„Krone“-Kolumne

Schönheitsideale: Ein bisschen viel verlangt

Kolumnen
01.08.2021 11:18

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal über Dicksein und Bodypositivity in der Gesellschaft.

Menschen mit Körpern, die nicht dem klassischen Schönheitsideal entsprechen, haben es schwer in der Gesellschaft. Wohlmeinende Ratschläger empfehlen ihnen, sich einfach selbst schön zu fühlen, unabhängig davon, was andere sagen. Das kann schon funktionieren, ist aber ein bisschen viel verlangt. Wer ist schon unabhängig vom Urteil anderer Menschen?

Vor einigen Jahren habe ich zu Schönheitspraktiken geforscht, das heißt dazu, was Frauen und Männer aus verschiedenen sozialen Schichten machen, um sich zu verschönern. Interessanterweise haben viele Frauen in den Interviews erzählt, dass sie sich schminken, stylen, usw. - nicht für andere, sondern nur für sich selbst. Sie versuchen sich an die gängigen Schönheitsnormen anzunähern, um in ihren eigenen Augen schön zu sein. Die Anderen spielen dabei angeblich keine Rolle. Ich glaube, dass das nur zum Teil stimmt. Die Anderen sind nämlich immer schon in uns drinnen. Den männlichen Blick auf weibliche Körper haben heterosexuelle Frauen verinnerlicht. Es scheinen dann plötzlich die eigenen Abwertungen, die eigenen Ansprüche zu sein, an denen sie sich messen - und vielleicht scheitern. Essstörungen sind nur ein extremes Beispiel für diesen Kampf, den viele Menschen, Frauen vor allem, gegen ihren Körper führen.

Die Gesellschaft geht nicht gerade zimperlich mit Körpern um, die im Vergleich zum Schönheitsideal der Zeit eben nicht so schön sind. Manchmal sprechen Menschen die Abwertungen von dicken, großen, kleinen, schwarzen oder schiefen Körpern aus, was besonders verletzend ist. Häufiger jedoch werden die negativen Urteile nur an den Taten sichtbar, etwa wenn der Eintritt in einen Club verweigert wird, wenn man schon wieder den Job nicht bekommen hat, wenn irgendwie niemand sexuell anspringt, oder niemand mit einem spielen möchte. Mit der Zeit schließen sich Betroffene oft selbst vom sozialen Leben aus, weil sie keine Lust mehr auf diese Mikroaggressionen haben.

Die visuelle Tinder-Kultur hat Bilder und das Aussehen zum alleinigen Fundament des Kennenlernens gemacht. Dabei sind das Gewicht, die Hautfarbe und die Körperform gerade bei Sex und Liebe eigentlich nebensächlich. Klar, manche Menschen suchen eine Person, die vor allem ihren hohen sozialen Status nach außen hin sichtbar macht. Meistens sind es dann beruflich erfolgreiche Männer, die anderen Männern zeigen, dass sie sich eine junge schöne Frau leisten können. Aber die meisten Menschen suchen bei einer Partnerschaft eigentlich eine Person mit Humor, mit ähnlichen Werten und Interessen, mit der sie gut reden können. Sex ist ebenfalls keine Angelegenheit des Sehens allein. Sexualität lebt von Berührungen, von Hautkontakt, davon, wie sich jemand anfühlt, wie jemand riecht, wie sich Körperbewegungen zu einer gemeinsamen Erfahrung von Lust und Begehren verschränken. Was hat die Fettrolle und die Cellulite damit zu tun? Relativ wenig. Zu viel Attraktivität kann bei der Partnersuche sogar einschüchtern. Bei meiner Sexualitätsbefragung letztes Jahr haben 18 Prozent der Befragten angegeben, dass sie es schwierig finden, mit einer attraktiven Person zu sprechen.

Schließlich gibt es auch jene Menschen, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, aber aufgrund ihrer Ausstrahlung extrem sexy sind. Damit sich möglichst viele Menschen in einem solchen körperbezogenen Selbstbewusstsein entspannen können, müssten sie sich aber auch positiv in den Augen der anderen spiegeln können.

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