Interview: Teil zwei

Platter: „Weniger Streit, mehr fürs Land tun“

Tirol
13.09.2021 11:49

Teil zwei des großen „Krone“-Interviews mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter: „Jeder, der arbeiten kann, soll auch arbeiten“, betont Platter zum Arbeitskräftemangel. Er schließt die FPÖ für die Regierung nicht aus. Im Gegensatz zu Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) will Platter keine Afghanen nach Tirol holen.

„Krone“: Herr Landeshauptmann Platter. Die Auftragsbücher der Firmen sind voll, das Hauptproblem für viele ist, dass sie keine Arbeitskräfte finden. Das zieht sich mittlerweile quer durch alle Branchen. Was kann die Politik da machen, wie gegensteuern?
Günther Platter: Das ist derzeit sicher das größte Problem für den Wirtschaftsstandort. Das spürt man, wenn man mit Touristikern und Vertretern anderer Branchen redet, weil einfach zu wenig Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Man muss beinahe gleich viel Geld in die Suche nach Mitarbeitern investieren wie in die Werbung. Ich glaube schon, dass wir mit dem AMS noch deutlicher klarstellen müssen, dass jemand, der arbeiten kann, auch arbeiten soll. Manche erachten das als eine unsoziale Aussage, doch das Gegenteil ist der Fall. Es ist doch für all jene, die fleißig arbeiten gehen, unsozial, wenn andere in der sozialen Hängematte liegen.

Thema Energie. Tirol soll 2050 energieautonom sein. Wie ist das zu schaffen, wenn für die Umsetzung von Kraftwerksprojekten oft Jahrzehnte gebraucht werden?
Es gab noch nie so viele Kraftwerksbauten in Tirol wie derzeit. Da ist Sellrain-Silz, das Grenzkraftwerk in Pfunds, Tumpen-Habichen und mehrere kleinere Kraftwerke. Da sind wir schon sehr weit und ich freue mich darüber, dass hier gewaltige Investitionen stattfinden. Aber es stimmt: Es kann nicht sein, dass man über zehn Jahre warten muss, bis ein Verfahren über die Bühne geht. Das geht so nicht mehr, da fordere ich auch die Bundesregierung auf, dieses Thema in Angriff zu nehmen.

Wenn dann das Ja zu einem Kraftwerk kommt, wird gleich mobil dagegen gemacht...
Es geht nicht, ständig zu behaupten, Wasserkraftwerke seien umweltschädlich. Das Gegenteil ist der Fall: Wasserkraftwerke produzieren erneuerbare sowie saubere Energie und leisten einen wichtigen Beitrag, damit wir energieautonom werden.

Es gibt immer wieder den „Vorwurf“ zu hören, dass für Sie, Herr Landeshauptmann, die Harmonie im Regierungsteam über allem steht und so manche Sachthemen aus diesem Grund ein wenig niederschwelliger behandelt werden. Sind Sie wirklich so ein harmoniesüchtiger Mensch?
Wenn es notwendig ist, spreche ich deutliche Worte. Aber was ich nicht will, ist ein ständiger Streit in der Regierung. Wir müssen arbeiten, nicht streiten. Schwarz und Grün sind nicht immer einer Meinung. Bei konträren Auffassungen ist es auch meine Aufgabe, eine Lösung zu finden. Ich will, dass wir intern hart verhandeln und dann die Entscheidung gemeinsam präsentieren. Das ist mein Stil und den werde ich auch weiterhin so fortsetzen.

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Der Koalitionspartner muss auch akzeptieren, dass eine Partei mehr als 40 Prozent hat.

Günther Platter

Irgendwie bekommt man schon den Eindruck, dass Türkis-Grün auf Bundesebene nicht so richtig zusammenpassen – funktioniert Schwarz-Grün in Tirol gut?
Die Themenlage im Bund ist eine andere, außerdem spielen dort ideologische Fragen eine größere Rolle. In Tirol haben wir es mehr mit Sachthemen zu tun, da ist die Ideologie nur eine Begleiterscheinung. Damit es gut funktioniert, braucht es auch gegenseitiges Verständnis. Der Koalitionspartner muss auch akzeptieren, dass eine Partei mehr als 40 Prozent hat. Da kann es nicht so sein, dass alles komplett auf den Kopf gestellt wird. Ich achte darauf, dass die Zusammenarbeit auf Augenhöhe funktioniert, denn man darf einen Partner auch nicht überfordern. Man muss wissen, wie weit man gehen kann, und ich glaube, dass die Koalition in Tirol sehr gut eingespielt ist.

Hängt diese gute Zusammenarbeit in Tirol vielleicht damit zusammen, dass der Tiroler Landeshauptmann mehr schwarz ist als türkis?
Das hat weniger mit der Farbe zu tun, das hat etwas mit meiner Einstellung zu tun: Kein Streit, sondern regieren und arbeiten für das Land und die Menschen.

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Ich werde auch nie einer anderen Partei vorschreiben, wer als ihr Spitzenkandidat kandidiert, das würde ich mir nicht anmaßen.

Günther Platter

Wie sieht es mit einer Zusammenarbeit mit der FPÖ nach der nächsten Landtagswahl aus? Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger schließt ja eine Koalition mit einem Landeshauptmann Platter aus. Was richten wir ihm aus?
Das ist politisches Geplänkel, an dem ich mich nicht beteilige. Ich schließe niemanden aus, das ist nicht meine Art. Ich werde auch nie einer anderen Partei vorschreiben, wer als ihr Spitzenkandidat kandidiert, das würde ich mir nicht anmaßen.

Kurz noch zur Umbildung in der Landesregierung: Wie zufrieden sind Sie mit den beiden Neuen in Ihrem Team?
Ich bin zufrieden, dass es reibungslos über die Bühne gegangen ist. Dass es bei Regierungsumbildungen auch da oder dort Erwartungshaltungen gibt, ist legitim. Die Umbildung erfolgte sehr rasch, für manche zu rasch.

Auch für Sie?
Nein. Wenn es um wichtige Personalentscheidungen geht, vergehen wenige Stunden, bis diese getroffen sind. Man darf da nicht tagelang herumdiskutieren. Aus meiner Sicht ist der Wechsel ordentlich passiert. Annette Leja und Toni Mattle machen einen sehr guten Job. Ich bin sehr zufrieden.

Sie treten 2023 nochmals als Landeshauptmann an. Nachfolger – wird kritisiert – ist weit und breit keiner in Sicht. Treten Sie also vielleicht 2028 auch wieder an?
Lassen wir die Kirche im Dorf. Erstens fühle ich mich unglaublich motiviert, für Land und Leute da zu sein. Und zweitens waren wir seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie in so einer schwierigen Situation wie derzeit mit der Pandemie und deren Begleiterscheinungen. Ich lasse Land und Leute nicht im Stich, deshalb habe ich auch frühzeitig angekündigt, 2023 wieder zu kandidieren. Es sind noch eineinhalb Jahre bis zur Wahl. Bis dahin gibt es noch sehr viel zu tun.

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Ich finde es schäbig, dass sich jetzt, beinahe von heute auf morgen, die internationale Gemeinschaft zurückzieht und 20 Jahre verloren sind.

Günther Platter

Ein viel diskutiertes Thema ist momentan Afghanistan: Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi will 50 Afghanen in der Landeshauptstadt aufnehmen. An wie viele Aufnahmen denkt denn der Landeshauptmann von Tirol?
Das sind Ansagen, die vielleicht für eine bestimmte Klientel interessant sind. Ich kenne die Situation in Afghanistan, ich war als Verteidigungsminister vor Ort, habe den damaligen Präsidenten Karzai getroffen und weiß, was sich abspielt zwischen Kabul, Kunduz, Kandahar. Es war damals für die Zivilbevölkerung ein wichtiges Signal, dass sich die internationale Gemeinschaft engagiert hat. Ich finde es schäbig, dass sich jetzt, beinahe von heute auf morgen, die internationale Gemeinschaft zurückzieht und 20 Jahre verloren sind. Das ist meine emotionale Betrachtung, denn Österreich hat dort auch mitgeholfen, eine Stabilität zustande zu bringen. Man darf ja nicht glauben, dass jetzt ein kleines Land wie Österreich alle Probleme der Welt lösen kann. Ich bedauere es auch sehr, wenn ich sehe, was sich vor Ort abspielt, aber hier besteht eine globale Verantwortung. Und man muss vor Ort, aber auch in den Nachbarstaaten so rasch wie möglich helfen, das ist das Gebot der Stunde. Je schneller man auch in der Nachbarschaft eine Struktur schafft, damit den Leuten geholfen wird, umso eher können sie wieder zurückgehen, wenn sich die Situation hoffentlich einmal verbessert.

Also wird LH Platter keine Afghanen nach Tirol holen?
Das Konzept muss hier lauten: Hilfe vor Ort!

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