108-Minuten-Flug

Vor 50 Jahren flog der erste Mensch ins Weltall

Wissenschaft
11.04.2011 13:19
Vor 50 Jahren, am 12. April 1961, hat der russische Bauernsohn Juri Alexejewitsch Gagarin mit einer historischen Erdumkreisung das Zeitalter der bemannten Raumfahrt eröffnet. "Der erste Mensch im Weltraum!" - mit diesen Worten verkündet die kommunistische Presse der Sowjetunion, die diesen Flug als Beweis für die Überlegenheit des sozialistischen Systems feierte, an diesem Tag kühl ein Ereignis, das die ganze Welt bewegte.

Um 9.07 Moskauer Zeit - wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag - hob der sowjetische Pilot Gagarin mit einer "Wostok"-Rakete ab. Auf dem Weltraumbahnhof in der kasachischen Steppe wehte ein lauer Frühlingswind. "Nu pojechali! (Los geht's)", rief Gagarin im vollen Bewusstsein, dass die Reise auch tödlich enden könnte, wie ein nun erstmals veröffentlichter Abschiedsbrief an seine Frau und Töchter zeigt. 108 Minuten später, um 10.55 Uhr, landete er unbeschadet in dem Ort Smelowka im Gebiet Saratow - als Held der Sowjetunion.

Gagarin landete mit Fallschirm
Bei der Anerkennung des ersten bemannten Raumflugs haben die Sowjetvertreter in Paris behauptet, dass Gagarin - wie vorgeschrieben - mit seiner Kapsel auf der Erde gelandet sei. Die Wahrheit, dass sich der Pilot mit dem Schleudersitz und einem Fallschirm vor dem Aufprall rettete, ist aber inzwischen seit Längerem bekannt, wie der Journalist Anton Perwuschin in seinem Buch "108 Minuten, die die Welt veränderten" schreibt.

Weil Gagarin nicht dort landete, wo es die Ingenieure berechnet hatten, konnte - anders als von offizieller Seite geplant – auch niemand die Landung beobachten. Eine Waldarbeiterin namens Anna Tachtarowa und ihre Enkelin Rita sahen nach Darstellung Perwuschins als Erste den Mann im futuristisch anmutenden Raumanzug - und schrien vor Schreck. "Ich bin ein Sowjetbürger, einer von euch, von euch!", rief Gagarin.

Kommunistischer Propaganda-Coup
"Der Kolumbus des Kosmos!", jubelten die russischen Zeitungen damals und lobten Gagarins Heldentat als neuen Ansporn für den Aufbau des Kommunismus. Allerdings weist Perwuschin darauf hin, dass Gagarin von den kommunistischen Machthabern vor allem für eine Propagandaschlacht gegen den Westen genutzt wurde. Die Identität des Chefkonstrukteurs und Raketenbauers Sergej Koroljow dagegen wurde damals wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dabei galt gerade Koroljow als das Superhirn, das die USA im Wettlauf zu den Sternen ausstach.

Ohne Gagarins Pioniertat wären die USA, bereits von "Sputnik 1" 1957 geschockt, sicher nicht so früh zum Mond aufgebrochen. Immerhin hatten sie damals noch nicht einmal einen Astronauten auf eine erdnahe Umlaufbahn geschickt. Die erfolgsverwöhnte Supermacht antwortete auf Gagarins Flug aber mit einer beispiellosen nationalen Kraftanstrengung. Am 20. Februar 1962 startete John Glenn als erster Amerikaner in seiner "Mercury 6"-Kapsel ins All, die Sowjets konterten 1963 mit Walentina Tereschkowa als erster Frau im All und 1965 mit Alexej Leonow als erstem "Weltraumspaziergänger".

Doch dann wurde die Sowjetunion von den Amerikanern mit dem Mondprogramm Wernher von Brauns von ihrer Führungsposition verdrängt. Der Versuch des Kremls, ebenfalls bemannt zum Mond zu fliegen, scheiterte. Vier Startversuche ihrer Trägerrakete "N-1" endeten im Desaster, weil mit Chefkonstrukteur Sergej Koroljow (1907-66) der Kopf aller sowjetischen Raumfahrterfolge unerwartet gestorben war.

Kreml gibt Gagarin-Geheimakten frei
Gagarin selbst verunglückte am 27. März 1968 bei einem Übungsflug mit einer MIG-15 tödlich. Zum 50. Jahrestag des ersten bemannten Flugs ins All hat der Kreml nun die bisher als geheim eingestuften Akten zum tödlichen Flugzeugabsturz freigegeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach habe der Raumfahrer bei dem Routineflug einer Wettersonde ausweichen wollen, sagte der ranghohe Kremlvertreter Alexander Stepanow am Freitag in Moskau.

Das "brüske" Ausweichmanöver sei die wahrscheinlichste Ursache für das Unglück, las Stepanow aus einem Dossier der Untersuchungskommission vor, die sich mit dem Unglück befasst hatte. Für weniger wahrscheinlich hielt die Kommission demnach, dass Gagarin vermeiden wollte, in eine Wolkendecke zu geraten.

Der Absturz Gagarins war von den sowjetischen Behörden als Staatsgeheimnis eingestuft worden und hatte zu zahlreichen Gerüchten geführt. Hartnäckig hält sich etwa die These von einem Komplott des KGB. Es wurde aber auch spekuliert, dass der damals 34-Jährige mangels Trainings verunglückte oder sogar betrunken war.

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