Klare Empfehlung

Experten: „Dritter Stich für alle ab 18 Jahren“

Österreich
01.11.2021 15:36

Der Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der Medizin-Uni Wien, Markus Zeitlinger, sowie der Mikrobiologe Michael Wagner sprechen sich klar für eine Empfehlung zum „dritten Stich“ für alle Personen ab 18 Jahren bei der Corona-Impfung aus. Die Infektionszahlen werden zwar aktuell ganz eindeutig von den Ungeimpften getrieben, „aber man sieht, dass es auch bei den Durchbruchsinfektionen (bei Geimpften, Anm.) nach oben geht“, so Zeitlinger.

Zeitlinger rechnet mit einer nachhaltigeren Wirkung des Drittstichs als nach den ersten beiden Impfungen: „Ich gehe davon aus, dass man nach der dritten Impfung eine viel längere Immunität hat als nach der zweiten Impfung.“ Die dritte Impfung könne man mit der zweiten „nicht mehr vergleichen“. Gleichzeitig betonte er, man wisse derzeit nicht, wie lange der Schutz nach dem „Booster“ anhalten werde.

„Schützen indirekt auch Nichtgeimpfte“
Die Auffrischung mit dem dritten Stich werde auch Auswirkung auf das Verbreitungsgeschehen haben. Es habe sich gezeigt, dass der „volle Schutz“ nach der Zweitimpfung (nicht nur vor schweren Verläufen, sondern auch vor Ansteckung und damit der Weitergabe) zwei Monate anhalte. Danach gehe die Wirkung stetig zurück (womit dann auch Geimpfte wieder zu Überträgern werden können). „Indem wir Personen boostern, schützen wir wieder einmal indirekt die Nichtgeimpften“, so Zeitlinger.

Gleichzeitig betonte er, dass die Immunisierung der noch Ungeimpften Priorität haben müsse. Denn es gebe einen „Riesenunterschied“ bei den Infektionen zwischen Geimpften und Ungeimpften, verwies er auf aktuelle Daten. Die Inzidenz bei den Ungeimpften liege in etwa bei 600 bis 700, jene der Geimpften hingegen bei rund 150. Die Pandemie würde selbst im Fall dessen, dass sich alle bisher doppelt Geimpften den Drittstich holen würden, nicht zum Stillstand kommen. Der Booster „wird einen Beitrag leisten, aber nicht reichen, um gut über den Winter zu kommen“, sagte Zeitlinger, denn unter den Ungeimpften finde der bei weitem überwiegende Teil der Ansteckungen statt. Daher sei nach wie vor jeder neu Geimpfte, „epidemiologisch wichtiger als jemand, der sich geboostert hat“.

Auffrischung nach Altersgruppen wenig sinnvoll
Seinen Wunsch, den Drittstich allen ab 18 Jahren und nicht nur der älteren Generation zu empfehlen, untermauerte Zeitlinger mit der Datenlage: Zwischen der Altersgruppe der 18- bis 60-Jährigen und jener der Über-60-Jährigen sei hinsichtlich der Durchbruchsinfektionen kein wesentlicher Unterschied feststellbar, betonte der Experte. Daher mache eine Unterscheidung bei der Auffrischungsimpfung nach diesen Altersgruppen keinen Sinn - und er wäre für eine klare Empfehlung, dass sich alle ab 18 Jahren den „Booster“ holen. „Es wäre schon gut, wenn das Nationale Impfgremium das klarstellt“, sagte er mit Blick auf die für Dienstag geplante Sitzung des Gremiums.

Anders verhält es sich hingegen bei der Gruppe unter 18 Jahren. In der Gruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen komme auf zehn Infektionen bei Ungeimpften nicht einmal eine Infektion von Geimpften. Bei den Über-18-Jährigen hingegen komme auf vier Infektionen bei Ungeimpften eine Durchbruchsinfektion von Geimpften, so Zeitlinger. Eine Empfehlung zur Auffrischung auch für Zwölf- bis 17-Jährige wollte Zeitlinger folglich noch nicht geben. „Ich würde das bei Unter-Zwölfjährigen nur für Risikogruppen empfehlen“ - und für die anderen die Daten abwarten. Es handle sich dabei aber ohnehin aktuell um eine sehr theoretische Diskussion, da bei den meisten Unter-18-Jährigen der Zweitstich noch längere Zeit keine sechs Monate zurückliegt.

Zeitlinger für verringerte Gültigkeit bei Johnson & Johnson
Beim Vakzin von Janssen (Johnson & Johnson) wünscht sich Zeitlinger eine Änderung hinsichtlich des Grünen Passes. Denn Studien würden zeigen, dass diese Einmal-Impfung nur einen Schutz von 40 Prozent bietet (im Vergleich zu den 80 bis 90 Prozent anderer Vakzine). Es sei eine politische Frage, ob man an der Gültigkeit für den Grünen Pass bei dieser Impfung nicht etwas ändern sollte. Es sei ihm zwar lieber, es lasse sich jemand einmal mit Johnson & Johnson impfen als gar nicht. Aber man könnte überlegen, dass man für die weitere Gültigkeit des Grünen Passes bei einer Impfung mit Johnson & Johnson eine Booster-Impfung verlangt - eventuell mit einer dreimonatigen Vorlaufzeit ab Verkündigung dieser Maßnahme, so der Experte.

Klar für die Booster-Impfung sechs Monate nach dem Zweitstich tritt auch der Mikrobiologe Wagner von der Universität Wien ein. Sofern es auf die globale Verteilungsgerechtigkeit des Impfstoffes keine Auswirkungen hat, sieht er keinen Grund dafür, dass das Impfgremium den dritten Stich in Österreich nicht für alle ab 18 Jahren empfiehlt, sagte er.

Immunschutz lässt bei Männern schneller nach
Wagner betonte, dass sechs Monate nach dem Zweitstich schon ein deutliches Nachlassen der Impfwirkung zu verzeichnen sei. Vor allem der Schutz vor einer Ansteckung (und damit einer möglichen Weitergabe) gehe dann „sehr weit runter“, auch bei Jüngeren. Eine noch nicht begutachtete schwedische Bevölkerungsstudie deute zudem darauf hin, dass der Immunschutz nach zweifacher Impfung bei Männern schneller nachlässt. Aktuell würden Geimpfte in Österreich „durchaus am Infektionsgeschehen teilnehmen“, auch wenn die Unter-60-Jährigen vor schweren Verläufen größtenteils weiterhin geschützt sind, betonte Wagner. Mit dem Booster werde der Schutz vor schweren Verläufen deutlich erhöht, v.a. bei den Über-60-Jährigen, sagte der Wissenschafter.

„Man kann sich aus Delta-Welle schon rausboostern“
Der Mikrobiologe verwies auch auf aktuelle Daten aus Israel, wo sehr frühzeitig und breitflächig der Bevölkerung Boosterimpfungen angeboten wurden: An diesen sehe man, dass quer durch alle Altersgruppen zwölf bis 14 Tage nach dem Drittstich der Schutz vor Infektionen enorm ansteigt. „Das ist schon sehr beeindruckend“. Österreich stehe am Beginn der vierten Welle und es gelte zu handeln, daher plädiere er für die rasche Auffrischung für alle. Denn dies habe neben einer starken zusätzlichen Schutzwirkung vor schweren Verläufen zumindest für eine gewisse Zeit auch einen stark dämpfenden Effekt auf die Übertragung des Virus. „Man kann sich aus der Delta-Welle schon rausboostern.“

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Man kann sich aus der Delta-Welle schon rausboostern.

Mikrobiologe Michael Wagner

„Geimpfte Kinder weiterhin testen“
Hinsichtlich der Impfung für Kinder von fünf bis elf Jahren hofft der Experte auf eine baldige Zulassung der auch in dieser Altersgruppe „hocheffektiven“ Impfung. Bei Kindern sei aus epidemiologischer Sicht ebenfalls anzuraten, auch Geimpfte weiterhin zu testen bis erforscht ist, ob geimpfte Kinder wie die geimpften Erwachsenen das Virus weitergeben können. Für „unsinnig“ hält Wagner die derzeitige Quarantäne-Regel in den Schulen, wonach in der Regel nur der positive Schüler selbst und dessen unmittelbarer Sitznachbar in Quarantäne geschickt werden. „Da die Infektion auch über Aerosole erfolgt, bringt das fast nichts.“

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