Verein Bodenfreiheit

Ein Exempel gegen die Spekulation statuieren

Vorarlberg
12.09.2021 14:30

Der Verein Bodenfreiheit wurde heuer für den Landluft-Preis für außergewöhnliches Engagement nominiert – Obmann Martin Strele erzählt im großen „Krone Vorarlberg“-Interview mit Angelika Drnek, warum sich der Kampf gegen Immobilienspekulation lohnt.

Krone: Herr Strele, der Verein Bodenfreiheit wurde in diesem Jahr für den Landluft-Sonderpreis für außergewöhnliches Engagement nominiert. Nützen Nominierungen dieser Art Ihrem Anliegen?

Martin Strele: Wir waren bei der Jury eingeladen, da waren 20, 30 Initiativen zu Gast, die sich alle mit ähnlichen Fragen beschäftigen. Schön zu sehen, wie viele Menschen da unterwegs und aktiv sind. Deswegen geht es uns jetzt vordergründig auch nicht ums Gewinnen, sondern darum, durch die Nominierung das Thema weiter in der Öffentlichkeit zu forcieren. Und natürlich freut man sich auch über diese Wertschätzung, denn oft genug bläst einem ordentlich Gegenwind ins Gesicht.

Krone: Sie setzen sich für das Freihalten von Grünflächen ein und warnen vor der zunehmenden Bodenknappheit in Vorarlberg. Warum sind die Dynamiken um Grund und Boden so brenzlig?

Durch die Umwidmung eines privaten Grundstücks lässt sich eine Verhundertfachung des Werts erreichen - ohne irgendeine Leistung. Grund und Boden sind ein sicherer Hafen für Kapital geworden. Und die Steigerungsraten überstiegen die Lohnentwicklung um den Faktor zehn. Diese Wertsteigerungen wirken sich auch nicht mehr nur auf das Eigentum, sondern längst schon auch auf die Mietpreise aus. Und in Vorarlberg liegt diese gesamte Problematik unter dem Brenngas, weil es hier eben so wenig Fläche gibt.

Krone: Immer wieder wird die Industriefreundlichkeit des Landes kritisiert, wenn es um Bodenfraß geht. Zurecht?

Viele Interessen prallen hier aufeinander. Die Industrie braucht Flächen für ihre Produktionsstätten, doch auch die Industrie hat gemerkt, dass Grund und Boden zu Spekulationsobjekten geworden sind. Oft geht es gar nicht mehr um Produktionsflächen. Ein Positiv-Beispiel ist die Firma Ölz, die unbedingt in der Landesgrünzone bauen wollte. Nach Protesten wurde eine Lösung gefunden, die viel weniger Fläche braucht - und auch nicht in der Landesgrünzone. Doch viele Player wollen sich die letzten Flächen sichern, die noch zu haben sind. Traurig finde ich auch, dass wir unsere Böden etwa dafür hergeben müssen, dass man hier Energydrinks für die ganze Welt abfüllt.

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Im Vorarlberger Immobilienbereich liegt ein Marktversagen vor. Als Bürger erwarte ich mir, dass die Politik eingreift.

Martin Strele

Krone: Wie steht es um die Landwirte? Immer wieder heißt es, auch denen geht der Boden aus...

In der Vergangenheit waren die Landwirte selbst Mitakteure und haben ihre Filetstücke verscherbelt. Die Versuchung ist eben auch da groß, denn so viel Gemüse kann ein Bauer gar nicht anbauen, dass er damit mehr verdient als durch den Verkauf eines Grundstücks. Jetzt merken aber viele, dass ihnen die guten Anbauflächen ausgehen, die Landwirtschaft ist aufgewacht. Zum Glück, denn da geht es immerhin um Lebensmittel, die wir alle drei Mal am Tag zu uns nehmen. Wichtig ist aber: Es gibt nicht den einen Schuldigen, es sind viele Akteure im Spiel. Und all diese Akteure sind mitschuld und gleichzeitig selbst von der Problematik betroffen. Die Bauträger überbieten jeden Marktpreis. Es erfordert schon einiges an Rückgrat, den eigenen Grund unter diesen Umständen nicht zu verkaufen. Da geht es um Millionen, um echte Reichtümer. Und die große Masse geht leer aus. Das Grundeigentum war früher in Vorarlberg - auch durch die Realteilung - weit gestreut. Nun aggregiert es sich immer weiter. Bald gehört es nur noch einigen, sehr vermögenden Menschen.

Krone: Der Politik wird vorgeworfen, nicht ausreichend zu reagieren. Braucht es härtere Bandagen?

Im Vorarlberger Immobilienbereich liegt ein Marktversagen vor. Als Bürger erwarte ich mir, dass die Politik eingreift. Darauf warten wir. Die Situation ist natürlich überaus komplex, die eine Lösung können wir als Laien auch nicht liefern. Aber wir wählen ja die Politiker, um die echten Probleme anzugehen und zu lösen. Dafür gibt es auch einen professionellen Verwaltungsapparat. Es ist traurig, wenn sich manche Politiker dann von einer Lobby bestätigen lassen, dass eh alles passt, wie es ist. Denn jedes Monat, in dem diese Problematik nicht gelöst wird, verschärft sie sich noch weiter.

Krone: Sie haben also gar keine konkreten Forderungen an die Politik?

Doch, aber ich kenne die eine „Superlösung“ auch nicht. Aber: Gewidmetes Bauland muss bebaut werden oder auf den Markt kommen, es darf nicht weiter gehortet werden. Und die Landesgrünzone muss erst genau untersucht und weiter geplant werden. Und bis wir wissen, wie wir mit der Landesgrünzone weiter verfahren, darf keine einzige Fläche mehr herausgenommen werden.

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Manche Vereinsmitglieder spüren auch immer wieder einen ökonomischen Effekt ihres Engagements in ihrem Zivilleben. Aber nichts, was uns davon abhalten ließe, am Thema dranzubleiben.

Martin STRELE

Krone: Ihr Verein Bodenfreiheit kauft Grundstücke an, die nicht bebaut werden. Über wie viel Fläche verfügen Sie?

Das, was wir tun, ist nichts anderes als eine paradoxe Intervention. Unterschriften zu sammeln, hat uns nicht gereicht, wir wollten Grundstücke kaufen, um sie freizuhalten. Da handelt es sich oft um symbolische, kleinere Grundstücke, wie etwa ein 40 Meter langes und 1,5 Meter breites Grundstück in Lochau. Drei Hektar Land haben wir mit einem Gehrecht gesichert, ist also nicht unser Eigentum, bei 700 Quadratmetern haben wir den Fruchtgenuss, es gibt also einen ganzen Strauß von Rechten an unterschiedlichen Flächen, wo wir auch heuen und andere Arbeiten durchführen müssen. Man hat ja auch Verantwortung für den Boden. Insgesamt geht es um 31.000 Quadratmeter und zusätzlich noch einige Flächen, auf denen wir unterschiedliche Initiativen unterstützen konnten.

Krone: Sie sind zwar für eine Auszeichnung nominiert, doch vorhin haben Sie den Gegenwind erwähnt. Wie stark bläst Ihnen der ins Gesicht?

Immer wieder schütteln Menschen den Kopf, wenn sie von uns hören. Sie können es nicht fassen, dass wir „Werte von Flächen vernichten“. Und manche Vereinsmitglieder spüren auch immer wieder einen ökonomischen Effekt ihres Engagements in ihrem Zivilleben. Aber nichts, was uns davon abhalten ließe, am Thema dranzubleiben.

Fakten

Landluftpreis:
Unter dem Motto „Boden g’scheit nutzen“ verleiht der Verein Landluft in diesem Jahr den vierten Baukulturgemeinde-Preis. Zum ersten Mal werden heuer auch Initiativen für ihren zukunftsweisenden Umgang mit Baukultur und der knappen Ressource Boden ausgezeichnet. Die feierliche Preisverleihung geht am 23. September im Kuppelsaal der Technischen Universität Wien über die Bühne. Mit dem Preis will der Verein Landluft vor allem auch das Engagement von Gemeinden und Initiativen in Sachen Bodenknappheit in den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung rücken und Bewusstsein schaffen.

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