Vergewaltigte Frau

“Heldin der Revolution” gelingt Flucht aus Libyen

Ausland
09.05.2011 13:34
Die Truppen von Machthaber Muammar al-Gadafi bekämpfen die libysche Revolution mit kriegsverbrecherischen Mitteln, dazu gehören neben heimtückischen Waffen auch Vergewaltigungen. Dass diese Geschehnisse überhaupt bekannt werden, ist auch Iman al-Obaidi zu verdanken. Nach zwei Tagen in den Händen von Gadafi-Söldnern stürmte sie am 26. März verzweifelt und geschunden in ein von Reportern bewohntes Hotel in Tripolis und brüllte das Erlebte in die Kameras. Sechs Wochen nach ihrem "Tabu-Bruch" gelang ihr jetzt die Flucht.

Die Fotos der weinenden und schreienden Frau gingen um die Welt. Zwei Tage lang war die aus der östlichen Rebellenstadt Tobruk stammende, in Tripolis Jus studierende 29-Jährige in den Händen von Gadafi-Söldnern. Nach einer Kontrolle an einem Checkpoint war sie von den Männern verschleppt worden. Insgesamt 15 Soldaten hätten sie verprügelt und in der Gruppe vergewaltigt.

Was sie in der Lobby des Rixos-Hotels in Tripolis den Reportern entgegenbrüllte, ließ diesen das Blut in den Adern gefrieren: Man habe ihr Alkohol in die Augen geschüttet, einer der Soldaten habe sie mit dem Lauf seines Sturmgewehrs penetriert. Augenzeugen bestätigten, dass al-Obaidi Blutergüsse und Schrammen im Gesicht hatte, Fesselspuren an den Händen, und ihre Kleider seien in der Region der Hüfte und Oberschenkel blutbefleckt gewesen.

Wochen im "Großgefängnis Tripolis"
Das libysche Regime wollte an der jungen Frau ein Exempel statuieren. Noch bevor sie mit Reportern sprechen konnte, wurde al-Obaida aus der Hotel-Lobby eskortiert und für drei weitere Tage von den libyschen Behörden für Befragungen festgehalten. Ohne Pass und inner-libysche Reiseerlaubnis ließ man sie frei, begleitet von einem Statement des Regierungssprechers Moussa Ibrahim: Iman Al-Obaida sei eine geistig verwirrte Frau, sie habe als Prostituierte gearbeitet und ihre Anschuldigungen gegen die Sicherheitskräfte seien Lügen. Statt eine Untersuchung der Vorwürfe einzuleiten, kündigte der Sprecher an, die Soldaten würden al-Obaida verklagen.

Reportern des US-Fernsehsenders CNN gelang es Anfang April, ein Interview mit al-Obaida zu bekommen. Sie konnte Tripolis auch Wochen nach ihre Martyrium noch nicht verlassen, in der Gadafi-Hochburg ("Tripolis ist ein riesiges Gefängnis") lebe sie in Angst und werde ständig attackiert. "Jedes Mal, wenn ich den Kontrolloren meinen Personalausweis herzeigen muss, werde ich angefeindet. Sie erinnern sich daran, wer ich bin und dass ich die Vorwürfe gegen Gadafis Leute vorgebracht habe. Dann beschimpfen und erniedrigen sie mich, bis andere Leute darauf aufmerksam werden und sagen, dass man in Libyen keine Frau so behandeln dürfe", schilderte al-Obaidi. Die libysche Regierung hatte zwischenzeitlich ihre Ansichten geändert und gegenüber westlichen Medien Ermittlungen bezüglich der Vorwürfe al-Obaidis angekündigt. Passiert ist nichts.

Vergewaltigungen als Teil der Kriegsführung
Dass sie öffentlich über ihr Martyrium sprach, hat der 29-jährigen angehenden Rechtsanwältin bei den Rebellen den Titel "Heldin der Revolution" eingebracht. In der libyschen Gesellschaft betrachtet man bei Vergewaltigungen meist die Opfer als Schuldige, die dann ausgegrenzt werden. Al-Obaidi brach somit ein großes Tabu - und ihr folgten offenbar auch andere nach, sodass aus Einzelfällen allmählich ein System erkennbar wurde. Nämlich, dass die Gadafi-Truppen Vergewaltigungen von Gegnerfrauen gezielt als Mittel der Kriegsführung einsetzen, wie es in Dutzenden anderen Kriegen, Bürgerkriegen und bei ethnischen Säuberungen schon vorkam.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, forderte im April ein internationales Vorgehen gegen diese Kriegsverbrechen des libyschen Regimes. Sie habe aus sicheren Quellen erfahren, dass Gadafis Söldner sogar mit Viagra versorgt würden, damit sie Frauen vergewaltigen könnten.

Den Militärs des libyschen Diktators wird derzeit mehrfach illegale Kriegsführung vorgeworfen. Hubschrauber mit Markierungen des Roten Kreuzes warfen am Wochenende Minen im Hafen der Rebellenstadt Misrata ab, mit eigentlich in der Landwirtschaft eingesetzten "Kartoffelfliegern" bombardierten Gadafi-Truppen unter Missachtung des Flugverbots erfolgreich das letzte Treibstofflager in Misrata. Die langsamen, aber dafür überaus wendigen Flieger stellen eine Herausforderung für die NATO-Abfangjäger dar. Zudem setzt Gadafi seit geraumer Zeit international geächtete Streubomben gegen die Rebellen ein. Verhältnismäßig kleine, aber heimtückische Sprengsätze aus chinesischer Produktion wurden in den letzten Tagen gegen Zivilisten in Misrata eingesetzt.

Überlaufender Offizier verhalf al-Obaidi zur Flucht
Iman Al-Obaidi ist diesen Gefahren einstweilen entkommen. Dank eines überlaufenden Militäroffiziers entkam sie am Wochenende aus Tripolis und erreichte die Grenze nach Tunesien, wo sie von europäischen Diplomaten nach Tunis gebracht wurde. Der Offizier nahm al-Obaidi mit seiner Familie im Auto mit, durch die Checkpoints kamen sie ohne detailliertere Ausweiskontrollen dank der Identifikationskarte des Soldaten. Der Mann setzte für die 29-Jährige sein Leben und das seiner Familie aufs Spiel.

Gegenüber CNN sagte al-Obaidi am Sonntag, sie fürchte nach wie vor um ihr Leben und habe Angst, es könnte ihr jemand gefolgt sein. Sie hoffe, dass ihr ein westliches Land Schutz gewährt, inzwischen habe sie aber auch Verwandte in Ägypten benachrichtigt. Ihre Familie in Tobruk würde sie auch gerne sehen, heißt es in dem Bericht. "Ich weiß noch nicht, was jetzt passieren wird."

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