sich damit auskennen.“ Ab diesem Moment hat sie begonnen, sich selbst zu informieren und ein Netzwerk an Ärzten aufzubauen. „Ich habe mir für jedes körperliche Problem einen Facharzt gesucht. Dieser musste meine Erkrankung zwar nicht kennen, aber den Willen haben, mich damit auf meinem weiteren Lebensweg zu begleiten.“

Das sind keine Hypochonder!

Die EDS-Diagnose stellt eine besondere Herausforderung für die medizinische Genetik dar. Es werden derzeit 13 verschiedene Subtypen unterschieden, jedoch können nur 12 davon molekulargenetisch bestätigt werden. Für den wohl mit Abstand häufigsten Typ, das „hypermobile EDS (hEDS)“, ist leider noch keine ursächliche Genveränderung bekannt. Daher kann die Genetik vielen Betroffenen lediglich eine klinische Diagnosestellung anbieten und keinen bestätigenden genetischen Befund. Aber auch die klinische Diagnose „hEDS“ ist wichtig, um den unter vielfältigen Beschwerden im Zusammenhang mit einer Schwäche des Bindegewebes leidenden Patienten zu helfen, die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Ohne eine solche klare Diagnose besteht für die Ratsuchenden die Gefahr, zusätzlich zu den erlebten schmerzhaften Einschränkungen als Simulant oder Hypochonder verunglimpft zu werden - weitere Risiken für Seele und Leib.

Priv.-Doz. Dr. med. Herbert Juch, Institut für Zellbiologie, Histologie und Embryologie sowie Diagnostik- und Forschungsinstitut für Humangenetik, MedUni Graz

Gründung einer Selbsthilfegruppe
Der Schritt zur Gründung einer Selbsthilfegruppe im Jahr 2018 war dadurch nicht mehr weit. Außerdem gab es auch ein Versprechen an sie selber: „Bevor ich die Diagnose bekommen hatte, war ich so verzweifelt, dass ich oft weinend am Boden gelegen bin. Damals habe ich mir geschworen, anderen zu helfen, wenn ich jemals wieder in ein normales Leben zurückfinde“, erzählt die tapfere Linzerin. Wie lebt Katharina Sigl heute mit ihren Beschwerden? Was hilft ihr? „In der Früh betrachte ich meinen Ist-Zustand. Denn ich habe gelernt, auf meinen Organismus zu hören. Ich richte meinen ganzen Alltag so aus, dass mein Körper mithalten kann. Geht es mir schlecht, erledige ich nur das Notwendigste.“ Sie achtet sehr auf ihre Ernährung, setzt auf Bewegung, mentales Training und sanfte Therapien (wie Osteopathie). Ihr größtes Hobby ist Schwimmen: „Auf diese Weise werden meine Schmerzen am besten gelindert“, erzählt die Oberösterreicherin.

„Ich liebe auch Mountainbiken, weil ich mich dabei so sehr auf mein Handeln konzentrieren muss, dass es mich von jedem Unwohlsein ablenkt. Ich habe dadurch auch gelernt, mich zu fokussieren und Balance zu üben. Was sehr wichtig ist, wenn Gelenke und Organe nicht zusammenhalten, aber dennoch stets im Gleichgewicht bleiben sollten.“

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