Einzelfallprüfungen

Abschiebungen: Die juristischen Hürden

Österreich
01.07.2021 06:00

Komplexes Rechtsgeflecht setzt Richtern bei Entscheidungen enge Grenzen, was mit kriminellen Flüchtlingen zu geschehen hat. Selbst bei nachgewiesenen Verbrechen muss „der Einzelfall“ genau geprüft werden.

Abschiebungen, wie sie immer wieder für kriminelle Flüchtlinge gefordert werden, sind eine komplizierte Sache. Das zeigen aktuelle Urteile. Zunächst entscheidet das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in letzter Instanz landet der Akt bei Verwaltungsgerichten. Als Voraussetzung für Abschiebungen gelten mehrere Punkte (siehe Infobox unten).

Fakten

Laut Asylgesetz dürfen Flüchtlinge aus folgenden Gründen abgeschoben werden: Es muss eine Verurteilung wegen eines „besonders schweren Verbrechens“ vorliegen, nachgewiesen werden muss auch, dass der Betroffene „gemeingefährlich“ ist. Schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes überwiegen. Unbegleitete Minderjährige dürfen laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht abgeschoben werden, wenn keine Aufnahmemöglichkeit in der Heimat vorhanden ist. Dann muss die Volljährigkeit abgewartet werden.

Wesentlichster Punkt ist eine Verurteilung wegen eines „besonders schweren Verbrechens“: Tötungsdelikte, Vergewaltigungen, Raub oder Terrorismus fallen darunter, Kindesmisshandlung oder Drogenmissbrauch - meistens - auch, aber eben nicht immer.

In jüngsten Entscheidungen wurde einem zu zehn Monaten teilbedingt verurteilten Syrer der Asylstatus zunächst aberkannt. Der Schuldspruch in Salzburg erging, weil der Mann als Babysitter bei einer Familie ein fünfjähriges Kind missbraucht hat. Der Verwaltungsgerichtshof entschied aber, die Abschiebung müsse nochmals hinterfragt werden. „Schuld“ daran ist ein Urteil des EuGH vom September 2018 im „Fall Ahmed“ (AZ RS C-369/17): Delikt und Strafhöhe dürfen nicht alleine ausschlaggebend sein, es muss „der Einzelfall“ geprüft werden.

So ist das auch bei einem wegen Drogenhandels zu zwei Jahren unbedingt verurteilten Afghanen: Auch hier muss nochmals „im Einzelfall“ geprüft werden, ob eine Abschiebung zulässig ist. Wobei zwischen den Zeilen eine solche von den Verwaltungsrichtern befürwortet wird, aber bis zur endgültigen Entscheidung werden Jahre vergehen.

Personalnot, lange Verfahrensdauer
In anderen Fällen hingegen gab es keine Zweifel, dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Aberkennung des Asylstatus nach sich ziehen würde: Ein Iraker, der wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zwei Jahre Haft verbüßen soll, wird abgeschoben. Kein Zögern gab es auch bei einem Tschetschenen, der wegen Anstiftung zu einem Mordanschlag zehn Jahre Haft ausgefasst hat. Ein wesentliches Problem ist die durch Personalnot bei den Verwaltungsgerichten verursachte lange Verfahrensdauer.

Bis höchste Instanzen entscheiden, vergehen Jahre. Je länger strafrechtliche Verurteilungen her sind, desto weniger Gewicht haben sie. Anwälte können Wohlverhalten seit dem Urteil ins Treffen führen. Ebenfalls aus Zeitnot wird manchmal auf eine persönliche Anhörung eines Asylwerbers verzichtet. Auch hier haken Juristen gerne ein.

Unklare Herkunft: Wohin abschieben?
Schließlich bleibt eine weitere Hürde. Da es bei Flüchtlingen oft Unklarheiten gibt, aus welchem Land sie tatsächlich stammen, verweigern die Behörden gerne die Rücknahme. Eine Abschiebung ist ohne Bestätigung der jeweiligen Nation gar nicht möglich oder endet manchmal sogar mit der Rückkehr nach Österreich.

Peter Grotter
Peter Grotter
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