„Krone“-Roundtable

„Die feministische Arbeit trägt langsam Früchte“

Wien ist leiwand
07.01.2022 12:00

Pippa Galli, Yasmo und Violetta Parisini sind drei erfolgreiche Musikerinnen aus drei verschiedenen Genres. Am 21. Jänner werden sie unter dem Banner „Women - Eine Verneigung vor der weiblichen Stimme“ im Wiener Theater Akzent auftreten. Doch wie ist es eigentlich um die weibliche Stimme in Musik, Kunst und Kultur anno 2022 bestellt? Wir haben nachgefragt und das reflektierte Trio zum Roundtable gebeten.

„Krone“: Am 21. Jänner treten mit euch drei Damen aus drei verschiedenen musikalischen Welten live im Wiener Theater Akzent auf. Wie passt ihr musikalisch zusammen?
Pippa:
Es wird ein Abend mit drei Performances, der von diesen drei Persönlichkeiten lebt. Wir sind gar nicht so extrem weit auseinander, es gibt überall Überschneidungen.
Violetta Parisini: Ich sehe auf jeden Fall Überschneidungen. Unser Haupthandwerk ist nicht im selben Stil, aber wir alle sind Musikerinnen mit großer Aufmerksamkeit für Texte und machen uns Gedanken.

Wie wird der Abend denn aufgebaut sein?
Pippa:
Das machen wir uns noch genauer aus. Es sind jedenfalls drei einzelne Performances und ich werde ein bisschen durch den Abend führen. Vielleicht gibt es dann auch etwas Gemeinsames, aber das kann man nicht erzwingen. Wir schauen einfach, ob wir Lust darauf haben, aber auf Teufel komm raus müssen wir nicht unbedingt etwas covern. Die Details werden noch ausgearbeitet.

Was schätzt ihr denn künstlerisch an der jeweils anderen besonders?
Parisini:
Ich finde es bei Yasmo schön, dass sie sehr klar sagt, was sie sagen will und trotzdem Leute mitnimmt, die nicht ohnehin schon auf ihrer Seite sind. Gerade was das Thema Feminismus betrifft. Ich glaube, dass sie tatsächlich Aufklärungsarbeit leistet, was sehr wichtig ist. Pippa finde ich als Gesamtkunstwerk sehr speziell. Sie verwendet Sprache und Musik total einzigartig. Sie ist absolut unvergleichbar.
Pippa: Seit ich Yasmos Musik verfolge, finde ich sie inhaltlich extrem wichtig. Sie behandelt feministische Themen ohne mit dem Zeigefinger darauf zu deuten. Gerade im Hip-Hop, der gerne politisch ist, ist das für mich ein sehr schmaler Grat. Ich distanziere mich gerne, wenn ich mich belehrt fühle, aber bei Yasmo ist das nicht so. Sie ist eine großartige Sprachkünstlerin. Violetta erfüllt meine Sehnsucht nach Poesie von der textlichen bis zur musikalischen Ebene. Außerdem finde ich ihre Stimme wunderschön. Sie erzählt schöne Geschichten, ohne zu konkret zu werden.
Yasmo: Das Poetische von Violetta finde ich auch großartig. Da ich vom Text komme, achte ich darauf besonders. Pippa ist einfach eine großartige Musikerin. Ich war im Sommer und Herbst bei allen Konzerten, die möglich waren und ihr Auftritt beim Waves Festival war für mich das Konzert des Jahres. Es klingt so kitschig, aber sie hat etwas unglaublich Bezauberndes auf der Bühne. Man verfällt ihr, bleibt gerne bei ihr. Das transportiert sie auch in der Musik.

Gesellschaftspolitisch seid ihr alle drei ähnlich unterwegs. Wird sich diese Haltung auch beim Konzert ausdrücken?
Pippa:
Das muss man sich nicht extra vornehmen, das transportiert sich ganz von selbst. Jede Künstlerin hat etwas zu sagen und ich spüre sofort, wenn das der Fall ist.
Parisini: Kunst ist immer radikal subjektiv, spielt aber ins Politische rein. Es geht gar nicht anders, weil wir eben auf dieser Welt leben. Man zeigt schon eine Haltung, wenn man nicht alles einfach für gegeben hinnimmt. Im momentanen Zeitalter finde ich es gut, wenn man auf der Bühne nicht predigt. Ich habe das Gefühl, dass es momentan total wichtig ist, keine Mauern gegenüber Andersdenkenden zu bauen. Das macht mir derzeit große Sorgen. Auf der Bühne will ich für alle anderen Gutes tun und ihnen etwas mitgeben. Ob wir in manchen Dingen übereinstimmen oder nicht - egal. Ich will auch nicht dorthin gehen, wo mir erzählt wird, wie ich die Welt sehen soll.

Wird es für meinungs- und haltungsstarke Künstlerinnen schwieriger auf die Bühne zu gehen und sich angemessen zu artikulieren?
Parisini:
Meine Haltung besteht darin zu sagen, dass wir alle Menschen sind und gut miteinander umgehen sollten. Wenn man in dieses Thema geht, müsste man eine Diskursveranstaltung machen, weil es so wahnsinnig kompliziert ist. Ich sehe es aber kritisch, den Leuten Wahrheiten vor den Latz zu knallen. Ich will auf der Gefühlsebene bleiben und dort, wo ich die Gedanken anderer ins Rollen bringe - sofern ich das kann. Aber auf keinen Fall will ich mit richtig oder falsch kommen. Für mich gibt es natürlich ein richtig, aber gesellschaftlich bewegen wir uns in eine Richtung, wo das Verständnis für die andere Seite verloren geht.
Yasmo: Das Schwarz/Weiß-Narrativ kann man ganz einfach brechen, indem man zeigt, dass es viele Graustufen gibt. Die Extreme werden ohnehin von gewissen Richtungen instrumentalisiert und denen werde ich sicher nicht in die Hände spielen.
Parisini: Manchmal ist es wichtig, radikal und extrem zu sein, aber derzeit sollte man versöhnlich sein. Wir drei versuchen in unserer Musik dasselbe zu transportieren. Die Welt ist nicht einfach und wir wollen sie auch nicht vereinfachen. Denn genau dann bilden wir sie falsch ab. Es geht um Offenheit für Komplexität. Die Leute sind leider nicht bereit, über den Tellerrand hinauszublicken. Wir müssen an Meinungen zweifeln, mehr diskutieren und vielleicht ein weiteres Medium in Augenschein nehmen - dann erkennt man auch die Graustufen.
Pippa: Ein Impuls kommt nicht, wenn ich jemandem sage „mach es anders“. Man kann auf der Bühne zwischenpolitische Ansagen machen, aber Kunst war in der Gesellschaft schon immer das Fundament, aus dem Impulse heraus entstehen, ohne dass man konkret formuliert. Impulse entstehen auch, wenn man sich ein Bild ansieht. Die Kunst hat Kraft und darin setze ich meine Hoffnung. Sie wird sich immer einen Weg bahnen.

Wie frei darf die Kunst denn sein? Und wann ist man am Ende der Kunstfreiheit angelangt?
Yasmo:
Die Kunst ist frei. Wie alles andere ist sie aber nicht frei von Kritik. Wenn man etwas in die Öffentlichkeit stellt, muss man damit rechnen, dass man kritisiert wird und daraus entstehen manchmal Shitstorms. Das Ursache-Wirkung-Prinzip. Das wird bei dieser Debatte immer völlig durcheinandergebracht. Es kommt das „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ - eh, aber du musst auch damit rechnen, dass das jemand anders sieht. (lacht)
Pippa: Die Kunst ist nicht frei von Kritik, aber sie ist frei im Sinne dessen, dass sie jeder ausüben darf. Ich kann zuhause in meiner Wohnung Kunst machen, die ich gar nie veröffentliche. Man muss da etwas radikaler denken. Bei der Kunst- und Kulturbranche denken wir oft an Veranstaltungen. Das ist ein großer Wirtschaftspfeiler, aber viele arbeiten im stillen Kämmerlein und veröffentlichen nie. Sobald sie veröffentlichen, sind sie aber nicht frei von Kritik. Ich überlege mir, welches Publikum ich haben will und habe dann einen geschützten Raum - das habe ich mir schon öfters gedacht. Sich Kritik aussetzen zu müssen ist auch nicht ohne. Vor allem dann, wenn man kein riesiges Selbstvertrauen hat.

Wird einem durch die permanente Öffentlichkeit das Veröffentlichen und Performen von Kunst und Kultur verdorben?
Pippa:
Ich komme ursprünglich aus dem Theater und stehe gerne auf der Bühne. Am Ende bin ich froh, es gemacht zu haben, aber es ist nicht jeden Tag nur schön, komplett öffentlich angeschaut zu werden. Es ist toll, aber nicht romantisch. Man zieht sich aus, macht sich nackt und ist verletzlich und angreifbar. Der Hass in den sozialen Medien macht die Dinge natürlich schlimmer.
Yasmo: Man muss differenzieren zwischen Feedback und Kritik, die mit Argumenten arbeitet. Man darf mich gerne zerreißen, wenn es argumentiert ist. Das tut dann auch nicht weh. Wenn man sich in die Öffentlichkeit stellt, lernt man es, damit klarzukommen. Wenn mich mal wieder jemand „Feminismus-Nazi“ beschimpft, dann stehe ich längst drüber.
Parisini: Die einzige Kritik, die wirklich weh tut, ist reflektierte, die etwas impliziert, was man ohnehin schon selbst befürchtet hat. (lacht) Dafür ist man dankbar, denn das bringt einen auch weiter. Es tut dann deshalb so weh, weil man ja schon geahnt hat, dass man irgendwo zu wenig gegeben hat. Wenn man etwas nicht so gut macht, wie man es eigentlich könnte und dabei ertappt wird, dann schmerzt es natürlich. Wenn mir aber jemand unter ein Video schreibt „was ist das für ein Gejaule“, dann lösche ich den Kommentar oder ich stehe drüber.

Im Internet ist Lob meist die stille Zustimmung. Oft wird nur gepostet, wenn sich der Absender aus irgendwelchen Gründen alterieren möchte...
Parisini:
Es gibt Leute, die einfach sehr gerne stänkern.
Pippa: Ich bekam eine persönliche Facebook-Nachricht von einem Musiklehrer, wie er betonte, der mir sagte, meine Arrangements wären einfach nicht gut. Ich fand das fast lustig. Was heißt nicht gut? Welchen Maßstab setzt man da? Mein Freund, der die Arrangements macht und studierter Musiker ist, schrieb ihm zurück. Das nahm eine ganz interessante Richtung. (lacht) Kritik bei Kunst ist ein sehr heikles Thema. Ich kann nur ein Handwerk kritisieren und beurteilen, aber nie den künstlerischen Impuls. Nur die Künstlerin selbst weiß, was die Aufgabenstellung war und daran misst sie den Erfolg. Man kann vielleicht den Sound beurteilen, aber nicht die Intention hinter einem Lied.

Euer Konzert läuft unter dem Banner „Women - Eine Verneigung vor der weiblichen Stimme“. Wie ist es um die weibliche Stimme in der Kultur Ende 2021/Anfang 2022 bestellt?
Pippa:
Ich habe das Gefühl, dass sich viel bewegt in eine Richtung, das ein Frauenbild verabschiedet, das der heutigen Zeit nicht mehr entspricht. Es gehen gute Türen auf, aber man muss aufpassen, denn manche Türen sind Alibitüren. Man macht schnell etwas auf, um was zu erledigen, aber es fehlt dann an Tiefe. Man will oft eine gewisse Quote erfüllen und bildet ein Vorzeigefrauenbild, das wieder nur einem Klischee entspricht.
Yasmo: Bei den jungen FLINTAS (Frauen, Lesben, inter, nonbinäre und Transpersonen - Anm.) herrscht viel mehr Selbstbewusstsein als in unserer Generation. Das ist schön, denn das zeigt, dass die langjährige feministische Arbeit Früchte trägt. Die Arbeit ist aber noch lange nicht vorbei, weil die Strukturen dahinter noch immer viel zu patriarchal sind. Auf institutioneller Ebene im Kulturbereich ist alles sehr männlich dominiert. Es gibt so ein träges Umdenken, dass man Flintas oder PoC (People Of Color - Anm.) auch in Führungspositionen geben könnte, weil sie einfach andere Perspektiven haben. Es dauert alles sehr lange, aber mich macht optimistisch zu sehen, dass sich die Jungen nichts scheißen.
Parisini: Ich beschäftigte mich weniger mit Feminismus in der Kunst als mit der Tatsache, wie es um Frauen bei uns in der Gesellschaft bestellt ist. Das ist immer noch ein Trauerspiel, wenn man sich ansieht, wie Familienbeihilfe funktioniert oder wer die alleinerziehenden Menschen in diesem Land sind. Viele selbstbewusste FLINTAS machen heute, wovon wir noch geträumt haben. Sie reißen viel ein, aber es gibt so viele Grundlagen, auf denen man noch auf ganz anderen Ebenen arbeiten muss.

Die Dosis macht das Gift. Die sogenannten „jungen Radikalen“ wollen Dinge aus Leidenschaft verändern, tun das manchmal aber sehr harsch. Erreicht man mit der Brechstangenmethode ein Umdenken?
Parisini:
Es bringt sehr viel, weil diese Leute die Speerspitze sind. Man erreicht von dort nicht die Breite der Gesellschaft, aber man ermutigt die Menschen, die tendenziell in dieselbe Richtung gehen dazu, nicht aufzugeben. Deshalb war die Radikalität im Feminismus immer schon wichtig. Man macht sich damit Feinde, das ist ganz klar. Viele trauen sich nicht an die allervorderste Front, aber sie können durch diese Frauen dahinter nachrücken.
Yasmo: Auch hier gibt es nicht mehr Schwarz und Weiß, sondern ganz viele Graustufen. Die eine ruft das Matriarchat aus, der andere das Patriarchat. Das sind extreme Positionen, aber zwischen diesen beiden Polen passiert extrem viel an Bewegung.
Pippa: Es braucht die radikalen Extreme als Rahmen dafür, dass dazwischen wirklich etwas passieren kann.

Yasmo, gerade im Rap-Bereich hat sich 2021 viel getan. Es gab sehr viele Diskussionen um den grassierenden Sexismus in diesem Genre, der sich gerade im Deutschrap über Jahre hinweg hielt. War das nicht längst überfällig?
Yasmo:
Beim Hip-Hop muss man immer darauf aufpassen, woher er kommt und wie er sich weiterentwickelt hat. Im Deutschrap ist vieles auf ganz vielen Ebenen dumm und menschenverachtend. Es hat lange gedauert, bis dort eine #metoo-Bewegung kam, das wundert mich extrem. Dort gibt es aber auch Hierarchien und die begünstigen dann oft Vollidioten, die blöd herumschimpfen können - eine absolute Katastrophe. Da wird gerade viel anders, es geht ein Ruck durch die Szene und das ist gut. Bei den Jungen merke ich, dass viele mit mehr Bewusstsein rappen. Ich verstehe den Gangsta-Rap schon als Narrativ. Man spielt mit der Sehnsucht „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Diese Wahrheit wird vermittelt und verkauft sich, aber man kann doch nicht so dumm sein, um das nicht zu durchschauen. (lacht)
Parisini: Wie lange man diese Narrativ breittreten kann, das ist wirklich erstaunlich.
Pippa: Dass dieses Subgenre zu so einem Mainstream-Zweig wurde…

Hier in Österreich etwa wurde Yung Hurn vom hochgejubelten Heilsbringer zur inhaltlichen Persona Non Grata. Auch die mediale Berichterstattung um ihn hat sich stark verändert.
Yasmo:
Der Klassiker. Das Feuilleton nimmt sich Scheiße und will sie zu Gold machen. Dann merken sie, dass es doch scheiße ist. Und wer sitzt im Feuilleton? Meist alte, weiße Männer. (lacht) Da kann man schon eine Tendenz erkennen.

Ist eine Quotenregelung in Österreich auch auf Festivals notwendig? Im Vergleich zu Festivals in anderen Ländern hinken wir bei diesem Thema nachweislich schwer hintennach…
Yasmo:
Als Mira Lu Kovacs und ich das Popfest 2019 kuratierten, hatten wir uns keine Quote vorgenommen und es entstand auf natürlichem Wege eine Gewichtung von 70/30 zugunsten von Künstlerinnen. Dann geht das FM4 Frequency raus und postet das erste Line-Up, wo ausschließlich Männer zu sehen sind. Dieses Mal gab es einen riesigen Aufschrei, das war vor zwei Jahren noch anders. Aber die Menschen sind heute anders sensibilisiert. Sie sehen, dass das nicht in Ordnung ist. Vielleicht sollte man den Job des Kuratierens qualifizierten Personen überlassen, wenn einem da selbst nichts auffällt.
Parisini: Der Gerechtigkeit halber muss ich aber zugeben, dass sich seit meinen frühen Zeiten als DJ viel getan hat. Von 100 DJs waren damals zwei Frauen und das hat sich in den letzten 20 Jahren gewaltig verändert. Die Veränderungen kamen reichlich spät, aber sie kamen.
Yasmo: Auch FM4 muss sich darüber Gedanken machen. Selbst, wenn sie für das Frequency nur ihren Namen hergeben. Sie müssen doch erkennen, dass hier eine Schieflage herrscht. Entweder mischt man sich da ein und übernimmt Verantwortung oder tritt davon ab. Im Netz warem es nicht die „Fem-Nazis“, die gegen dieses Line-Up aufgeschrien haben. Es waren ganz normale FM4-Hörerinnen aus allen Ecken und Enden. Da hat nicht jeder Gender Studies studiert...
Parisini: Frauen, FLINTAS und PoC wollen sich repräsentiert sehen. Männer wollen doch auch nicht die ganze Zeit andere Männer auf der Bühne sehen oder? Sie dürfen ja gerne einen großen Teil davon ausmachen, aber nicht 95 Prozent.
Yasmo: Eigentlich nicht über 45 Prozent, um da mal Fairness herzustellen.

Kann man diese Diskussion aber so einfach führen? Im Rock- oder Metalbereich zum Beispiel ist der Frauenanteil per se schon so gering, dass eine Ausgewogenheit nur schwer zu erreichen ist.
Yasmo:
Auch da herrschen Ursache und Wirkung. Warum gibt es im Metal weniger Frauen als in andere Genres? Wenn ich immer nur Männer sehe, dann fühle ich mich als Frau unterrepräsentiert und weiß nicht so recht, ob ich da mitmachen darf und soll. Wenn ich aber Role Models habe, dann nehme ich mir leichter meinen Raum. Ich fühle mich viel mehr angesprochen. Das ist sicher ein Problem in ganz vielen Genres. Frauen sind nicht zu schüchtern, wie man das vor zehn Jahren sagte, sie werden einfach nicht repräsentiert und dann wollen sich nicht daran teilnehmen.
Parisini: Als Kuratorin eines solchen Festivals sucht man sich dann vielleicht alle weiblichen Acts, die man finden kann und stellt sie auf die Bühne. Denen muss man die Chance geben, um den Frauen im Publikum die Repräsentation zu geben.

Fühlt ihr euch persönlich als Künstlerinnen im öffentlichen Diskus besser wahrgenommen als vor zehn Jahren? Haben sich die Dinge verbessert?
Parisini:
Ich hatte vor zehn Jahren ein ganz anderes Bewusstsein als heute, insofern fällt es mir schwer, das zu beurteilen. Ich habe auch ganz andere Musik gemacht. Diskurs und Wahrnehmung haben isch aber total geändert.
Pippa: Vor zehn Jahren war ich noch am Theater und habe sehr viel Scheiße erlebt. Als junge Schauspielerin war es wirklich nicht lustig. Ich hatte einen alten französischen Regisseur, der mich immer „Baby“ nannte und gleichzeitig fertiggemacht hat. Ich habe ihm klar gesagt, dass ich das nicht dulde und nicht mehr zu Probe kommen würde. Da bedankten sich dann auch die anderen Frauen bei mir und er hat sich nicht mehr so aufgeführt. In der Musik spüre ich nicht unmittelbar, benachteiligt zu sein. Als Frau habe ich aber eher das Gefühl, dass das Älterwerden schwierig ist. Es geht alles sehr auf die Jugend, aber die alte Frau steht gesellschaftlich sicher am schlechtesten da. Ganz schlimm. Das sind nämlich die weisen Frauen, von denen wir alle uns etwas sagen lassen sollten. Dafür gibt es in der Gesellschaft gar kein Bewusstsein. Der Jugendkult ist schon gut, aber es gibt eben nicht nur ihn. Es sollte mehr Diversität herrschen.


Parisini: Bei Filmen hat m,an oft den alten, weißen Mann und eine junge Frau. Ab ca. 40 dünnt es sich bei den weiblichen Rollen aus und man weiß nicht, wo sie hin sind. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir in der Musik relativ altersunabhängig unser Ding machen können, aber als Schauspielerin oder Moderatorin bist du diesen Trends völlig ausgeliefert. In der Musik gibt es etwas mehr Selbstermächtigung.
Pippa: Als ich ungeplant schwanger war, hatte mich damals meine Agentur gefeuert, weil ich für zwei Jahre nicht vermittelbar war. Ich bin weinend zusammengebrochen. Ich hatte eh schon existenzielle Ängste und dann kam noch dieser Anruf. Ich sehne mich nach starken und älteren Frauen in der Musik. Das ist eine Chance für uns, selbst zu diesen Frauen zu werden. Man muss gehört werden und eine Plattform kriegen und ich fürchte, diese Chancen werden mit dem Alter leider weniger.
Parisini: Ich habe auch eine große Sehnsucht nach älteren Frauen mit Vorbildwirkung und möchte gerne selbst so eine werden. Wie viele 60-jährige Sängerinnen in Österreich kenne ich, deren Musik mir gefällt? In unseren Genres sind sie sehr unsichtbar, auch wenn es sie wohl gibt. Wir altern als eine der ersten Generationen sicher anders. Frauen wird immer ein Stückchen mehr ermöglicht. Sehr langsam, aber doch.

Was habt ihr drei im Jahr 2022 eigentlich so alles vor?
Parisini:
Ich habe gerade eine EP fertiggestellt, die 2022 rauskommen wird. Ich will es dieses Mal etwas strukturierter angehen. Etwas mehr planen und nicht alles spontan rausbringen. (lacht) Das kostet mich viel Geduld, die ich nur begrenzt habe, aber ich will dieses Mal das Publikum erreichen, das potenziell meines ist.
Pippa: Ich bin schon wieder an einem Album dran und fange an, mit anderen Leuten zu schreiben. Etwas aus meiner Komfortzone rauszugehen. Ich tendiere dazu, mich im kreativen Prozess zu isolieren und will das jetzt einmal anders probieren. Ich schaue mal, ob das Album finanzierbar ist. Gleichzeitig sollte auch eine EP erscheinen und vor allem arbeite ich daran, mir nicht immer selbst fünf Schritte voraus zu sein.
Yasmo: Wir bringen im Herbst ein Album raus und werden vorher Singles machen. Ich bin aber auch noch bei einem Großprojekt und bringe da zum ersten Mal nach 26 Jahren die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften nach Wien. Da bin ich in der Organisation und bin in der künstlerischen Leitung. Sie wird von 2. bis 6. November stattfinden, das wird mit der nächsten Welle dann eng. (lacht) Wir bespielen die ganze Stadt. Das Teamfinale wird im Volkstheater stattfinden und das Einzelfinale im Burgtheater.

Live in Wien
Pippa & Friends (also Yasmo und Violetta Parisini) werden hoffentlich unter den dann gültigen Corona-Bestimmungen am 21. Jänner im Wiener Theater Akzent auftreten. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Infos für das winterliche Konzerthighlight.

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