„Krone“-Interview

Volbeat: „Man braucht im Leben Herausforderungen“

Musik
02.12.2021 06:00

In nur drei Monaten hat Volbeat-Frontmann Michael Poulsen während der Pandemie bei sich zuhause das neue Album „Servant Of The Mind“ geschrieben. So frisch, hart und nach vorne gerichtet klangen die Dänen seit den frühen Tagen nicht mehr. Wie die Pandemie zur klanglichen Generalüberholung beitrug, warum Poulsen trotz aller Umstände gerade extrem glücklich ist und weshalb er schon zig Ideen für ein weiteres Album hat, das verrät er uns im großen „Krone“-Interview.

(Bild: kmm)

„Krone“: Michael, gratuliere zu eurem neuen Album „Servant Of The Mind“. So hart, frisch und schnell war schon lange kein Album mehr von euch. Songs wie „Shotgun Blues“ oder „Say No More“ gehen voll aufs Ganze. Damit war nicht unbedingt zu rechnen.
Michael Poulsen:
Jedes Bandmitglied kommt aus dem Death Metal, Thrash Metal oder Punk. Als Teenager haben wir alle in sehr harten Bands angefangen und das ist uns bis heute in der DNA geblieben. Volbeat hat seinen Stil, aber in diesem Bereich suchen wir immer nach Fortschritt und Entwicklung. Wir hören viel unterschiedliche Musik und diese Vorlieben müssen aus uns raus. Ich sehe Volbeat seit jeher als Rock- und nicht als Metalband. Die Grundidee für Volbeat war immer, dass man keinen Stil zu 100 Prozent herausfiltern könne. Das wurde zu unserem Signature-Sound. „Servant Of The Mind“ entstand aus dem Nichts. Als ich die Gitarre in die Hand nahm, hatte ich noch keine Ahnung, dass die Songs so hart klingen würden und das Album als Ganzes wahrscheinlich das härteste seit den beiden ersten werden würde. Während der Pandemie habe ich viele Interviews gegeben, wo ich in die Vergangenheit geblickt habe. Zurück in die Zeit zu meiner Death-Metal-Band Dominus und auch zu den Anfängen von Volbeat. Ich hatte Raum um zu reflektieren.

Im Proberaum fühlte ich mich wieder wie 17. Es gab keine Konzerte und keine Termine. Ich nahm die Gitarre in die Hand, spielte und schrieb Songs. Ich war so dermaßen inspiriert, dass ich das ganze Album in drei Monaten fertiggeschrieben hatte. Normalerweise brauche ich eineinhalb bis zwei Jahre dafür. Dieses Mal gab es keine Ablenkung. Ich war bei mir daheim und wir haben dann alles in zweieinhalb Wochen aufgenommen. Auch das war so wie früher. Ohne großen Vorgaben. Unser Gitarrist Rob Caggiano, der seine Soli von New York aus liefern musste, weil er nicht zu uns nach Dänemark reisen konnte, mag es, tage- und wochenlang im Studio zu stehen - wir anderen ticken da anders. Wir haben pro Song maximal drei Takes aufgenommen und den besten verwendet. Auch live hast du nur eine Chance zu überzeugen - warum sollte man dann im Studio 15 Mal denselben Song einspielen? Diese Energie der Aufnahmen hört man gut heraus. Das Album klingt wie eine Band, die beim Zusammenspiel viel Spaß hat. Es war so, als hätten wir unser Debütalbum eingespielt.

Glaubst, dass die jüngeren Volbeat-Fans sich mit dem Album schwertun werden und „Servant Of The Mind“ eher was für die Old-School-Klientel ist?
Ich weiß nicht so recht. Ich bin mir aber relativ sicher, dass die Weihnachtswünsche der alten Fans mit dem Album wahrwerden. (lacht) Die neueren Fans werden die härteren Songs sicher auch verstehen und akzeptieren, denn melodische Tracks sind noch immer zuhauf vorhanden. Ich glaube, es ist eine Win/Win-Situation für alle Beteiligten, aber so richtig weiß ich das erst, wenn das Album draußen ist. Die Reaktionen auf die ersten Singles waren aber überwältigend.

Bist du selbst manchmal ein „Servant Of Mind“, ein Knecht deines Geistes?
Das ist absolut jeder, auch du. Wenn wir aufwachen bis hin zu dem Moment, wo wir wieder einschlafen sind wir in gewisser Weise Sklaven unseres Geistes. Ich finde das unheimlich interessant. Im Leben geht es immer um Erfahrungen und die richtige Balance. Manchmal kann dich dein Bewusstsein in Bereiche entführen, die zehnmal so heftig auf dich einwirken wie die Realität. Man muss sich oft zurückhalten und aus negativen Gedanken herausziehen. Andererseits öffnet dir der Geist die Augen und zeigt dir die Schönheit des Lebens in all ihren Facetten. Wir müssen die richtige Balance finden, um ein gutes Leben führen zu können. Auch wenn es manchmal hart ist, wir können die Realität nicht ignorieren. Mit diesem Thema kann sich jeder auseinandersetzen, weil es jeden betrifft.

Bist du jemand, der oft gegen seine inneren Dämonen anzukämpfen hat?
Jeden Tag. Ich bin ein glücklicher Kerl der ein wirklich schönes Leben führt. Ich habe mehr als genug und bin sehr verwöhnt. Ich musste hart arbeiten, um dorthin zu kommen, wo ich heute bin, aber mein Leben ist wunderbar. Ich bin gesund, ich habe eine wundervolle Verlobte, die meine Frau werden wird. Ich habe großartige Kinder, eine großartige Familie und ein schönes Haus. Alles andere kommt dahinter, aber auch diese sogenannten sekundären Dinge können dir sehr viel geben oder auch Kraft rauben. Ich beschwere mich nicht über das Leben. Ich habe meine dunklen Momente, aber in 90 Prozent der Fälle bin ich ein glücklicher Kerl.

Ist es manchmal nicht schwierig, sich kreativ zu pushen und zu motivieren, wenn man schon alles hat, was man braucht?
Nur weil ich ein gutes Leben habe, höre ich nicht auf, mich herauszufordern. Im Leben geht es immer um Herausforderungen. Sie geben dir Erfahrungen und Frieden. Wenn man alt ist sollte man das Privileg haben, sich in den Schaukelstuhl zu setzen, zu grinsen, einen guten alten Whisky in der Hand zu halten und zu wissen, dass man absolut alles im Leben gemacht hat, um es schön zu gestalten. Dann kann man den Rest des Lebens in Frieden genießen. Ich sage dir eines: wenn du einmal Kinder hast, ist jeder Tag bis zu deinem Tod eine Herausforderung. (lacht) Ich liebe das aber, denn was ist das Leben schon ohne Dinge, die einen fordern? Man sollte sich nicht davor fürchten, sondern offensiv auf sie zugeben und sie annehmen. So kann man am Ende auch anderen Menschen helfen.

Du hast vorab in einem Interview schon gesagt, dass du während der Pandemie grundsätzlich sehr glücklich gewesen wärst. Lag das daran, dass du so viel Zeit bei deinen Kindern verbringen konntest?
Wenn ich im Umkreis meiner Kinder und meiner Verlobten bin, bin ich immer glücklich. Ich habe einfach akzeptiert, dass ich nicht auf Tour gehen konnte. Während meiner Karriere haben Familienmitglieder und Freunde mich oft gefragt, warum ich nicht einmal ein Jahr Auszeit nehmen würde, um die Batterien zu laden. Warum wir als Band die ganze Zeit und ohne Unterlass auf Tour sein würden. Wir lieben aber was wir machen. Wir nehmen nichts für selbstverständlich und wenn sich eine Möglichkeit für eine Tour auftut, dann nutzen wir sie. Es gibt keinen Grund, dauernd herumzusitzen und Daumen zu drehen. Jetzt ist Mutter Natur der Boss und sie sagt der ganzen Welt, dass wir nichts tun können. Das muss man akzeptieren und so war das Beste, was ich tun konnte, ein Album zu schreiben. Das daheim mit meiner Familie und in meinem Haus zu machen hat sich so gut angefühlt, dass es mich glücklich machte.

Der Song „Becoming“ ist eine Hommage an den viel zu früh verstorbenen Entombed-Sänger und deinen guten Freund LG Petrov. Ich kann mich noch gut an eure Tour mit Entombed vor einigen Jahren erinnern…
Er war ein unglaublich lustiger Kerl. Er hatte auch seine Probleme wie wir alle, aber er war für jeden Spaß zu haben. Er liebte es rundum Spaß zu verbreiten und war ein absoluter Musiknerd. Die Musik ging ihm über alles. Mit LG hatten wir auf Tour in Schweden immer die allerbeste Zeit - auch abseits der Bühne. Wir haben vor einigen Jahren mit Barney Greenway von Napalm Death den Song „Evelyn“ aufgenommen und weil der Track eine harte Death-Metal-Stimme braucht, hat ihn in Schweden immer LG mit mir gesungen. Er hat sich bei keinem einzigen Konzert, wo er den Song sang, den Text gemerkt, das war schon ein Running Gag. (lacht) Er hat mir immer versprochen, dass er den Text bis zum nächsten Mal beherrschen würde, aber das ist nie passiert und er hat immer mit anderen Wörtern improvisiert. Das Eröffnungsriff zu „Becoming“ ist unser „Entombed-Riff“ und die Fans hören, wie sehr uns die Band inspirierte. Wir haben auch das gleiche Gitarrenpedal benutzt, mit dem die schwedischen Death-Metal-Bands in den 90er-Jahren ihren Signature-Sound kreierten. Als LG verstarb war uns klar, dass wir ihm den Track widmen würden.

Der Song „The Devil Rages On“ folgt der Idee, dass der Teufel in Menschengestalt auftaucht. Wer sind denn die Teufel der aktuellen Welt?
Der Teufel versteckt sich überall und kann auch ein Mensch sein. Er ist global und vom Menschen erschaffen. Die Texte sind ziemlich düster und der Song passt auch wieder gut zum Albumtitel. Man kann die Tatsache, dass die Welt voller grauenhafter Menschen an den Hebeln der Macht ist, einfach nicht ignorieren. Sie zerstören die Erde, das Klima und die Menschheit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Textbausteine am nächsten Album fortsetzen werde.

Gibt es einen roten Faden, der sich durch die einzelnen Songs zieht? Eine Verbindung untereinander?
Wenn man eine Verbindung finden möchte, dann sind das die Texte. Sie ähneln sich insofern, als dass ich sie zu einem großen Teil fortsetzen und auf dem nächsten Album weiterspinnen kann - zu den verschiedensten Themen.

Wird auch die Härte dieses Albums ein Teil der nächsten Volbeat-Scheibe sein?
Mann, das nächste Album wird ein Hip-Hop-Werk. (lacht) Nein, keine Ahnung. Ich kann das nicht sagen, denn es kommt immer darauf an, wie ich mich gerade fühle und was mich bewegt. Wenn wir uns wieder hinsetzen um das nächste Album zu schreiben, kann absolut alles anders sein. Die Welt, meine Stimmung, unser Zugang zu Songs. Es sieht gut aus, dass die Härte bleibt, aber das kommt auch darauf an, ob ich noch einmal die gleiche Stimmung habe wie letztes Jahr.

Nach dem letzten Album „Rewind, Replay, Rebound“ hast du lose eine EP mit Thrash-Metal-Songs angekündigt. Haben Songfragmente oder Ideen davon hier Einzug gehalten?
Manche dieser Ideen habe ich hier verwendet. Wir haben im Proberaum viel Spaß damit gehabt und es hat sich alles ganz natürlich angefühlt. Ein paar der Ideen habe ich hier ausgeführt, andere sind noch übriggeblieben. Vielleicht landen die einfach am nächsten Album.

Mit dem abschließenden „Lasse’s Birgitta“, einem fast achtminütigen Song, habt ihr so etwas wie euer Opus Magnum geschrieben. Wird dieser Track einen besonderen Platz im Liveset bekommen?
Wir sind sehr glücklich mit diesem Song und er ist wirklich episch. Einer der längsten, die ich je geschrieben habe, aber ich bin an sich nicht so der Fan von solchen Epen. Das sollen lieber Iron Maiden oder Metallica machen. (lacht) Wenn die Idee sich gut anfühlt, dann kann man es aber schon mal probieren. Das wird manchmal zum ungeplanten Selbstläufer. Ich war sehr inspiriert von der Black-Sabbath-Phase mit Ronnie James Dio und Candlemass. Der Text sollte dann in seiner Wucht zum Song passen, also habe ich mir meine alten Notizbücher durchgeschaut und „Lasse’s Birgitta“ gefunden. Das handelt von den ersten Hexenverbrennungen im früheren Schweden und ist eine wirklich furchterregende Story. Ich habe dann alle Infos zusammengetragen und meine eigene Fantasie einfließen lassen. Den Song wollen wir unbedingt live spielen und ich glaube er passt sehr gut in eine dunkle, kühle Nacht.

Apropos Metallica - ihr wart auch Teil des „Blacklist“-Projekts zum 30-Jahr-Jubiläum von Metallicas „Black“-Album. War das eine große Ehre für euch? Und warum habt ihr ausgerechnet „Don’t Tread On Me“ gecovert und nicht einen der absoluten Megahits?
Weil das der einzig gute Song auf dem Album ist. Ich rede natürlich nur Blödsinn. (lacht) Das Album ist so großartig und ikonisch, dass man es eigentlich gar nicht anfassen will. Es ist in seiner Genialität so komplett, dass wir uns fragten, warum man uns bat, es zu ruinieren. (lacht) Es gibt so viele große Hits darauf und ich wollte auf keinen Fall einen der größten angreifen. So haben wir einen nicht ganz so populären Song gewählt und versucht, ihm einen Volbeat-Swing zu geben. „Don’t Tread On Me“ hatte die Elemente, die man gut zu Volbeat verwandeln konnte. Ich habe ein paar Stunden im Hotel herumgespielt und ihn am nächsten Tag aufgenommen. Lars Ulrich und James Hetfield waren sehr glücklich, aber das schönste Kompliment war, dass die Metallica-Fans zufrieden waren. Ich kenne viele Coverversionen von Volbeat und kann dir sagen, die sind nicht alle ein Ohrenschmaus. (lacht) Wenn man die Fans der Band zufriedenstellt, dann hat man definitiv nicht viel falsch gemacht.

2021 ist auch ein Jubilläumsjahr: 20 Jahre Volbeat. Wie fasst du diese Zeit zusammen? Was waren die aufregendsten Hochs und die schmerzhaftesten Tiefs?
Ich bin überzeugt davon, dass wir die besten Jahre noch vor uns haben. Und bevor es zu den Tiefs kommt, ist das Kapitel Volbeat ohnehin erledigt. (lacht) Auch wenn unsere Karriere schon sehr gut war und jetzt durch Corona eingebremst wurde, haben wir nichts von unserem Feuer verloren. Wir spielten in den größten Stadien und Arenen der Welt und sollte dies das Ende sein, dann bin ich versöhnt. Um ehrlich zu sein kann ich es aber kaum erwarten wieder auf die Bühne zu steigen. Wir haben ein tolles Album gemacht und das muss unbedingt live gespielt werden. Außerdem weiß ich genau, dass da noch viele Volbeat-Alben in mir schlummern, die noch rausmüssen. Schauen wir einmal, ob wir noch mehr Highlights in unserer Karriere erreichen können. Ich will mich auch gar nicht so auf das Negative versteifen, denn ich glaube, da sind wir jetzt ohnehin am Höhepunkt. Viel schlimmer als die Pandemie kann es nicht mehr werden. Lasst sie uns überwinden und wieder alle zusammen eine gute Zeit haben.

Live am Nova Rock
2022 darf man auf nach zweijähriger Pause endlich wieder auf das Nova Rock hoffen, wo Volbeat, traditionelle Stammgäste, einen Headliner-Slot einnehmen und garantiert auf die brettharten Songs des neuen Albums zurückgreifen werden. Alle Infos und Karten für das Festivalhiglight im Juni auf den burgenländischen Pannonia Fields gibt es unter www.novarock.at

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele