Eigentum kaum leistbar

Lohnt sich Leistung in Vorarlberg überhaupt noch?

Vorarlberg
21.04.2021 13:55

Selbst wer gut verdient, kann sich in Vorarlberg kaum noch Eigentum leisten. Die Grundstücks-, Haus- und Wohnungspreise stehen in keiner Relation mehr zu dem, was die Vorarlberger verdienen. Warum ist die Schere zwischen Einkommen und Auskommen derart auseinandergegangen? Und was kann dagegen getan werden?

Wir verdienen zwar immer mehr, im Vergleich dazu sind aber die Preise für Grundstücke und Immobilien regelrecht explodiert. Mittlerweile kostet in Vorarlberg der Quadratmeter Eigentum im Schnitt 4436 Euro, nirgendwo in Österreich ist es mehr. Auch wenn das durchschnittliche Nettoeinkommen mit 2470 Euro pro Person (2019) österreichweit am höchsten ist, so bleibt unterm Strich der nüchterne Befund: Ohne Erbschaft ist der Erwerb von Eigentum für viele illusorisch geworden - und das betrifft auch viele „Besserverdiener“. In Vorarlberg beträgt die Eigentumsquote zwar immer noch über 70 Prozent, die Tendenz ist allerdings sinkend. Kommen neue Wohnungen auf den Markt, werden diese zum Großteil von Anlegern aufgekauft - mit dem negativen Nebeneffekt, dass die privaten Bauträger vorwiegend „anlegeroptimiert“ statt „bedürfnisorientiert“ bauen, zudem verkommen Immobilien zu Spekulationsobjekten. Die so vorarlbergtypische Erzählung vom „schaffa, schaffa, Hüsle baua“, hinter der auch die Überzeugung steht, über Leistung zu Eigentum zu kommen, bleibt immer öfter ohne Happy End. Dabei ist der Wunsch nach einem Eigenheim ungebrochen groß. 

Wer reich ist, wird immer reicher
Stellt sich konsequenterweise die Frage: Lohnt sich Leistung noch? „Es kommt ganz darauf an, auf wen sich diese Frage bezieht“, steckt Ernst Tüchler, Chef der Volkswirtschaftsabteilung des ÖGB, erst einmal vorsichtig das Feld ab, um dann Klartext zu reden: „Wenn ich ein vermögender Mensch wäre und voriges Jahr nach dem Absturz der Börsen viel Geld investiert hätte, dann hätte ich mit wenig Leistung viel verdient. Als einfacher Arbeitnehmer kann ich strampeln wie ich will, ein Vermögen werde ich nicht anhäufen.“ Auch Arbeiterkammer-Präsident Hubert Hämmerle tut sich schwer, von einer leistungsgerechten Gesellschaft zu sprechen: „Sogar wenn beide Partner in Vollzeit arbeiten, reicht es heutzutage meist nicht mehr, um sich den Wunsch nach dem Eigenheim zu erfüllen.“

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Die Frage ist, für wen sich Leistung überhaupt noch lohnt. Als einfacher Arbeitnehmer kann ich strampeln wie ich will, ein Vermögen werde ich nicht anhäufen.

Ernst Tüchler

Spärlicher Einkommenszuwachs 
Doch warum ist das so? Der Blick auf die Zahlen gibt Antwort: Die Löhne und Gehälter sind von 2014 bis 2018 inflationsbereinigt um schlappe 2,6 Prozent gestiegen - 2019 gab es noch ein leichtes Plus, im Coronajahr 2020 dürften die Nettoreallöhne allerdings gesunken sein. Dieser spärliche Einkommenszuwachs steht in keinem Verhältnis zu den Steigerungen bei den Grundstücks- und Eigentumspreisen. Die Grundstückspreise haben sich in den vergangenen zehn Jahren teils mehr als verdoppelt. In den Ballungszentren Bregenz und Dornbirn kostet der Quadratmeter Baugrund zwischen 600 und 1200 Euro, für ein gebrauchtes Haus müssen zwischen 3000 und 4500 Euro pro Quadratmeter berappt werden. Neben der erwähnten Anleger-Spekulation treibt die gestiegene Nachfrage die Preise in die Höhe: Seit 2010 ist die Vorarlberger Bevölkerung um 30.000 Menschen angewachsen. 

Die vermögenden „zehn Prozent“
Mit der Wertsteigerung der (Anlage-)Immobilien und der Hausse an den Börsen sind die Vermögen der wenigen Privilegierten in Vorarlberg immens gewachsen. „Die reichsten 10 Prozent erhalten 90 Prozent aller Vermögenseinkommen, das reichste Prozent besitzt 40,5 Prozent und für die untere Hälfte bleiben lediglich 2,5 Prozent aller Nettovermögen. So viel individuelle Leistung ist kaum zu erbringen, um dieses Ungleichgewicht ausgleichen zu können“, benennt der AK-Wirtschaftsexperte Dominic Götz die Fakten. Die asynchrone Entwicklung von Vermögen und Löhnen ist mittlerweile zu einem strukturellen Problem geworden, die Hoffnung auf eine natürliche „Bereinigung“ illusorisch: „Ein solches Missverhältnis lässt sich nur sehr schwer wieder umkehren. Das Problem wird sich eher noch zuspitzen.“

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Während die Löhne der Belegschaften stagnieren, stiegen die Vergütungen für Manager zuletzt auf das Über-60-fache eines durchschnittlichen Arbeitnehmergehalts an.

AK-Präs. Hubert Hämmerle

Gewinn ungerecht verteilt
Die auseinander klaffende Schere zwischen Löhnen und Vermögen erklärt sich noch mit einem anderen „Phänomen“: Seit rund 25 Jahren hält die Lohnentwicklung mit der Steigerung der Produktivität nicht mehr Schritt. „Dadurch wird der erwirtschaftete Gewinn ungerecht verteilt“, erklärt Götz. Profiteur dieser Entwicklung ist eine kleine Elite: „Während die Einkommen der Belegschaften stagnieren, stiegen die Vergütungen für Manager zuletzt auf das Über-60-fache eines durchschnittlichen Arbeitnehmergehalts an“, schüttelt Hämmerle den Kopf.
Gerade bei den Fraueneinkommen wird deutlich, dass Leistung unter Wert bemessen wird. Obwohl sie häufig in systemrelevanten Berufen arbeiten, sind Frauen chronisch unterbezahlt. „Der geschlechterspezifische Lohnunterschied liegt in Österreich deutlich über dem EU-Schnitt. Indirekt kann man damit auch auf die Berufsgruppen, die systemisch unterbezahlt sind, schließen - nämlich jene mit einem hohen Frauenanteil.“
Das Ziel kann also nur lauten: mehr Einkommens- und Verteilungsgerechtigkeit!

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