Loacker im Gespräch:

„Babyelefant ist doch was für Dreijährige“

Vorarlberg
25.04.2021 08:55

Eine glatte 5 gibt der pinke Gesundheitssprecher Gerald Loacker der Bundesregierung in Sachen Krisenmanagement. Als Grund nennt er die schlechte Kommunikation und Fehler beim Impfmanagement. In Vorarlberg ärgert ihn die Priorisierung verschiedener Gruppen.

Krone: Herr Loacker, welchen Eindruck haben Sie vom neuen Gesundheitsminister?
Gerald Loacker: Er wirkt sehr motiviert. Hält sich aber noch sichtbar zurück, weil ihm die Sicherheit im politischen Geschäft fehlt.

Kann Wolfgang Mückstein Österreich aus der Krise führen?
Er war einer der wichtigsten persönlichen Berater von Rudi Anschober. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich politisch nicht viel ändern wird. So schlecht vorbereitet, wie ihn sein Kabinett am Donnerstag in seinen ersten Hauptausschuss geschickt hat, ist das eher ein schlechtes Vorzeichen.

Was ist im Hauptausschuss passiert?
Er hat einfach keine Frage beantwortet, obwohl es um so wichtige Dinge wie Ausgangssperren, Maskenpflicht, separate Regeln für Wien und Vorarlberg ging. Diese Dinge sind in der Covid-Schutzmaßnahmenverordnung geregelt - und weil es sich um tiefe Eingriffe handelt, muss diese alle zehn Tage neu beschlossen werden.

Sie diskutieren alle zehn Tage über Ausgangssperren?
Ich lasse einen derartigen Eingriff, der durch das Parlament abgesegnet wird, sicher nicht unkommentiert. Es sind Freiheitsbeschränkungen und die Notwendigkeit ist derzeit schlecht zu argumentieren.

Sind die Ausgangsbeschränkungen verfassungskonform?
Sie sind gesetzeswidrig, weil Ausgangsbeschränkungen nur als letzte Maßnahme verhängt werden dürfen. Sobald Schule, Handel oder die Gastronomie öffnen, sind sie nicht mehr zulässig. Außerdem dürfen Ausgangsbeschränkungen nur verhängt werden, wenn der Zusammenbruch der gesundheitlichen Versorgung droht. Das ist in Österreich definitiv nicht der Fall.

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Ausgangsbeschränkungen dürfen nur verhängt werden, wenn der Zusammenbruch der gesundheitlichen Versorgung droht. Das ist in Österreich definitiv nicht der Fall.

Gerald Loacker

Darf ich eigentlich nach 20 Uhr von einem Besuch in einem Privathaushalt nach Hause fahren?
Nach Hause fahren darf man immer. Das Problem ist, dass sich niemand mehr die sich ständig ändernden Verordnungen anschaut. Ein Highlight gab es übrigens im Dezember, als für 14 Tage in der Verordnung stand, dass in jedem Haushalt Maskenpflicht gilt.

Wie kann denn so etwas passieren?
Legistik ist etwas, was man können muss. Außerhalb der Pandemiezeiten regeln die Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums so spezifische Dinge wie Ärzteberufsrecht. Da hat man viel Zeit, kann überlegen, mit allen diskutieren. Jetzt gilt es, unter Hochdruck alle zehn Tage neue Verordnungen zu liefern. Da passieren dann solche Fehler.

Im Moment herrscht viel Betrieb in den Impfstraßen. Wie zufrieden sind Sie mit der Organisation?
Gerade in Vorarlberg machen die Menschen, die dort arbeiten, einen richtig guten Job. Grundsätzlich hätte ich in Hinblick auf die Abwicklung einiges anders gemacht.

Nämlich?
Das beginnt schon bei der Beschaffung. Der Schwerpunkt wurde auf Vektorimpfstoffe wie AstraZeneca und Johnson & Johnson gelegt, weil die in Arztpraxen gut verimpft werden können. Von den mRNA-Impfstoffen wurde weniger bestellt. Bei Moderna sogar nur das halbe Kontingent jener Menge, die Österreich zugestanden wäre. Das Problem ist aber, dass die niedergelassenen Ärzte allein gar nicht die Mengen an Impfungen verabreichen können. Da braucht es Impfstraßen.

Aber die sind ja - Sie hatten es gesagt - in Vorarlberg perfekt organisiert.
Ja. Nur hat man den Ländern erst Mitte Dezember gesagt, dass sie das Impfen organisieren müssen. Aber um ältere Menschen oder Schwerkranke zu erreichen, braucht es längere Vorlaufzeiten. Jetzt, im April, hat die Sozialversicherung die Risikopatienten angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung zur Impfung gehen sollten. Dass sich die Vorarlberger Risikopatienten ab Mitte Jänner anmelden und dann über den Hausarzt eine Vorreihung beantragen konnten, haben doch die wenigsten gewusst. Inseriert wurde nur der Babyelefant, vieles ist dann über Mundpropaganda gelaufen. Und in Niederösterreich sitzen verzweifelte Senioren vor dem PC und versuchen zu gewissen Zeiten, an denen das Tool freigeschaltet ist, einen Impftermin zu bekommen.

Auf den sozialen Medien haben Sie mehrfach die Impfreihenfolge in Vorarlberg kritisiert.
Ja, eigentlich hätte man spätestens nach der ersten Impfrunde und dem Eklat mit dem Roten Kreuz die Notbremse ziehen müssen. Alles, was danach passiert ist, zeigt doch, dass die Lernkurve im Amt der Landesregierung sehr flach ist. Menschen, die keine Lobby haben, die nicht mit ÖVP-nahen Organisationen vernetzt sind, kommen später dran. Das Argument der Landesregierung lautet dann immer: Gib doch a Ruh, wir sind eh schneller als andere Bundesländer. Kritiker gelten hingegen als unsolidarisch und begehen Majestätsbeleidigung.

Diejenigen, die seit Mitte Jänner auf den Impftermin warten, dürften auch nicht happy sein.
Natürlich. Die Kommunikation, wer wann dran kommt, ist nicht gut. Die Priorisierung hat sich mehrfach geändert. Inzwischen ist der Verweis des nationalen Impfgremiums aus dem Vorarlberger Impfplan geflogen und es gibt neue Kategorien in Phase 3. Da sind die Krisenstäbe des Landes und der Gemeinden drinnen, die Landes- und Gemeindebediensteten sowie Personen mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten oder Kundenkontakten.

Wie beurteilen Sie die Einführung der Testregion?
Das war eine gute Idee. Viele sagen, dass man an den aktuellen Zahlen sieht, dass es nicht funktioniert. Aber ein beachtlicher Teil der Neuinfektionen ist einfach darauf zurückzuführen, dass die ansteckendere Variante B.1.1.7 in Vorarlberg noch nicht dominant war. Interessant ist, dass Wien nach sechs Wochen hartem Lockdown ähnliche Zahlen hat wie Vorarlberg mit großzügigen Öffnungsschritten.

Wie finden Sie den Öffnungsplan für ganz Österreich ab dem 17. Mai?
Ich denke, dass zu viel auf einmal geöffnet wird. Ein Stufenplan wäre sinnvoller gewesen, um die Bürger Schritt für Schritt mitzunehmen. Eine ganz schlechte Idee ist es, den Bürgern bereits 22 Tage nach der Erstimpfung mehr oder weniger alle Rechte einzuräumen. Das signalisiert, dass der Erstgeimpfte und seine Mitmenschen bereits geschützt sind, was falsch ist. Zudem ist die zweite Impfung unverzichtbar, um einen vollständigen Schutz zu haben.

Welche Note würden Sie der Bundesregierung für das Krisenmanagement geben?
Eine glatte 5, weil einfach nichts funktioniert hat. Das beginnt schon mit der Kommunikation am 30. März des vergangenen Jahres, als man von 100.000 Toten gesprochen hat, und geht weiter mit dem Babyelefanten. Wer mit den Bürgern kommuniziert wie mit einem Dreijährigen, darf sich nicht wundern, wenn nichts funktioniert. Ich hoffe, dass die Impfung für Jugendliche und Kinder ab zwölf Jahren besser organisiert wird.

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Wer mit den Bürgern kommuniziert wie mit einem Dreijährigen, darf sich nicht wundern, wenn nichts funktioniert.

Gerald Loacker

Welche Note bekommt die Landesregierung?
Eine 2 bis 3, weil das Testsystem wirklich sehr gut organisiert ist und die Kommunikation im Vergleich zur Bundesregierung weniger panisch ist. Minuspunkte gibt es wegen der Impfpriorisierung.

Zur Person
Gerald Loacker wurde am 28. November 1973 in Dornbirn geboren. 1992 maturierte Loacker am Bundesgymnasium Dornbirn, anschließend studierte er bis 1997 an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Seine erste politische Funktion übernahm Loacker im Jahr 2001. Damals noch auf der Liste der ÖVP wurde er zum Mitglied der Dornbirner Stadtvertretung gewählt. Bis Jänner 2013 war er Ersatzmitglied der Stadtvertretung, ehe er aus der Partei austrat, um Landessprecher der neugegründeten Partei NEOS zu werden. Bei der Nationalratswahl 2013 holten die NEOS in Vorarlberg 13,1 Prozent. Loacker zog erstmals in den Nationalrat ein.

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