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KW 44 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
01.11.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

Auđn - Vökudraumsins Fangi
Szenebeobachter und -kenner wissen - neben Frankreich ist Island schon seit Jahren das spannendste Land, wenn es um Black Metal geht. Direkt aus dem nordischen Kältepol Europas kommen Auđn dieser Tage mit ihrem dritten Album „Vökudraumsins Fangi“ ums Eck und entführen den Hörer einmal mehr in eine mannigfaltige Welt aus epischen Melodien und viehischer Raserei. Die Texte werden in der Landessprache vorgetragen und zwischen ausladenden Melodiestafetten und Doublebass-Eruptionen bleibt auch genug Zeit, um sich zwischendurch immer mal wieder von diesem Parforceritt ausruhen zu können. Natürlich haben Auđn längst ihre Ausrichtung gefunden und verlassen diese irgendwo zwischen Falkenbach, Arckanum, Mispyrming und etwas - ja - Amon Amarth verschlungenen Pfade nicht mehr, aber das ist beileibe nichts Schlechtes. Knallt! 7,5/10 Kronen

Rebekka Bakken - Winter Nights
Noch etwas weniger als zwei Monate bis zum großen Weihnachtsfest und die Stars schicken bereits in schöner Regelmäßigkeit ihre Weihnachtsalben vor, um zwischen Herbsttemperaturen und ersten Lebkuchenkostproben für die richtige Stimmung zu sorgen. Neu im Bunde ist die beliebte norwegische Sängerin Rebekka Bakken, die sich zu ihrem 50er den großen Kindheitstraum von einem Weihnachtsalbum erfüllt. „Winter Nights“ beinhaltet mit Songs wie „Last Christmas“, „Fairytale Of New York“ und natürlich „Silent Night“ alles, was man in diesem Segment liebt oder eben hasst. Getragen werden die Songs von einer melancholischen Atmosphäre und Bakkens beeindruckend-intensiver Stimme. Zuschlagen, wer mag. Ohne Bewertung

Black Stone Cherry - The Human Condition
So abgeschieden daheim in Kentucky an einem Album arbeiten, dass man von Corona anfangs überhaupt nichts mitbekommt - das muss man auch einmal schaffen. Black Stone Cherry befinden sich eben gerne in ihrer Blase und erschufen mit „The Human Condition“ ein Album, das überraschend nahe am derzeitigen Zeitgeschehen ist, ohne vorsätzlich darauf gepolt geworden zu sein. Die gewohnte Mischung aus Southern- und Alternative Rock ist glücklicherweise nicht ganz so käsig wie auf den zwei lauen Vorgängern geraten und zeigt das fidele Quartett endlich wieder mit Ecken und Kanten, ohne aber den Appeal der Massentauglichkeit einzubüßen. Mit „Push Down And Turn“ oder „The Chain“ hat man echte Kracher im Repertoire, das ELO-Cover „Don’t Bring Me Down“ fügt sich zudem souverän in das Gesamtspektakel ein. Welcome back boys! 7,5/10 Kronen

Bring Me The Horizon - Post Human: Survival Horror EP
Andere Bands würden neun Songs als volles Album verkaufen, für die britischen Stilverweigerer Bring Me The Horizon ist diese Menge aber schlichtweg nur eine EP. Value for money also, das kann nie schaden. Die komplett im Lockdown geschriebenen Songs beziehen sich natürlich auch thematisch auf die Sorgen der Gegenwart und fallen - nicht zuletzt im Titel „Post Human: Survival Horror“ betont dystopisch aus. Den Fehler, auf alte Deathcore-Pfade zurückzukehren macht die Band zum Glück nicht, viel mehr vermischen Olli Sykes und Co. rüde Eruptionen („Dear Diary“) mit modernen elektronischen Elementen („Parasite Eve“) und strecken ihren vielen Kritikern absichtlich den Mittelfinger entgegen. Ein bisschen Trandreiten, ein bisschen Nu-Metal des Millenniums und auch Punkrock sind zu finden. Dazu noch eine beachtliche Gästeliste (Babymetal, Yungblud, Nova Twins, Amy Lee von Evanescence). Mut kann man nicht kaufen, aber man muss ihn respektieren! Ohne Bewertung

Ane Brun - After The Great Storm
Der überraschende Tod ihres Vaters hat der norwegisch/schwedischen Songwriterin Ane Brun vor vier Jahren den Boden unter den Füßen weggezogen. Jahrelang steckte sie kreativ im Tief, erst eine dreiwöchige Songwritingsession in einer abgelegenen norwegischen Hütte brachte die sensible Künstlerin wieder in die Spur zurück. Nun kehrt sie gleich mit zwei Alben zurück. „After The Great Storm“ zeigt Brun von einer experimentell-elektronischen Seite, die sich gerne an Kate Bush („Crumbs“), Angel Olsen oder James Blake anlehnt, andererseits aber auch niemals die natürliche Wärme ihrer Songs vermissen lässt. Ein Album über das Wiederfinden von Lebensfreude in einer Zeit der globalen Distraktion - ein wundervolles und überraschendes progressives Statement. In ca. einen Monat erscheint mit „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“ ein eher basisch-verletzliches Werk. 7,5/10 Kronen

Mr. Bungle - The Raging Wrath Of The Easter Bunny
Als Mastermind Mike Patton vor etwas mehr als einem Jahr die legendären Mr. Bungle zurück ins Leben geholt hat, wusste man ja noch nicht, wo das enden würden. Nach ein paar ausgewählten Auftritten hat er sich Slayer-Drummer Dave Lombardo und Anthrax-Gitarrist Scott Ian ins Boot geholt, um das legendäre 1986er-Demo „The Raging Wrath Of The Easter Bunny“ noch einmal neu einzuspielen. Darauf zu hören ist astreiner US-Thrash-Metal der 80er-Schule, verstärkt durch Coverversionen von Kultbands wie S.O.D. oder Corrosion Of Conformity. Die Bandmitglieder waren damals zwischen 15 und 17 und knüppelten sich aus purem Spaß an der Sache durch den angesagtesten Metal-Sound. Weniger Nostalgie und mehr die Freude daran, ein Kultdemo noch einmal neu zum Leben zu erwecken soll die Band getrieben haben. Hat auch nach dreieinhalb Dekaden nichts von seiner Magie verloren! Ohne Bewertung

Carcass - Despicable EP
Nach dem großartigen Comeback mit „Surgical Steel“ hätte wohl kaum jemand gedacht, dass es ganze sieben Jahre dauern würde, bis die britischen Death Metal-/Grindcore-Urgesteine Carcass wieder mit neuem Material zurückkehren würden. Nun ist „Despicable“ auch kein richtiges Album, aber zumindest eine vier Tracks starke EP, die den Warteschmerz bis zum nächsten richtigen Werk überbrücken sollte. Schon der Opener „The Living Dead At The Manchester Morgue“ gerät dabei - obschon technisch hochwertig - etwas beliebig und die angezogene Handbremse auf „The Long And Winding Bier Road“ langweilt schon beim zweiten Durchlauf. Auch „Under The Scalpel Blade“ und „Slaughtered In Soho“ kommen nicht so richtig in die Gänge und werden wohl nicht umsonst auf dem auf 2021 verschobenen Full-Length-Album fehlen. Hoffentlich finden Jeff Walker und Co. bald wieder ihr Mojo… Ohne Bewertung

Eels - Earth To Dora
Wenn die Welt wieder mal aus allen Fugen gerät und man nicht mehr genau weiß, wo vorne und hinten ist, dann kann man sich zum Glück immer auf ein paar Musiker verlassen, die sich noch nichts unterkriegen lassen. Etwa Mark Oliver Everett aka E, der mit seinen Eels nicht nur untrügliche Spuren in der Indie-Pop-Welt hinterlassen hat, sondern auch das naturgegebene Talent besitzt, zur rechten Zeit das richtige Statement zu setzen. Die Songs hat E schon vor dem Corona-Ausbruch geschrieben, mit ihrer melancholischen Melodielastigkeit und dem lebensbejahenden Zugang sind sie aber tröstlich und motivierend zugleich. Songs wie „Baby Let’s Make It Real“, „Who Say Who You Are“ oder das unmissverständliche „Are We Alright Again“ mäandert zwischen Hoffnungs-Pop, alternativen Indie-Klängen und balladesker Glückseligkeit. „Earth To Dora“ ist das richtige Album zur richtigen Zeit. 8/10 Kronen

Gebenedeit - Missgeburt, macht eine Messe!
Die Liturgie macht auch im Pop eine gute Figur. Gebenedeit ist nicht nur die Frucht eines Leibes, sondern ein ganz besonderes neues Projekt rund um die Wiener Schriftstellerin und Bachmann-Publikumspreisträgerin Lydia Haider, die pünktlich zu Allerheiligen mit dem Debüt „Missgeburt, macht eine Messe!“ aufwartet. Nachempfunden ist das ambitionierte, aber auch schwer zugängliche Werk einem eucharistischen Gottesdienst, sozusagen vom Leiden bis zur längst fälligen Erlösung. Von der devoten Ergebenheit bis hin zur selbstständigen Selbsterkenntnis, ausgekleidet mit einem punkigen Noise-Teppich, der zwischen Kirchenglockenschlägen und verzerrten Synthie-Bässen mäandert. Eine bewusstseinserweiternde Erfahrung, die viele Fragen aufwirft und in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken aufruft. Starker Tobak. 7/10 Kronen

Goo Goo Dolls - It’s Christmas All Over
Die Langeweile während der Corona-Kreise treibt manchmal seltsame Blüten. Etwa solche, dass sogar gestandene Rockbands wie die Goo Goo Dolls für lauter Unterbeschäftigung an einem Weihnachtsalbum schrauben. Frontmann John Rzeznik zieht sich mit einer sauberen Stimmleistung wenigstens würdig aus der Affäre, doch bis auf zwei brandneue Songs gibt es hier wenig zu bestaunen, das wirklich einen Kauf lohnen würde. Die Songs wandeln zwischen Funk, Rock und - etwa bei „Let It Snow“ - ohrenbetäubenden Kitsch. Aber klar, jeder Spotify-Klick spült zumindest ein paar Cent in die aufgrund der Tourausfälle klammen Bandkasse einer Combo, die ohnehin nicht in der Champions League musiziert. Harte Nerven für das Werk brauchen aber nicht nur erklärte Fans der Band. Ohne Bewertung

Insidious Disease - After Death
Wenn es jedem daheim langweilig ist und man ohnehin nicht reisen kann, kann man genauso gut wieder Musik machen und sie sich hin- und herschicken. Das haben sich auch die Jungs von Insidious Disease gedacht, eine prinzipiell in Oslo stationierte Death-Metal-Band, deren einzelne Mitglieder Groo, Tony Laureano, Shane Embury, Silenoz und Cyrus sich aber auf alle Herren Länder verteilen. „The best of all worlds“ sozusagen, das gilt bei All-Star-Projekten in der Umsetzung aber bekanntermaßen eher selten. „After Death“ ist als erster Output nach zehn Jahren trotzdem sehr kurzweilig, flott und auch nachvollziehbar geraten. Songs der Marke „Divine Fire“ oder „Born Into Bondage“ mäandern irgendwo zwischen traditionell und modern, treibend und melodisch, blastend und ehrfürchtig. Die Technik aus den USA, das Kompromisslose aus England, die Melodieverliebtheit Norwegens - eben alles irgendwie da und durchaus okay. Kann man gerne hören! 7/10 Kronen

Christian Kjellvander - About Love And Loving Again
Die Schweden ticken in der Corona-Zeit anders, das wissen wir. Ob das System im Norden richtiger oder besser wird, darüber wird noch jahrelang analysiert werden. Jedenfalls gab es Christian Kjellvander die Gelegenheit, sich im vergangenen Mai zusammen mit zwei kundigen Mitmusikern in ein Stockholmer Kellerstudio zu schließen, um die Songs für sein famoses neues Soloalbum „About Love And Loving Again“ einzuspielen. Doch jemand, der acht Jahre lang ländlich und einsam in einer umgebauten Kapelle wohnte, den wirft ein Virus nicht mehr aus der Bahn. Mit seinem tiefen Timbre, den meist die Sieben-Minuten-Grenze sprengenden Songs und der düsteren Atmosphäre inszeniert sich Kjellvander einmal mehr als skandinavischer Nick Cave, ohne aber dessen gebieterischen Gestus zu übernehmen. Gerade die Passagen der Ruhe und Reduziertheit in Preziosen wie „Baptist Lodge (The Galaxy)“ oder „Cultural Spain“ verschaffen dem Gesamtwerk eine besonders feine Schönheit. Ein sanftes Werk für das abendliche Flascherl Rotwein. 7,5/10 Kronen

Kruder & Dorfmeister - 1995
Tatsächliche Erinnerungslücken oder geschickter Marketinggag? Jedenfalls haben Kruder & Dorfmeister, zwei der internationalen prägendsten und erfolgreichsten Künstler aus Österreich, beim Umräumen daheim angeblich ein paar alte Tapes mit der Aufschrift „1995“ gefunden. Die sogenannten „DAT-Tapes“ wurden nun entstaubt, rekonstruiert und ins digitale Zeitalter gebeamt. Voila - wir haben einmal mehr einen Geniestreich, der die musikalische Welt essenziell bereichert. Die Downtempo- und Trip-Hop-Legenden smoothen so elegant und schick wie selten zuvor durch die 15 Tracks, die in ihrer loungigen Gelassenheit auch 25 Jahre später von erstaunlicher Zeitlosigkeit sind. Nicht nur die bereits vorab ausgekoppelte Single „Johnson“ überzeugt auf allen Linien, auch der Rest des Materials wird Kennern und Neuentdeckern die globale Wichtigkeit des Wiener DJ-Duos gewahr werden lassen. Bitte weiter entstauben, wir vertragen da noch mehr! Ohne Bewertung

Mourn - Self Worth
Indie-Rock, weibliche Besetzung und Spanien - das funktioniert. Das weiß man nicht zuletzt durch die Hinds, die auf ihrem letzten Album aber einen großen Schritt Richtung Mainstreamtauglichkeit gemacht haben und die Ecken und Kanten ein bisschen abgerundet haben. Diese Gefahr besteht ihre Landsfrauen von Mourn noch nicht. Vom Quartett zum Trio geschrumpft zeigen sie sich auf „Self Worth“ nicht nur emanzipiert und Empowerment ausstrahlend, sondern auch überraschend extrovertiert und angriffslustig. In Songs wie „It’s A Frogs World“ gibt es sogar ausladende Post-Rock-Referenzen zu begutachten, doch die klangliche Dissonanz behagt ihnen nicht immer. In „Gather Reality“ ragen die kultigen Smiths heraus, von den legendären Rrriot-Girl-Bands hat man eher die Attitüde als den Sound übernommen. Coolness kennt aber ohnehin kein Alter. 7/10 Kronen

Melissa Naschenweng - LederHosenRock
Vom beschaulichen kärntnerischen Lesachtal auf die größten Bühnen Österreichs. Der Aufstieg von Melissa Naschenweng, hierzulande gerne zu Unrecht als einheimische Helene Fischer betitelt, ist beispiellos. Als bisherigen Höhepunkt räumte die 30-Jährige heuer auch den Amadeus in der Kategorie „Schlager/Volksmusik“ ab. Das durch Corona mehrmals hinausgezögerte Album „LederHosenRock“ wird am bahnbrechenden Erfolg nichts verändern, sind doch alle Stärken der blonden Entertainerin vorhanden. Flotte, dem Rock’n’Roll („Lausbuam Blues“) ähnelnde Rhythmen, bodenständige Wald-und-Wiesen-Lyrics („Fichtenmoped“, „Traktorführerschein“, „I Love The Mountains“) und sexy Inszenierungen in den dazugehörigen Videos. Dass sich Melodien und Texte wiederholen oder duplizieren ist im Kommerzschlager nicht üblich. „LederHosenRock“ wird ein garantierter, kommerzieller Volltreffer werden. Ob man das braucht, steht auf einem anderen Blatt Papier. 6/10 Kronen

Midnight Oil - The Makaratta Project EP
Mit der Erfolgssingle „Beds Are Burning“ und den beiden Alben „Diesel And Dust“ (1987) und „Blue Sky Mining“ (1990) gelang den Australiern von Midnight Oil auch in unseren Breitengraden der große Durchbruch. Die Rock-Legende aus Down Under hat sich nach einer gewühlten Ewigkeit 2017 für Reunions-Konzerte zusammengefunden und wartet nun tatsächlich erstmals seit 18 Jahren mit neuer Musik auf - eine mittlere Sensation. Das „Makaratta Project“ ist zumindest mal ein gut halbstündiges Minialbum, das nicht nur im Titel auf die Ungleichbehandlung der indigenen Völker Australiens anspricht, sondern auch bewusst für Inklusion, Zusammenhalt und Frieden zu verstehen ist. Ein Gedanke, der sich schon immer durch den Geist der Midnight Oil-Mitglieder zog und nun in Musik gegossen wurde. Mit den Sturm-und-Drang-Tagen der späten 80er haben Midnight Oil heuer vielleicht nichts mehr zu tun, als Sprachrohr sind sie aber noch immer unerlässlich wichtig. Ohne Bewertung

Oneohtrix Point Never - Magic Oneohtrix Point Never
Wie aktuell kann man mit einem Projekt eigentlich sein? Der amerikanische Klang- und Experimentalkünstler Daniel Lopatin aka Oneohtrix Point Never hat die Nase in diesem Wettbewerb jedenfalls weit vorne. Sein neues, selbstbetiteltes Album setzt sich mit Klangcollagen aus Archivmaterial verschiedener US-Radiosender auseinander und soll damit die „vielsagenden und abgründig-komischen Zerrbilder der US-amerikanischen Kultur“ sichtbar machen. Ein Schelm, wer so wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl an Zufall denkt. Seinen Klangstafetten setzt er DJ-Abmoderationen, Werbeclips und Selbsthilfe-Mantras bei und verbindet die verschiedenen Unterkapitel zu einem großen Song. Mit an Bord sind dazu noch illustre Gäste wie Caroline Polachek, Arca, Nate Boyce und Chartstürmer The Weeknd. Zeitgeistig, modern, skurril - ein Volltreffer für Liebhaber des Abstrakten. 7,5/10 Kronen

Sofiane Pamart - Planet Gold
Sofiane Pamart ist in Frankreich ein absoluter Topstar und gilt mit seiner Auffassung von neoklassischem Pianospiel als Wegbereiter für Filmmusik und nicht zuletzt auch zahllose Epigonen, die seinem Stil mit Feuereifer folgen. Das Album „Planet“ wurde ursprünglich schon im Vorjahr veröffentlicht und nun mit sechs brandneuen Tracks angereichert. Für Unkundige entsteht dadurch die Möglichkeit, noch einmal in den grandiosen Sound des sensiblen Künstlers eindringen zu können, Kenner und Schätzer seines cineastisch anmutenden Werkes freuen sich über neues Futter für eingeschlossene Herbsttage. Nicht zuletzt sind die 18 Natur- und Stadtlandschaften gewidmeten Instrumentalsongs auch eine schöne Imaginationsreise in eine Zeit, als Ländergrenzen einfach zu überwinden waren. Ein zeitlos schönes Werk. 7,5/10 Kronen

Puscifer - Existential Reckoning
Chefexzentriker Maynard James Keenan hat nicht eine schleppende Corona-Krankheit überstanden, sondern in den letzten Jahren auch sein verloren geglaubtes Mojo wiedergefunden. Anders ist es nicht erklärbar, dass nicht nur Tool mit einem neuen Album um die Ecke kamen, sondern auch sein skurriles „Nebenprojekt“ Puscifer mit „Existential Reckoning“ noch in diesem Jahr nachfeuert. Fünf Jahre nach „Money Shot“ hat sich Keenan vor allem von der deutschen Elektronikszene inspirieren lassen, die immer wieder aus den einzelnen Songs wabert. Immer wieder kann man sich beim Mitsummen ertappen, weil die Eingängigkeit in Nummern wie „Apocalyptical“ oder „The Underwhelming“ ungewohnt hoch ist. Synth-Electro-Rock mit glockenklarer Stimme. Keine Sensation, aber ein gewohnt hochklassiges Prog-Opus. 7/10 Kronen

Busta Rhymes - Extinction Level Event 2: The Wrath Of God
In den USA kann man sich gedanklich nicht in die 90er-Jahre zurücktransferieren, ohne im Hip-Hop an Busta Rhymes anzustreifen. Bevor Autotone, Trap und allzu derbe Dicke-Hose-Lyrics populär wurden, dominierte der New Yorker die Szene. Das 1998 veröffentliche „Extinction Level Event“ kann man rückblickend durchaus als Opus Magnum des Künstlers betrachten, mehr als zwei Dekaden später legt Busta tatsächlich einen üppigen, mehr als einstündigen Nachfolger nach. Mehr als elf Jahre arbeitete er im On/Off-System an dem Werk, wirklich zufrieden war er damit aber lange nicht. Features von Weltkünstlern wie Anderson .Paak, Kendrick Lamar, Mary J. Blige oder Schauspieler Chris Rock mussten natürlich auch erst ins Trockene gebracht werden. Mit den apokalyptisch angehauchten Themen zeigt Rhymes auch textlich, dass ihm die Gegenwart nahegeht. Ein Festschmaus für Old-School-Fans, herrlich aus der Zeit gefallen. 7,5/10 Kronen

Emma Ruth Rundle & Thou - May Our Chambers Be Full
Im Frühling 2019, als Livekonzerte noch Usus waren, traten beim renommierten holländischen „Roadburn“-Festival zwei Größen ihrer Zunft erstmals zusammen auf. Auf der einen Seite das Südstaaten-Sludge-Kollektiv Thou, auf der anderen Seite die fragile Dunkel-Folkerin Emma Ruth Rundle. Das hat so gut funktioniert, dass man nun gut eineinhalb Jahre später mit „May Our Chambers Be Full“ das erste gemeinsame Album vorlegt und natürlich ins Schwarze trifft. Thous Grundrezept des tief-stampfenden, oft doomigen Sludges wird perfekt mit Rundles femininer Manson-Stimme und Post-Rock-Versatzstücken vermengt. Leid und Schmerz liegen kompositorisch nah beieinander und angenehmerweise ist die Überlänge nicht immer notwendig. Ein fabelhaftes Genre-Werk, das uns noch einmal gewahr macht, wie sehr wie diese Intensität auf den Bühnen dieser Welt vermissen. 7,5/10 Kronen

Skolka - Immer weida EP
Jedem Land seine LaBrassBanda. Damit sind wir auch hierzulande gut versorgt, denn die Ska-Combo Skolko sorgt vom Weinviertel aus schon seit vielen Jahre für gute Stimmung mit sozialkritischen Texten. Corona sei Dank gibt es mit „Immer weida“ (Durchhalteparole anyone?) nun ein relativ spontanes 5-Song-Häppchen zu bejubeln. Das Oktett hat sich dabei auch berühmte Verstärkung geholt und präsentiert im Reggae-Song „Wie ma Kinder woan“ Austropop-Erfolgshälfte Otto Jaus von Pizzera & Jaus. Auch außerhalb des Name-Droppings funktioniert das Off-Beat-Allerlei gewohnt wunderbar und scheut nicht davor zurück, sich (zum falschen Moment) auf die warme Jahreszeit zu freuen („Endlich Summa“), sich gegen Denunzianten zu wehren („Kia vor deiner Tia“) oder ringt schlichtweg nach „Luft“. Gute Laune kann gerade jetzt nicht schaden. Ohne Bewertung

Stälker - Black Majik Terror
Schon allein das Cover-Artwork, eine Mischung aus „Conan“, „Xena“ und einem x-beliebigen apokalyptischen 80er-Horrorstreifen, lässt große Freude aufkommen. Speed-Metal-Puristen werden bei Stälker aber auch musikalisch Luftsprünge machen, denn „Black Majik Terror“ setzt die Qualitäten des viel zu wenig beachteten Debüts „Shadow Of The Sword“ nicht nur fort, sondern kann sie kräftig steigern. Im derzeit Corona-freien Neuseeland lässt es offensichtlich zwanglos drauf losholzen, denn mit klischeebeladenen Perlen wie „Iron Genocide“, „Demolition“ oder „Of Steel And Fire“, macht niemand etwas falsch, der die alte (Slaughter) oder neue Schule (Ranger, Vulture) des nietenbehangenen Hochgeschwindigkeits-Heavy-Metal liebt. Musikalische Fertigkeiten und Spaß halten sich angenehm die Waage. Scheiß drauf, dass hier keine Innovation stattfindet. 7,5/10 Kronen

Stella Sommer - Northern Dancer
Mit ihrer Band Die Heiterkeit schreibt Stella Sommer seit gut einer Dekade deutsche Indie-Pop-Geschichte weit über ihre Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Nach und nach entdeckte sie aber die Melancholie für sich, die etwa auf dem englischsprachigen Solodebüt „13 Kinds Of Happiness“ für Furore sorgte. „Northern Dancer“ ist von Atmosphäre und Sound her die perfekte Fortsetzung dieses Erfolgswerks und zeigt das gesangliche Ausnahmetalent noch düsterer und trauriger. Die von fragilen Pianoklängen getragenen Nummern sind nicht so üppig inszeniert wie bei Lana Del Rey, sondern atmen ihre Zerbrechlichkeit durch eine ganz eigene freie Lücke. Die meist von Einsamkeit und träumerischen Momenten handelnden Songs sind der perfekte Soundtrack für den Ohrensessel im windgekühlten Herbst. Ein kleines Meisterwerk. 8/10 Kronen

Sun Ra Arkestra - Swirling
Unter der Leitung von Marshall Allen findet diese Woche eine besondere Sensation statt - das erste Studioalbum des legendären Sun Ra Arkestra seit 20 Jahren. Richtig gehört, die Zeit enteilt uns eben in allen Bereichen. So ganz neu ist die ganze Sache natürlich nicht, aber es gibt neue Arrangements von Klassikern wie „Angels And Demons At Play“ oder „Door Of The Cosmos“, zahlreiche weniger bekannte Juwelen aus dem langjährigen Bandfundus und erstmals auch der feurige Blues von „Darkness“, der aus verborgen und verloren geglaubten Archiven ausgegraben wurde, um ihn in schweren Zeiten mit der Welt teilen zu können. Ein bisschen Trost und Nostalgie können wir alle brauchen. Das Sun Ra Arkestra lässt uns dahingehend nicht im Stich. Ohne Bewertung

Suuns - Fiction EP
Mit ihrer einzigartigen Mischung aus künstlerischem Punk, Psychedlic Rock, Krautrock und Avantgarde sind die Kanadier Suuns nicht nur goldrichtig auf ihrem Feinschmeckerlabel Secretly Canadian, sondern auch ein kreativer Fels in der Brandung viel zu oft gleichförmig klingender Musik. Ihr bisheriges Meisterwerk „Hold/Still“ war vor vier Jahren eine Tour de Force durch die eigene Psyche und in Zeiten der kollektiven Verunsicherung entschloss sich die Band rund um Frontmann Ben Shemie dazu, mit „Fiction“ eine lose konzeptionelle EP zu veröffentlichen, die uns nicht zuletzt daran erinnern soll, dass ein globale Ohnmacht wie die derzeitige Pandemie nicht etwa aus dem Zufall heraus entsteht. Mit „Pray“ bieten die Kanadier dabei ein absolutes Songwriting-Highlight auf, „Breathe“ geht in die fernöstliche Richtung und das abschließende „Trouble Every Day“ verleiht dem Treiben schlussendlich fast noch etwas Tröstliches. Die Welt brennt, die Kreativität von Suuns aber zum Glück auch. Ohne Bewertung

Svartsyn - Requiem
Wirklich guter Black Metal entstand oft aus der bitteren Einsamkeit. Zumindest auf die schwedischen von Svartsyn trifft das seit fast 30 Jahren zu, denn solange arbeitet Mastermind Ornias bereits an seiner ganz eigenen Legende, die nur ungern aus dem gängigen Schema ausschert und gerade deshalb auf sehr viel Erfolg verweisen kann. Songwriting und Attitüde sind ganz in den frühen 90er-Jahren verhaftet, nur die Produktion hat der dunkle Skandinavier doch der Moderne angepasst und sie etwas fetter und nachvollziehbarer gestaltet. Wo andere auf komplette Reduktion setzen, ist der Gesamtklang hier doch von elementarer Wichtigkeit. Drumstafetten wie in „Mystery Babylon“ erfreuen Szenekenner ebenso wie Sechssaiter-Dissonanzen bei „Inner Demonic Rise“ oder „Spiritual Subjection“. Konservativ, kräftig, druckvoll - was will man hier auch mehr? 7,5/10 Kronen

Tobacco - Hot, Wet & Sassy
Die Tour im Vorprogramm der Nine Inch Nails vor drei Jahren hat Thomas Fec endlich auch einem Mainstream-Publikum nähergebracht. Zeit war es dafür, denn unter seinem Aliasnamen Tobacco gehört er schon seit vielen Jahren zu den spannendsten, innovativsten und auch dunkelsten Elektronik-Künstlern der Gegenwart. Keine Scheuklappen und keine Angst vor dem Unbekannten sind die obersten Prämissen seines Sounds. „Hot, Wet & Sassy“ hält das Versprechen ein, das der Titel schon vorausschickt. Tobacco klingt etwas zugänglicher, nachvollziehbar, vielleicht auch versöhnlicher als in den letzten Jahren. Die Einflüsse reichen laut Fec von „Cyndi Lauper bis hin zu den Butthole Surfers“, was als Gradmesser für die reichhaltige Kolorierung der Tracks durchaus zulässig ist. Auch der trendige Synthwave und Hedonismus-Chic kommen nicht zu kurz. „Hot, Wet & Sassy“ rockt ganz ohne Gitarren. Very well done! 7,5/10 Kronen

War On Women - Wonderful Hell
In Zeiten von #metoo und eines gesteigerten Bewusstseins für Gleichberechtigung mag eine bewusst feministische Band etwas überholt wirken, doch das Baltimore-Kollektiv War On Women wird auch auf dem neuen Rundling „Wonderful Hell“ nicht müde, diverse Verwerfungen und Probleme zwischen Unterdrückung und Patriarchat an die Oberfläche zu bringen - und das ist verdammt gut so! Wenige Tage vor der neuen US-Präsidentschaftswahl lassen Shawna Potter und Co. auch der Wut auf die prekären Verhältnisse in ihrer Heimat freien Lauf und würzen ihren handelsüblichen Hardcore-Punk mit bewusst verstärkten Mid-Tempo-Passagen, die gewisse Punkte unterstreichen sollen. Trotz allem ist die Welt halt doch immer noch lebenswert - was nicht zuletzt der Titel „Wonderful Hell“ aussagt. Hope dies last! 7/10 Kronen

Wynonna - Recollections EP
Wynonna Judd aus dem ländlichen Kentucky startete ihre Country-Karriere schon Mitte der 80er-Jahre als Hälfte der Judds und stieg vor allem in den 90er-Jahren zu einer der erfolgreichsten Country-Künstlerinnen der Welt auf. Damals war der Trend zu diesem Genre freilich nicht so ausgeprägt wie aktuell, aber die resolute Brachialstimme war inspirierend und federführend für so manch glänzendes Sternchen, das heute von den oberen Charträngen lacht. Trotz der Pandemie zeigt sie sich auf der „Recollections“-EP von ihrer allerbesten Laune und versprüht nichts als gute Stimmung. Sie vergreift sich an ihren fünf Lieblingssongs (u.a. „Angel From Montgomery“ des großen John Prine oder „Ramble On Rose“ von Grateful Dead) und interpretiert diese auf ihre ganz eigene Art und Weise. Macht nicht nur Spaß, sondern auch mehr Sinn als das x-te Weihnachtsalbum (das sie aber schon hinter sich gebracht hat). Ohne Bewertung

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